Wirtschaft

Angst vor Pleiten kehrt zurück: "In Kiew passieren dieselben Fehler wie in Athen"

Monatelang war an den Finanzmärkten alles ruhig, die Griechenland-Krise schien nahezu vergessen. Jetzt allerdings macht sich – nach einem ersten Aufflackern im Oktober – erneut Panik breit.

Am Mittwoch ging es mit der Athener Börse weiter bergab. Und das, nachdem die Aktienkurse am Tag davor um 13 Prozent eingebrochen waren. Zugleich stiegen die Zinsen für Staatsschuldpapiere dramatisch an.

"Man muss stets auf der Hut sein: Die Stimmung der Märkte kann sich schlagartig drehen", warnt Susan Schadler, bis 2007 hochrangige Managerin im Internationalen Währungsfonds (IWF), im Gespräch mit dem KURIER. Sie wirft ihrem früheren Arbeitgeber vor, er habe sich 2010 durch politischen Druck in ein Hilfsprogramm drängen lassen und dafür seine Richtlinien über Bord geworfen. "Die Prognosen für Griechenland waren viel zu optimistisch, alle wussten das."

Schuldenschnitt sofort

Stattdessen hätte der Fonds gleich im Sommer 2010 darauf pochen sollen, dass Athen die Rückzahlung seiner Altschulden stoppt und ein "Haircut" mit allen Gläubigern ausverhandelt wird. Und zwar sofort. Zu so einem Schuldennachlass kam es dann erst im Februar 2012. Da hatten der IWF und die EU-Geberländer aber ohnehin schon das Meiste geschultert. "Welchen Sinn hat es, Großbanken auszubezahlen und stattdessen die Steuerzahler zu belasten?", fragt sich Schadler. Ein rascher Schnitt hätte früher Klarheit geschaffen. Das lange Zuwarten habe Griechenlands Misere nur noch vergrößert – und das Übergreifen der Krise auf andere Euroländer wurde so auch nicht verhindert.

Bis heute hat die Amerikanerin Zweifel, ob Athen seinen Schuldenberg auf Dauer stemmen kann. Dazu müsste das Land nämlich hohe Wachstumsraten und Budgetüberschüsse schaffen –und zwar über viele Jahre.

Bei den Zinsen sind die EU-Partnerländer den Griechen schon weit entgegengekommen. Damit sei es aber wohl nicht getan, glaubt Schadler: "Es ist ziemlich klar, dass diese Kredite nicht voll zurückgezahlt werden."

Fass ohne Boden

In der Ukraine wiederholen sich nun die Fehler. "Das Hilfsprogramm bewertet die Lage viel zu rosig. Damit erweist der IWF niemandem einen guten Dienst." Es drohe ein weiteres Fass ohne Boden. Erst im April 2014 hatte der Währungsfonds 17 Mrd. Dollar an Krediten zugesichert. Jetzt fehlten weitere 15 Mrd. Dollar, zitierte die Financial Times anonyme IWF-Quellen. Aus Angst vor einer Staatspleite warfen Investoren ihre ukrainischen Papiere auf den Markt. Die Kurse von Anleihen mit langer Laufzeit brachen bis zu 7 Prozent ein.

Die US-Bürgerin verbrachte fast ihre ganze Karriere (von 1976 bis 2007) beim IWF, zuletzt als stv. Direktorin der Europa- Abteilung. Die gefragte Autorin ist Senior-Partnerin am Center for International Governance Innovation (CIGI), einer Denkfabrik in Kanada und den USA. Schadler schätzt Österreich auch privat: Auf ihrer Webseite schwärmt sie von der Donau-Radroute PassauWien.