Arbeitslose Akademiker: Welche Jobs durch KI bedroht sind
Von Anita Staudacher
Was ist da los? Die Arbeitslosigkeit steigt unter Akademikerinnen und Akademikern derzeit zweimal so stark wie im Durchschnitt. Zu Jahresbeginn waren fast 27.000 von ihnen auf Jobsuche, um 19 Prozent mehr als vor einem Jahr. Darunter mehr als 17.600 Uni-Absolventen.
Die Hälfte des Anstiegs ist auf ukrainische Geflüchtete zurückzuführen, erklärt das AMS. Die andere Hälfte verteilt sich quer über alle Studienrichtungen, mit dem stärkstem Plus bei 25- bis 30-jährigen Berufsanfängern sowie bei den über 45-Jährigen.
„Über 45-Jährige tun sich trotz Fachkräftemangels nach wie vor schwer, wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu kommen“, weiß Thomas Wychodil, Leiter des Akademiker_innenzentrums Wien, das im Auftrag des AMS Universitätskurse anbietet. Fast jeder dritte Teilnehmer ist dort über 45. Der Leidensdruck in vielen Betrieben sei offenbar nicht groß genug, dass sie Ältere einstellen, vermutet Wychodil.
Nicht immer liege es aber an den Betrieben. Auch die Betroffenen selbst hätten mitunter falsche Erwartungen und wären Veränderungen gegenüber zu wenig offen. Ein Uni-Abschluss von vor 20 Jahren sei heute veraltet, da würden auch spätere Aus- und Weiterbildungen nicht immer ausreichen. Durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) sei „bei vielen ihre Kernkompetenz weggefallen, da sind größere Veränderungen gefordert“.
Erste KI-Opfer
Derzeit besonders betroffen ist der Kreativbereich und hier vor allem Kommunikationsberufe in der Werbe-, Marketing-, PR- und Medienbranche. „Überall dort, wo durch KI Automatisierung möglich ist, passiert sie auch“, so Wychodil. Als Beispiele nennt er Dolmetsch- und Programmierjobs, wo die Nachfrage rapide abnimmt, weil sie weitgehend durch KI ersetzt werden. „Allein ChatGPT übersetzt aktuell in 85 Sprachen und beherrscht 20 Programmiersprachen“.
Die KI stehe erst ganz am Anfang, aber man sehe jetzt schon, wie viel Arbeit sie uns abnehmen könne. „Wir sind an einer echten Weggabelung am Arbeitsmarkt“, glaubt Wychodil. Den Menschen werde es zwar immer brauchen, aber mit anderen Aufgaben.
Viele Studienrichtungen seien schon jetzt nicht mehr marktkonform, die Studierenden müssten sich schon während des Studiums mit Nebenjobs oder Praktika job-fit machen. So wie Matthias E. (32), der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Wien studierte. Ein eher praxisfernes Studium, wie er meint. Ein Projektmanagement-Kurs soll ihm die Jobsuche erleichtern.
So wie Matthias Eller machen es viele Wirtschaft-Studierende. Weil sie wissen, dass ihr Studium keine Berufsausbildung ist, jobben sie nebenher. Eller war sowohl als Studienassistent an der Uni engagiert und managte nebenher ein Start-up. Mit 32 machte er seinen Bachelor und dachte, dass es an der Zeit sei, richtig ins Berufsleben einzusteigen. Seit Dezember ist er auf Jobsuche. Gar nicht so einfach wie gedacht.
„Es gibt zwar viele Jobs für Berufsanfänger, aber die guten sind halt sehr schnell vergriffen“, erzählt er. Übrig blieben schlecht bezahlte Stellen mit hohen Leistungsanforderungen. „Berufseinsteiger wollen aber nicht gleich in ein Burnout landen oder einen Arbeitgeber, der undankbar ist“, sagt Eller. Im Akademikerzentrum macht er jetzt eine Ausbildung zum Projektmanagement. In den Bereich möchte er auch beruflich wieder andocken, wobei ihm die Branche nicht so wichtig ist. Sorgen, dass er länger arbeitslos bleiben wird, macht er sich keine. „Ich werde auf jeden Fall etwas finden“.
„Green Jobs“
Zu den Bildungsschwerpunkten im Akademikerzentrum zählen derzeit Digitalisierung – vor allem Social-Media-Kompetenzen – sowie Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitsmanagement. „Die Anforderungen für Betriebe in diesen Bereich steigen, es kommen ständig neue Regelwerke, da gibt es großen Bedarf“, erläutert Wychodil. Die Universitätskurse dauern in der Regel zehn Wochen.
Die 42-Jährige steht stellvertretend für viele Geisteswissenschafter/innen, deren Studium eine Grund-, aber keine Ausbildung ist. Bartsch studierte mit großem Interesse Theater-, Film- und Medienwissenschaften und hat bereits viele Jobs in ihrem Leben ausgeübt. Manche hätten gut zu ihrer Ausbildung gepasst – etwa in diversen Kultureinrichtungen – andere weniger. „Eine Karriereplanung hat mir immer gefehlt“, sagt Bartsch. Was folgten waren viele Aus- und Weiterbildungen – „man kommt in eine Selbstoptimierungsspirale“. Dennoch hatte sie bei vielen ihrer Bewerbungen oft das Gefühl, noch immer nicht gut genug zu sein. „Das nagt am Selbstvertrauen“.
Für manche Jobs sei sie selbst zu überqualifiziert gewesen, weshalb sie schon mal den Mag-Titel weggelassen habe, um überhaupt eingeladen zu werden. Nach einem halben Jahr Jobsuche und Social-Media-Kurs im Akademikerzentrum fand sie nun einen Job als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung. „Hier habe ich auch mit Menschen zu tun, was mir sehr wichtig ist“, sagt sie und freut sich auf die neue Herausforderung.
Erhöhten Bedarf an Akademikerjobs sieht der Experte vor allem im öffentlichen Dienst – Verwaltung, Exekutive, Erziehung, Bildung. Hier würden in den nächsten fünf bis zehn Jahren Zehntausende Stellen frei, weil die Baby-Boomer-Generation in Pension gehe. Auch bei Gesundheits-, IT- und technischen Berufen seien die Jobchancen intakt. BWL hingegen sei „bei Weitem nicht mehr so sexy wie vor zehn Jahren“.
Der studierte Chemiker arbeitete viele Jahre in leitenden Funktionen in der Verpackungsindustrie. Im Vorjahr wurde er in seiner Firma „wegrationalisiert“ wie er sagt, seit September ist er auf Jobsuche. Das sei nicht einfach, sagt Borsky, denn durch seine frühere Tätigkeit in einem internationalen Konzern sei er sehr spezialisiert. „Ich hätte gerne wieder eine Aufgabe im internationalen Umfeld, die ich von Wien aus erledigen kann“, erzählt er. Gerne würde er sich auch breiter aufstellen, bei seinem letzten Arbeitgeber habe er ein eigenes Projektmanagement-Tool entwickelt und selbst angewendet.
Als Arbeitssuchender habe erst wieder lernen müssen, sich richtig zu bewerben. Die meisten Bewerbungsplattformen seien automatisiert und „meine Bewerbung war viel zu lang und es fehlten bestimmte Stichwörter“. Man habe ihm auch geraten, die Bewerbung von eine Künstlichen Intelligenz überprüfen zu lassen. Ob er sich auch vorstellen kann, in einem ganz anderen Beruf zu arbeiten? „Wenn es passt, gerne, nur Personen zu pflegen traue ich mir nicht zu.“
Studieren zahlt sich freilich immer noch aus. Die Arbeitslosenquote unter Akademiker/innen ist mit 3,1 Prozent sehr niedrig, unter jenen mit maximal Pflichtschulabschluss beträgt sie 24 Prozent.