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Eugen Freund: Polit-Quereinsteiger des Jahres

Eugen Freund verfügt über ein bemerkenswertes Timing: In seinen letzten Wochen als „ZiB“-Moderator verhandelte er bereits mit der SPÖ über eine EU-Kandidatur. Kaum zwei Wochen nach seiner letzten Moderation platzte die Nachricht über seinen Wechsel zur SPÖ mitten in die Abschiedsfeier am Küniglberg. Eine Woche später war sein Ruf nach ersten Interviews schon fast wieder ruiniert: Eugen Freund vermochte nicht genau zu beantworten, wie viel ein Arbeiter verdient, verglich sich mit Bill Clinton und inszenierte sich als Sterngucker. Gleichzeitig setzte ein starker Entfremdungsprozess zu seinen Ex-Kollegen ein, der in einem bösen Tweet von ORF-Mann Hanno Settele gipfelte: „Welcher Irrsinn ist Dir in den Schädel gefahren“, schrieb er unter anderem. Auch andere distanzierten sich.

Porträt: Von der ZIB zur SPÖ

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Der KURIER bat prominente Experten und Insider um Stellungnahmen zum Wirbel um Eugen Freund:

Eugen Freund hätte Dancing Star werden können. Bei den Scouts der Tanz-Show stand er wohl ganz oben auf der Wunschliste. Aber ehe sie ihn noch fragen konnten, hatte sich der Kandidat bereits für ein noch glatteres Parkett entschieden: die Politik. Diese Entscheidung hat mich nicht überrascht. Zur Klarstellung: Ich halte meinen Ex-Kollegen weder für abgehoben noch für arrogant. Allenfalls für eitel. Und für das Opfer eines Trugschlusses, dem viele TV-Promis aufsitzen. Sie verwechseln Bekanntheit mit Bedeutung. Wer täglich einer Million Menschen in diesem Land die Welt erklärt, auf der Straße erkannt und beim Einkaufen bevorzugt behandelt wird, hält sich schnell für wichtig.

Menschenfischer

Im Fall Freund für so wichtig, dass er glaubt, die Busse der Stadt müssten mit dem eigenen Konterfei beklebt sein. Die Menschenfischer in den Parteizentralen haben ein gutes Gespür dafür, wer dieser Droge verfallen ist und versprechen – wie Dealer – frischen Stoff: „Komm zu uns, wir plakatieren dich!“

Man sagt, Journalisten seien Menschen, die von vielen Dingen wenig wissen. Aber im Laufe der Jahre entwickeln nicht wenige die Überzeugung, alles zu wissen. Weil Freund in den ersten Interviews penetrant auf seine Kompetenz als sein Alleinstellungsmerkmal hinwies, forderte er den Ehrgeiz seiner ehemaligen Journalisten-Kollegen heraus. Der „3000-Euro-Patzer“ war daher ein gefundenes Fressen. Da ging es ihm nicht anders als Markus Rogan, dem man seine Überheblichkeit in dem Moment ankreidete, als die Leistung ausblieb. Nicht die falsche Schätzung war ja das Problem, sondern sein Umgang mit dem Fehler. Freund reagierte sarkastisch und beleidigt.

Vielleicht wurde er sich zu diesem Zeitpunkt erstmals dessen bewusst, dass er sein Leo, die geschützte Werkstätte, in der er als Korrespondent und Moderator noch zusätzlich einen Sonderstatus genoss, verlassen hatte: die „Zeit im Bild“. Dass nun auch seine Ex-Kollegen via Social Media auf ihn einprügeln, kann ihn freilich nicht überraschen. Wer im Fernsehen Karriere macht, dem ist der Neid gewiss. Wer scheitert oder die Seiten wechselt, muss mit Häme rechnen, die in Gehässigkeit umschlagen kann.

Die hat sich Eugen Freund nicht verdient. Kritik schon.

Gerald Groß ist Mediencoach in Wien. Er war davor jahrelang als Journalist tätig und präsentierte unter anderem die „Zeit im Bild“.

Als Faustregel gilt: Wer in die Politik geht, muss wissen, wie viel eine Semmel, ein Viertel Butter und ein Liter Milch kostet und was Arbeiter und Angestellte im Durchschnitt verdienen. Eugen Freund wusste es nicht und die, die jetzt in den Zeitungen über ihn höhnen, hätten es auch nicht gewusst – außer sie arbeiten prekär. Dann müssen sie es wissen zum Überleben. Doch die Welt des älteren angestellten Journalismus ist eine andere, die kümmert sich nicht um den Semmelpreis. Ich weiß, wovon ich rede.

Nicht unschuldig

An der Gnadenlosigkeit, mit der über den Anfänger Freund hergefallen wird, ist er allerdings nicht unschuldig. Welcher Teufel mag ihn geritten haben, als er über seine erfolgreiche Kollegin Barbara Karlich im profil-Interview sagte: „wie heißt die Burgenländerin, die diese Diskussionen am Nachmittag macht?“

Die intellektuelle Arroganz ist schon deswegen unangebracht, weil unter den Zuschauern der Karlich-Show viele sind, auf deren Stimme die SPÖ bei den nächsten Wahlen hofft.

Für den ORF ist die Freund-Kandidatur ein Unglück, kein neues, weil Eugen Freund ja nicht der Erste ist, der aus seinem Bildschirmjob unmittelbar in die Politik wechselt. Dass die Regierungsparteien ob ihrer umfassenden Fantasielosigkeit auf Bildschirmprominenz abfahren, soll man ihnen nachsehen. Mehr fällt ihnen nicht ein und außerdem haben sie Nachwuchssorgen. Aber der ORF-Konsument mag sich schon fragen, wie das geht: zuerst dem Objektivitätsgebot verpflichteter Moderator und gleich darauf Spitzenkandidat für die nächste Wahl. Es geht schon, aber für die Glaubwürdigkeit des ORF ist es trotzdem verheerend.

Geeigneter Kandidat

Das ändert aber nichts daran, dass Eugen Freund für das Europäische Parlament ein geeigneter Kandidat ist. Da kennt er sich aus und wir können zuversichtlich sein, dass er sein Land und seine Partei nicht blamieren wird. Und das ist viel angesichts dessen, was Österreich der EU an Ministern, Ministerinnen und Abgeordneten bisher schon zugemutet hat.

Für den holprigen Start hat Eugen Freund genügend Häme kassiert. Jetzt sollten wir ihm eine Verschnaufpause gönnen.

Peter Huemer ist ein österreichischer Publizist, Journalist und Historiker und von 1969 bis 2002 Mitarbeiter des ORF, wo er unter anderem den „Club 2“ aufbaute.

Grundsätzlich finden wir das ja alle wünschenswert: den Quereinstieg in die Politik – als Gegenmedizin zur Verkrustung der Laufbahnen, den mühseligen und kompromissgesättigten Aufstieg vom Ortsverein in die hinteren Reihen des Nationalrates. Und bei dieser Einschätzung sollte es auch angesichts des „Phänomens Eugen Freund“ unbedingt bleiben. Überspringen kann die Wege dieser Ochsentour am leichtesten, wer selbst berufsbedingt – wie die Politik – öffentlich agiert, also systembedingt Journalistinnen und Journalisten. Zwar hat sich seit Jahrzehnten eingebürgert, von einer Symbiose von Politik und Journalismus zu sprechen; damit wurde beschrieben, dass diese Welten aufeinander angewiesen, aber nicht, dass sie ununterscheidbar ineinander aufgehen. Im Gegenteil: es macht beider Professionalität aus, sich wechselseitig zu beobachten, in Dienst zu nehmen und einen grundsätzlich misstrauischen Umgang zu pflegen.

Mit ihrem über Jahre erworbenen journalistischen Erfahrungsschatz ist diese Berufsgruppe wie keine andere attraktiv für die Parteien; deshalb konnte Armin Wolf 2005 in seiner Pionierstudie „Image-Politik. Prominente Quereinsteiger als Testimonials der Politik“ so viele Kolleginnen und Kollegen als „Untersuchungsmaterial“ auffinden. Dabei kommen einem auch andere Fälle ins Gedächtnis: Beispielshalber Rudolf Augstein, der vor Jahrzehnten den Hochsitz seiner SpiegelRedaktion herabstieg, um für die FDP in den Niederungen der Politik mitzumischen; über die Liste bekam er tatsächlich in den Bundestag – um den Hintersitz, auf dem er dort Platz nehmen musste, nach einigen Wochen mit Entsetzen zu verlassen um wieder auf die Höhen seines Medienthrones zurückzukehren.

Diese Episode lehrt, was Eugen Freund nun leidvoll erleben muss: Das Fernsehen als politisches Leitmedium und der glamouröse Newsroom als tägliche Bühne, die regelmäßigen Streicheleinheiten eines überwiegend dankbaren Publikums, lassen die dort Agierenden das alles als einen eigenen Planeten erleben, den Küniglberg – welch ein symbolischer Name für einen solchen Ort. Wer ihn verlässt, um in der politischen Ebene des Ersten (Bezirks) zu arbeiten, muss wohl doch eine Menge lernen: Politik statt Journalismus. Auf einen Kollegenbonus sollte er/sie nicht hoffen. Und das ist gut so.

Wolfgang Langenbucher ist Kommunikationswissenschaftler.