Wirtschaft

Angst vor Regierungssturz: Zinsen für Athen steigen

Griechenland gibt wieder einmal Anlass zur Sorge: Die Angst vor einem Sturz der Regierung sorgte am Dienstag für gehörige Verunsicherung an den Finanzmärkten. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen, die noch vor wenigen Tagen bei sechs Prozent lagen, kletterten über 7,2 Prozent. Auch an den Aktien gingen die Turbulenzen nicht spurlos vorüber. Der Athen-Composite-Index, der schon seit vielen Wochen auf Talfahrt ist, lag am Dienstag abermals 5,7 Prozent im Minus.

Vorgezogene Wahlen drohen

Die politische Stabilität sei momentan eines der größten Fragezeichen, sagt Bruno Freytag, der seit 2008 Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Athen war und nun in Pension geht. Das Überleben der Regierung von Antonis Samaras hänge davon ab, ob er es schafft, die verhasste Geldgeber-Troika aus dem Land zu verbannen. Im Februar 2015 wird der Staatspräsident gewählt.

Schafft es die Koalition aus Konservativen (ND) und Sozialisten (Pasok) nicht, eine Mehrheit organisieren, wären vorgezogene Parlamentswahlen die Folge. Und dann könnte die linkspopulistische Syriza-Partei ans Ruder kommen. Sie verspricht den Griechen, die Schuldentilgung ganz zu stoppen – und liegt laut Umfragen momentan ganze 6,5 Prozentpunkte vor Samaras konservativer ND.

Was kommt nach der Troika?

Die offene Frage ist somit: Was kommt nach den Hilfsprogrammen? 240 Milliarden Euro Hilfskredite von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU haben zwar die Staatspleite verhindert. Die Schulden sind dadurch aber weiter gestiegen - sie liegen mit 175 Prozent des BIP so hoch wie nie zuvor. Ein nochmaliger Schuldennachlass ist freilich unrealistisch: Diese Verluste müssten die europäischen Steuerzahler direkt tragen.

Allerdings wurde den Griechen eine weitere Lockerung der Kreditbedingungen in Aussicht gestellt. Dabei sind diese schon jetzt recht vorteilhaft: Die Laufzeit beträgt an die 30 Jahre, die Zinsen belaufen sich auf durchschnittlich 1,75 Prozent. Die Bedingungen für weitere Zugeständnisse würde Athen erfüllen: In den ersten neun Monaten 2014 schaffte die Regierung wie von der Troika verlangt einen Primärüberschuss im Budget (ohne Zinsen) von knapp 2,53 Milliarden Euro. Die Vorgabe von 1,55 Milliarden Euro wurde also übererfüllt.

Vorsorgliche Kreditlinie

Allerdings ist die Regierung überzeugt, dass sie künftig ganz ohne finanzielle Hilfe von außen auskommen könnte. Das Paket mit EU und EZB läuft jedenfalls Ende 2014 aus, der IWF wäre bis 2016 im Land. Aber würde Griechenland auf sich allein gestellt auch den Reformkurs beibehalten - oder droht ein Rückschlag? "Das ist die große Frage", sagt Freytag. Der Euro-Rettungsschirm würde die Möglichkeit einer vorsorglichen Kreditlinie eröffnen: Griechenland würde nicht ganz vom Haken gelassen, hätte eine finanzielle Absicherung, würde aber mehr Freiheiten als bisher genießen.

Angst vor Neuwahlen

Samaras ergreift nun die Flucht nach vorn. Am Samstag sicherte er sich mit einem Misstrauensvotum die Zustimmung der Regierungskoalition für seinen Kurs. Am Dienstag kündigte er eine Art staatliche Notstandshilfe an – zunächst für die 13 ärmsten Regionen: Eine vierköpfige Familie, die bisher von 10.500 Euro im Jahr leben muss, soll 400 Euro im Monat vom Staat dazu erhalten (mehr dazu hier).

"Nicht fette, aber fitte Jahre"

Die sieben mageren Jahre, die die Bibel erwähnt, hat Griechenland zumindest schon hinter sich: Zwischen 2007 und 2014 ist die Wirtschaftsleistung um ein Drittel geschrumpft. 26 Prozent der Griechen sind arbeitslos, 2,5 Millionen leben unterhalb der Armutsgrenze. „Jetzt kommen zwar nicht sieben fette, aber fitte Jahre“, erwartet Bruno Freytag. Das Sparen und die Reformen hätten das Land wieder wettbewerbsfähig gemacht. Der Tourismus boomt, die Exporte ziehen an. Die Wirtschaftsleistung sollte heuer zumindest ein Mini-Plus von 0,4 bis 0,6 Prozent erreichen.

Österreichs Exporte halbiert

Gelitten haben unter der Krise auch Österreichs Exporte: Sie sind seit 2008 auf die Hälfte zurückgegangen. Damals wurde der bisher höchste Wert von 753,3 Mio. Euro erreicht - 2013 waren es nur noch 386,6 Mio. Euro. „Der einzige Trost ist, dass das der EU-Schnitt ist. Alle haben halbiert“, berichtete Freytag. Betroffen waren in erster Linie die Bau-, Baumaschinen- und Baustoffindustrie. Auch die Holzlieferungen sind deutlich eingebrochen.

Die Importe aus Griechenland stiegen heuer im ersten Halbjahr um 22,5 Prozent auf 143,1 Mio. Euro an: Nach Österreich kommen vor allem Generika und andere Pharmazeutika, Kunststoffe und Lebensmittel wie Joghurt, Gemüse oder verarbeitete Früchte. Die heimischen Ausfuhren in das Land blieben mit 0,1 Prozent Minus auf 196,2 Mio. Euro nahezu stabil.