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Song Contest 2015 findet in Wien statt

Nach wochenlangen Diskussionen steht nun fest: Der ORF wird den Eurovision Song Contest 2015 nicht in Innsbruck oder Graz, sondern in Wien austragen. Läge die Wiener Stadthalle nicht am Vogelweidplatz, sondern am Petersplatz (jenem in Rom freilich), wäre am Mittwoch wohl weißer Rauch aufgestiegen. Die ORF-interne Entscheidung, wo der Song Contest stattfinden soll, erinnerte an die Kompliziertheit einer Papst-Wahl.

Zuletzt waren nur noch drei Residenzen als Bewerber im Rennen: Innsbruck mit der Olympiahalle, Graz mit seiner Stadthalle sowie die Bundeshauptstadt mit der Wiener Stadthalle. Die Entscheidung fiel nach stundenlangen Sitzungen am Dienstag und am Mittwoch letztlich auf den Favoriten Wien.

23. Mai 2015

Dort wird am 23. Mai 2015 das Finale des europäischen Wettsingens stattfinden, bestätigte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz Mittwochabend in einer Aussendung. Die EBU (der Verband der europäischen Broadcaster) stimmte sofort zu.

Der Sitzungsmarathon, angeführt von Wrabetz mit seinen Kollegen Kathrin Zechner (TV-Direktorin) und Richard Grasl (Finanzen), begann dem Vernehmen nach am Dienstag damit, dass der Song-Contest-Beauftragte Edgar Böhm einen internen Vergleich präsentierte, in dem Innsbruck voran lag – zumindest was die finanzielle Seite betrifft. Insgesamt wurden die drei Standorte aber in neun unterschiedlichen Kategorien beurteilt. Zentral waren neben den Finanzen die technischen Optionen, die die Veranstaltungsorte bieten, sowie die Möglichkeiten der dortigen Programmgestaltung. Letztlich setzte sich "nach sorgfältiger Prüfung und genauer Abwägung aller relevanten Parameter" (Wrabetz) die Musikstadt Wien durch. Die Finanzen waren also nicht alleine ausschlaggebend gewesen. Bei der Übertragung soll jedoch ganz Österreich eingebaut werden.

Chance für ORF

Für den ORF ist die Ausstrahlung jedenfalls eine einzigartige Chance. Zuletzt hatten weltweit 170 Millionen zugeschaut.

Wrabetz hatte Wien klar präferiert, Grasl aus Kostengründen für Innsbruck oder Graz plädiert. Die Landeshauptstädte hatten, im Gegensatz zu Wien, sowohl ein Sicherheits- und Verkehrskonzept, als auch eine Übernahme allfälliger Kostenüberschreitungen angeboten.

In Kopenhagen, wo Conchita Wurst gewonnen und den Song Contest damit nach Österreich gebracht hatte, waren die städtischen Ausgaben von 4,6 auf 15 Millionen explodiert. Der Sieg von Frau Wurst war der erste österreichische seit 1966 (Udo Jürgens).

INFO: Seit Conchita Wurst den Sieg für Österreich geholt hat, ist klar, dass Österreich kommendes Jahr den Eurovision Song Contest veranstalten wird. Als Austragungstermin für das Finale wurde der 23. Mai vereinbart. Die Semifinali finden am 19. Mai (Dienstag) und 21. Mai (Donnerstag) statt.

Der ORF wird laut Generaldirektor Alexander Wrabetz wohl weniger zahlen müssen, als zunächst budgetiert, da das Wiener Angebot über den erhofften 10 Mio. Euro vonseiten der Ausrichterstadt liege, wie der Senderchef in einem APA-Interview unterstrich. Wien übernehme die Mietkosten für die Stadthalle, es gebe finanzielle Beiträge zu den Sideevents, zu den Verkehrsdiensten und ein umfassendes Marketing- und PR-Angebot. Das endgültige Budget für das Mega-Event will Wrabetz im Oktober vorlegen.

Wettbewerb

Das möglicherweise eingesparte Geld könnte auch ins Programm des Song Contests fließen. Wrabetz: "Wir wollen ja einen Song Contest, auf den die Österreicher stolz sind und der Europa beeindruckt. Deshalb werden wir umfangreiche Vorberichterstattung zum ESC machen - schon bei der Auswahl des österreichischen Kandidaten. Das wird diesmal über einen Wettbewerb erfolgen, nicht über eine Nominierung. Der Auswahlprozess wird hier zwischen Jänner und März statt finden. Da gibt es schon mehrere spannende Konzepte." Conchita Wurst war für den Song Contest 2014 von einer Jury nominiert worden und nicht, wie in den Jahren davor, über eine Castingshow.

Vier zentrale Kriterien seien für die Entscheidung herangezogen worden: "Was ist die beste Halle für die Durchführung dieses größten Fernsehereignisses der Welt? Was ist das finanzielle Engagement der Host City? Welche Stadt trägt am meisten zum Image des Song Contests bei? Und wer hat die besten logistischen Voraussetzungen - von Hotel bis Flughafen. Aus diesen vier Parametern heraus haben wir dann Wien ausgewählt."

Greenroom im Publikum

Das bedeute nicht, dass Wien in allen vier Kriterien Spitzenreiter gewesen sei. "Wir hatten drei hervorragende Angebote von Städten und Ländern, die sehr professionelle Vorschläge gemacht haben." Die Wiener Stadthalle sei jene Location in Österreich, "die die meisten Musikevents abgewickelt hat und eindeutig am besten die Voraussetzungen für das Fernsehereignis erfüllt. So kann der Greenroom (Aufenthaltsbereich der Teilnehmer während der Show, Anm.) in der Halle aufgebaut werden und wir haben die höchsten Zuschauerzahlen."

"Wir präsentieren uns als Land Österreich", sagt Wrabetz, "da hat die Hauptstadt natürlich einen gewissen Vorteil - abgesehen von der Größe des Einzugsgebiets. Schließlich hoffen wir, dass Länder, die in der Vergangenheit nicht dabei waren wie Tschechien oder die Slowakei, 2015 mit an Bord sind, weil Wien hier eine besondere Anziehungskraft ausübt. Wir machen ein wirklich europäisches Event in der europäischen Musikhauptstadt."

Motto und Design

Noch bis Ende August, Anfang September soll die Enntscheidung über das Motto des 60. ESC gefallen sein. Wrabetz: "Es jährt sich die Wiedergründung Österreichs und das Ende des Zweiten Weltkriegs. Man feiert 200 Jahre Wiener Kongress. Und wir haben einen Monat der Musik im Mai, wenn das Sommernachtskonzert der Philharmoniker, die Festwochen-Eröffnung, der Life Ball und jetzt der ESC in Wien zusammenkommen, was sich alles im Motto widerspiegeln sollte. Ob man das in drei Worte fassen kann, weiß ich allerdings noch nicht."

Verbunden mit dem Motto soll dann auch noch das Design für die Show präsentiert werden, Ziel hierfür wäre laut dem ORF-Chef der Oktober.

(tem)

Freude über die Entscheidung des ORF herrscht naturgemäß im Wiener Rathaus: "Wien als weltoffene Stadt ist für dieses Event der beste Austragungsort", heißt es in einer Erklärung von Bürgermeister Michael Häupl und dem zuständigen Stadtrat Christian Oxonitsch.

Dass sich Wien finanziell überheben könnte, glaubt Oxonitsch nicht. Die zuletzt kolportierten Summen seien zu hoch gegriffen, die für die Stadt anfallenden Kosten würden sich "im Rahmen von zehn Millionen Euro" bewegen. Für Wien spreche laut Stadtrat nicht zuletzt die Infrastruktur, wie Hotels und Fluganbindungen. Offen ist, was mit jenen Events passiert, die zum Zeitpunkt des Song Contests bereits für die Stadthalle gebucht sind. "Hier laufen aber schon Gespräche", sagt Oxonitsch.

Wut und Enttäuschung regieren in Tirol, nachdem Wien den Zuschlag für den Song Contest erhalten hat. "Diese Entscheidung ist unverständlich. Wir waren bis zuletzt offensichtlich ganz klar Erstgereihter. Aber der ORF-Generaldirektor hat diese Entscheidung getroffen. Er wird auch die Folgen tragen müssen", sagt Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer. Es gehe immerhin um das Geld der Gebührenzahler. Innsbruck hat dem Vernehmen nach das kostengünstigste Angebot gelegt. Dass trotzdem Wien das Rennen gemacht hat, erfreut auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter nicht. "Ich bin darüber verwundert, die Entscheidung ist zu akzeptieren", ließ er wissen.

Graz nimmt die Entscheidung unaufgeregt zur Kenntnis. "Wir sind weder enttäuscht, noch überrascht. Wien ist die Bundeshauptstadt. Wir werden uns mit ihr freuen", sagt Gert Haubenhofer, Sprecher von Bürgermeister Siegfried Nagl in einer ersten Reaktion. Er nutzt die Gelegenheit gleich für Werbung in eigener Sache. "Wenn nun Konzerte in der Wiener Stadthalle aufgrund des Song Contest abgesagt werden müssen, steht Graz bereit. Wir haben eine tolle Location."

Wurst: "Bisschen angeben müssen wir schon"

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Die Siegerin des heurigen Song Contests, Conchita Wurst, zeigte sich am Mittwoch von der Entscheidung für Wien gegenüber derAPAangetan. "Das wird schön, Freunden die Stadt zu zeigen", erklärte sie sich als Fremdenführerin bereit. Ginge es nach ihr, könnte man das ESC-Village zwischen den Museen aufbauen. "Ein bisschen angeben müssen wir schon mit unserer Architektur", so die Wahlwienerin.

Bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 habe es mit dem Fan-Areal zwischen dem Naturhistorischen und dem Kulturhistorischen Museum schon gut funktioniert, betonte Wurst. "Ich würde das toll finden, das war damals ein total nettes Flair. Man ist ja dann in der Mitte der Geschichte unserer Stadt", meinte sie: "Da müssen wir alles zeigen." Die Party werde sich aber ohnehin über die ganze Stadt und das Land erstrecken, zumindest wenn sie nach ihren Erfahrungen in Kopenhagen gehe.

"Die Chance bekommt man nicht so oft, dann sollte man das auch genießen", meinte die Sängerin. Deshalb rate sie auch allen Gastronomen, sich für die Tage besser etwas einfallen zu lassen. Denn es werde "laut und lustig".

Auch wenn sie als Wahlwienerin die Entscheidung natürlich freue, gewusst habe sie davon gar nichts. "Ich war selbst in Wartehaltung", erklärte die Sängerin. Dass Wien nicht von vornherein als Austragungsort feststand, sei völlig in Ordnung gewesen: "Es ist nur fair, dass man nicht diktatorisch entscheidet, sondern abwägt und jede Stadt die Chance hat, sich vorzustellen."

Die Wiener Stadthalle zählt zu Europas ältesten Mehrzweckhallen für Großveranstaltungen. Eröffnet wurde der von Roland Rainer konzipierte Bau am 21. Juni 1958 im Beisein von Bundespräsident Adolf Schärf. Seither haben gut 65 Mio. Menschen mehr als 10.000 Events besucht. Der thematische Bogen reicht von Konzerten internationaler Stars über Musicals bis hin zu Sportgroßveranstaltungen.

Mehr als drei Jahre nahm die Errichtung des Gebäudes im Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus in Anspruch. Die Halle im Stil der Nachkriegsmoderne sollte nicht zuletzt wirtschaftlichen Aufschwung und politische Neuausrichtung symbolisieren. Zur Ausgestaltung trugen renommierte Künstler wie Herbert Boeckl, Wander Bertoni, Maria Bilger und Karl Unger bei. Den Eröffnungstag zelebrierte man mit einem gemeinsamen Auftritt des Staatsopernballetts sowie der Wiener Philharmoniker und der Wiener Symphoniker.

Mit knapp 29.000 Quadratmetern Nutzfläche gehört die Wiener Stadthalle zu den größten heimischen Veranstaltungszentren. Allein das Herzstück - die Halle D - fasst bis zu 16.000 Zuschauer. Mit rund 300 Belegtagen pro Jahr schafft man laut eigenen Angaben eine Wertschöpfung von 70 Mio. Euro, wovon vor allem Gastronomie und Hotellerie profitieren.

Facelifts

Gegenüber ihrem Ursprungszustand hat der Komplex in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und "Facelifts" erfahren. Rainer selbst plante etwa die fünfte Halle E, die 1994 die Zuschauerkapazität um 1.300 Plätze erweiterte. Der jüngste Zubau stammt mit der Musikhalle F aus dem Jahr 2006. Sie bietet rund 2.000 Personen Platz und grenzt direkt an die Stadthalle an. Die Hallen A, B und C mit einem Gesamtfassungsvermögen von 4.500 Menschen sind in erster Linie für Sportereignisse reserviert.

Nicht alle Neuerungen verliefen konfliktfrei. So waren etwa der Abbau der berühmten Rainer'schen Stapelsessel sowie von dessen Garderobenständer - beides inzwischen Designklassiker - höchst umstritten, weshalb auch der Schöpfer selbst lautstark, aber erfolglos, Einspruch erhob.

Inhaltlich positionierte sich die Stadthalle bereits zu Anfangszeiten möglichst breit. 1959 spielte etwa Louis Armstrong sieben ausverkaufte Konzerte, drei Jahre später berichtete Starkosmonaut Juri Gagarin von seiner Weltraummission, die Uraufführung des Films "Mohn ist auch eine Blume" (1966) mit Gästen wie Sophia Loren, Sean Connery oder Rita Hayworth verwandelte den Bau temporär zum größten Kinosaal Europas. Dass Konzerttermine damals nicht per se abends anberaumt waren, zeigt ein Live-Gig der Rolling Stones im Jahr 1967. Er begann um 15.30 Uhr.

Große Bandbreite

Im Lauf der Jahrzehnte wurde die Bandbreite immer größer. Hans Orsolic wurde in den Räumlichkeiten der Stadthalle jüngster Box-Europameister (1967), das Musical "Hair" feierte seine deutschsprachige Uraufführung (1970), 4.000 Delegierte aus 141 Ländern trafen sich zur UNO-Konferenz (1979) und Roland Düringer sorgte mit zwei ausverkauften "Benzinbrüder"-Shows (1999) für das bisher größte Kabarettevent des Landes. Für die Schwimm-Kurzbahn-EM wurde in der Halle D sogar ein 25 Meter langes Becken errichtet.

Zu den aufwendigsten Produktionen in jüngster Zeit zählen sicher der Auftritt von Lady Gaga im August 2012 (38 Trucks für das Bühnenequipment) oder die "Wetten dass..?"-Ausgabe im März 2013 (drei Wochen Aufbauzeit, 21 Tonnen Lichttechnik mit 660 Scheinwerfern). Ein bisschen Song Contest durchwehte die Stadthalle in der Vergangenheit freilich in unregelmäßigen Abständen. So gaben immer wieder ehemalige Gewinner des europäischen Wettsingens Konzerte in der Stadthalle - darunter ABBA, Celine Dion oder Udo Jürgens. Letzterer wird im kommenden Jahr übrigens sein inzwischen 34. Konzert im Rainer-Bau absolvieren.