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"Ein bissl eine Lose-Lose-Situation"

Um 20.15 Uhr startet auf ORF2 das Wahlformat "Die 2 im Gespräch". Darüber wurde im Vorfeld viel berichtet, allerdings kritisch: Richard Lugner darf nämlich nicht dabei sein. Bereuen Sie das mittlerweile?
Peter Baminger:
Bei uns hätte das eine Kürzung der Gespräche bedeutet. Bei 150 Minuten für zehn Gespräche hat derzeit jeder etwa eine Viertelstunde Zeit. Mit einem sechsten Kandidaten hätte jeder nur mehr zehn Minuten Zeit. Die andere Alternative wäre Sendezeitverlängerung. Das wäre nicht mehr machbar gewesen.
Hans Bürger: Das Ganze ist ja nicht eine Causa Lugner. Es war die Entscheidung, falls es zu mehreren Kandidaten kommt, dass wir irgendeine Regelung einführen müssen, damit nicht irgendwann 17 miteinander diskutieren. Deswegen hat das Unternehmen entschieden, wir nehmen die, die realistisch die Möglichkeit haben, in die Stichwahl zu kommen.

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Dass man von vorneherein darüber befindet, ob jemand relevant sei, ist inhaltlich schon sehr hart. Das können Sie nachvollziehen, oder?
Bürger:
Den Vorwurf kann ich auf jeden Fall nachvollziehen. Aber mich hätte nur interessiert, was gesagt worden wäre, wenn wir damals gesagt hätten: "Wir nehmen den Lugner auf jeden Fall oder die Frau Awadalla auf jeden Fall und den und den ..." – dann hätten uns die Parteien, die jetzt sehr laut sind, vorgeworfen, wir geben jedem unabhängig von seiner Relevanz die gleiche Sendungsfläche. Wir hätten im umgekehrten Fall den umgekehrten Vorwurf geerntet.

Baminger: Ein bissl eine Lose-lose-Situation. Wie man’s macht, macht man’s nicht richtig.

Man könnte auch darüber streiten, ob zum Beispiel Andreas Khol eine realistische Chance auf eine Stichwahl hat.
Bürger: Die Frage stellt sich aber auch, ob alle gekommen wären, wenn wir Lugner eingeladen hätten.

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Sie hatten Sorge, dass die anderen Politiker nicht kommen würden?
Baminger: Das ist immer eine Art von Verhandlungssache. Man kann ja niemanden ins Studio zwingen. Das ist bei jeder unserer Diskussionssendungen so. Als die Vorverhandlungen gelaufen sind, die unser Chefredakteur Fritz Dittlbacher geführt hat, hat es meines Wissens ordentliche Hinweise darauf gegeben, dass das keine "g’mahte Wies’n" ist.

Was erwartet die Seher heute abend?
Baminger: Die Duelle werden so vonstattengehen, dass dem Wahlkampf entsprechend so dicht wie noch nie die fünf Kandidaten abgefragt werden – immer paarweise. Als verbindende Elemente haben wir sehr pointierte zugespitzte Mini-Beiträge, was das besondere an der Paarung ist. Und es gibt erste Blitzreaktionen von einem ausgewählten Publikum von Journalisten, die in einem Greenroom versammelt sind – in einer neuen Technik, die sonst vom Sport verwendet wird. Mit einem Drive, der den Zuschauer von 20.15 Uhr bis 22.45 Uhr interessiert hält.
Ein routinierter Politiker tut sich hier leichter, oder?
Baminger: Das könnte man vom ganzen Wahlkampf behaupten. Würde das stimmen, wäre die Frau Griss ja schon zurückgefallen. Als normaler Staatsbürger nehme ich das Gegenteil wahr.
Bürger: Ich glaube, dass es nicht unbedingt ein Nachteil ist, wenn man noch nicht solange im Politikbetrieb ist.

Der Bundespräsidentschaftswahlkampf ist heuer von einer beispiellosen Zahl an Fernsehformaten begleitet. Ist es schwer, das Interesse noch aufrecht zu erhalten?
Bürger: Dazu muss ich sagen: Ich kann mich an meine letzte "Pressestunde" erinnern, wo wir mehr als 200.000 Seher hatten. Das war Jörg Haider. Jetzt mit diesen Bundespräsidentschaftsgesprächen sind wir erstmals wieder über 200.000. Das Interesse an den klassischen Formaten ist auch unglaublich groß.

Also ist kein Verdruss zu verzeichnen merken. Womit erklären Sie sich das?
Baminger: Weil wir in Zeiten großer Verunsicherung leben, dass viele Menschen den traditionellen Kräften im Land nicht mehr trauen und sich vielleicht umorientieren wollen.
Bürger: Was uns bei der Quotenforschung auffällt, ist, dass bei dem Flüchtlingsthema seit Frühjahr 2015 das Interesse an seriösen Informationssendungen nahezu explodiert ist. Das geht mit dem einher.

Das Legitimitätsproblem von Medien auf Facebook – Stichwort: Lügenpresse – lässt sich mit ihren Zahlen also gar nicht belegen.
Bürger: Eigentlich nicht, nein.