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"Clara Immerwahr": Am Ende blieb ihr nichts mehr

Immerhin in der Todesanzeige ließ man der historischen "Frau Clara Haber Dr. phil" die akademische Würde.

Ihr, der ersten promovierten Chemikerin an der Uni Breslau, der die Gesellschaft zur Jahrhundertwende alle möglichen Hürden aufbaute. Und die von ihrer Liebe, dem späteren Nobelpreisträger und "Vater des Giftgases", Fritz Haber, um die Früchte ihrer Arbeit und den Glauben an die Reinheit der Wissenschaft gebracht wurde. In den Spuren dieser bemerkenswerten Persönlichkeit "Clara Immerwahr", wie sie ledig hieß, bewegt sich das gleichnamige Drama, das heute, 20.15, in ORF 2 und in der ARD zu sehen ist.

Neben Katharina Schüttler und Maximilian Brückner als Ehepaar Haber sind unter der Regie von Harald Sicheritz unter anderem August Zirner, Stefanie Dvorak, Elisabeth Orth, Peter Simonischek, Philipp Hochmair und Simon Schwarz zu sehen.

"Wenn man sich mit dieser Zeit des Ersten Weltkriegs beschäftigt, stößt man sehr schnell auf Fritz Haber, der später Nobelpreisträger, im Grunde aber auch Kriegsverbrecher war. Und man stößt dann auf seine erstaunliche Frau. Was auffällt ist, dass es über Immerwahr kaum Dokumente gibt – weil Haber sie vernichtet hat", erzählt Drehbuch-Autorin Susanne Freund, selbst Chemikerin.

Dieser Mangel an Historischem gab ihr aber auch Freiheiten beim Schreiben. Etwa, was die Beziehung der beiden zueinander betraf. "Dazu gibt es kaum Belege." Und ob Immerwahrs Selbstmord tatsächlich auch ein Protest gegen den Krieg war und die Art der Kriegsführung, die ihr Mann mit seinen Forschungen ermöglichte, "ist historisch nicht gesichert."

Wenige Fakten

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Doch Immerwahrs Leben wurde nicht völlig getilgt. Faktum ist, dass sie, vom Elternhaus liberal erzogen und gefördert, eine talentierte Frau war, "sonst hätte sie das, was sie geschafft hat, nicht schaffen können", sagt Freund. So sei etwa auch nachzulesen, dass sie in Mathematik besser war als er. "Die Beiden hätten einander ergänzen können. Aber Haber sah offenbar nur zwei Möglichkeiten: Entweder macht er Karriere oder sie."

Am Ende bleibt Immerwahr nichts mehr: keine akademische Anerkennung, die Ehe scheitert, das Kind, das den Vater bewundert, entgleitet ihr. Zuletzt gibt sie sich noch die Schuld, dass sie den Giftgas-Einsatz, diese "Pervertierung der Wissenschaft", wie sie es nennt, nicht verhindern konnte.

Ihr Leben gleicht einem langsamen Sterben, bis sie dem mit der Pistole des zum Hauptmann beförderten Haber ein Ende setzt.

Für Katharina Schüttler, die in der Hauptrolle brilliert, ist Immerwahr "eine Frau, die eigentlich nur ihre Leidenschaft leben, die forschen und die Welt mithilfe der Wissenschaft verbessern wollte." Als sie Fritz Haber heiratet und ein Kind bekommt, "ab da hat die Gesellschaft von ihr doch die klassische, damals sehr strikte Frauenrolle erwartet. Und daran ist sie schließlich zerbrochen."

Clara Immerwahr steht auch im Mittelpunkt einer Schauspiel-Produktion der Salzburger Festspiele: „The Forbidden Zone“ hat am 30. Juli auf der Perner-Insel in Hallein Premiere. Die englische Regisseurin Katie Mitchell und ihr Textautor Duncan Macmillan wollten sich ursprünglich mit der Lebensgeschichte der reichen Erbin und Schriftstellerin Mary Borden befassen, die im Ersten Weltkrieg ein Feldlazarett leitete. Bei den Recherchen stießen sie auf die Geschichte der Chemikerin Clara Immerwahr, die nicht darüber hinweg kam, dass ihr Mann Kampfgas produzierte. Im Stück wird ihre Geschichte (und die von Mary Borden) aus der Perspektive ihrer Enkelin erzählt.