Wirtschaft

Abrupter Umschwung ist größte Gefahr für Finanzmarkt

Der heiße Sommer wurde ganz gut überstanden, einzig die Aktienkurse erhielten einen Dämpfer. Abgesehen davon ließen das Gezerre um das Griechenland-Paket und Chinas Börsenturbulenzen die europäischen Finanzmärkte erstaunlich kalt, analysiert die Europäische Zentralbank (EBZ). Auf Sicht der nächsten zwei Jahre stieß EZB-Vize Vítor Constâncio am Mittwoch aber deutliche Warnungen aus. Der jüngste Finanzstabilitätsbericht sieht vier Gefahrenherde:

Schwellenländer Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken führt dazu, dass Risiken unterschätzt werden. Das berge die (mittelgroße, aber jüngst gestiegene) Gefahr einer schlagartigen Neubewertung, die die Wertpapierkurse zum Absturz bringen könnte. Ein Auslöser könnte sein, dass die Firmen und Haushalte in einigen Schwellenländern hohe Kredite in Dollar aufgenommen haben. Wenn die USA demnächst die Zinsen erhöhen, müssten sie größere Schulden schultern.

Geldinstitute im Euroraum hätten zwar eher wenig zu befürchten, weil sie nicht sehr eng mit China und Co. vernetzt seien. Für britische Banken und die Fondsindustrie sieht das aber anders aus.

Unprofitable Banken Eine mittelgroße Gefahr für die Finanzstabilität sieht die EZB bei den Banken. Sie leiden unter den Niedrigzinsen und der schwachen Konjunktur und verdienen zu wenig. Das ist ein Langzeittrend: Seit 1995 hat sich die Netto-Zinsmarge für Großbanken halbiert. Dazu komme ein hoher Anteil an faulen Krediten, vor allem in Euro-Krisenländern.

Schuldenkrise Ein unbewältigtes Problem sind die privaten und staatlichen Schuldenberge. Zwar hält die EZB die Zinskosten niedrig, die Löcher in den Budgets sind geschrumpft. Mageres Wirtschaftswachstum, die daraus folgenden sozialen Probleme und mangelnder Reformwille könnten die Schuldenkrise aber zurückkehren lassen.

Schattenbanken Eine steigende Gefahr ist der rasch wachsende Finanzsektor abseits der klassischen Banken und Versicherer. So seien Fonds "unter der Oberfläche verwundbar", weil sie zuletzt größere Risiken eingingen.

Immobilienpreise

Die Gefahr eines Einbruchs bei den Finanzwerten hält Constâncio für überschaubar: "Wir haben im Euroraum keine generell exzessiv überbewerteten Kurse, aber es gibt Bereiche, die einen Anstieg aufweisen." Etwa die Preise für Wohnimmobilien in Österreich: Seit 2012 sind die Preise nur in Deutschland und hierzulande kontinuierlich gestiegen. Der Anstieg entfällt vor allem auf die Bundeshauptstadt: In Wien sind die Preise seit 2010 um 20 Prozent stärker gestiegen als im bundesweiten Durchschnitt. Die EZB hält die Preise in Österreich und Luxemburg jetzt für "moderat überbewertet" – die Gefahr für die Finanzmärkte sei aber beschränkt, solange der Anstieg nicht mit einer Kreditblase einhergeht. Auf dem Baltikum, in Irland und Spanien, wo die Preise nach der Krise massiv eingebrochen waren, seien Immobilien mittlerweile unterbewertet. Experten erwarten, dass die EZB am 3. Dezember die Geldpolitik erneut lockern wird. Auf die Stabilitätsrisiken wirke sich diese Entscheidung voraussichtlich kaum aus, sagte Constâncio.