Vom Pulsschlag lernen
Allzu gerne wird der Begriff digitale Revolution verwendet, wenn es um moderne Kommunikations- und Informationstechnologien im Berufsalltag geht. Inwiefern sich durch ihren Einsatz Belastungen für die Mitarbeiter*innen ergeben und was man dagegen tun kann, untersucht das vom WWTF geförderte Forschungsprojekt „ShapeTech – biometric data, collective empowerment and humanization of work“. Studienleiter Univ.Prof. Dr. Jörg Flecker vom Institut für Soziologie der Universität Wien und Mag. Philip Schörpf von der Forschungs- und Beratungsstelle für Arbeit (FORBA) im Gespräch.
Es heißt, Digitalisierung erleichtert das Arbeitsleben ...
Jörg Flecker: Der Einsatz digitaler Technologien hat nicht das primäre Ziel, die Arbeit zu erleichtern, sondern Abläufe zu vereinfachen sowie Arbeitsschritte einzusparen oder zu automatisieren. Insofern ist die Frage, ob Digitalisierung im Allgemeinen die Arbeit erleichtert, falsch gestellt. Erst die Form der Nutzung bestimmt die Auswirkungen.
Sie untersuchen, wie diese aussehen können?
Jörg Flecker: Unser Interesse galt den Arbeitsbedingungen bei hochdigitalisierter Arbeit und wie sie verbessert werden können. Gemeinsam mit Kolleg*innen der TU, die daran arbeiten, wie man mit biometrischen Geräten Stress und Konzentration messen kann, und mit Kolleg*innen des AIT und von FORBA entstand die Idee zu dem Forschungsprojekt. Im Sinne des Digitalen Humanismus stand für uns im Vordergrund, dass es keine reine Datenerhebung sein soll. Die Arbeitnehmer sollen aufgrund der gewonnenen Informationen die Arbeitsbedingungen verbessern können.
Wie läuft das Projekt ab?
Philip Schörpf: Wir haben uns auf den Bereich Wissensarbeit konzentriert, also Büroarbeit, wo digitale Anwendungen, Programme, Software, Apps für die Erledigung der Tätigkeit essenziell sind, und Betriebe für zwei Fallstudien gesucht. Die Kolleg*innen der TU haben sich mit den Tools zur Messung der biometrischen Daten beschäftigt, die es am Markt gibt, und diese ausgebaut. Mit den Teilnehmer*innen der Fallstudien wurden zunächst Einstiegsinterviews über ihre Arbeitsrealitäten geführt. Danach übergaben wir ihnen die Geräte, bestehend aus einer Smartwatch, mit der Rückschlüsse von der Herzrate auf den Stress möglich sind, und einem Headband, das die Konzentration erfassen soll. Diese trugen die Teilnehmer*innen insgesamt zwei Arbeitswochen. Zusätzlich protokollierten die Teilnehmer*innen den Arbeitstag detailliert: In der Früh und am Abend füllten sie kurze Fragebögen zur eigenen Stimmung und Techniknutzung aus, zusätzlich hielten sie den ganzen Tag über fest, welche Tätigkeiten sie in welchem Zeitraum erledigten, welche digitalen Anwendungen dabei verwendet wurden und wie es ihnen ergangen ist. Die Daten haben wir gesammelt, verdichtet und interpretiert: Das Ergebnis sind umfangreiche Berichte, die jede*r einzelne Studienteilnehmer*in bekommt, um in Fokusgruppen ihre Arbeitsorganisation und den Umgang mit der Technik zu reflektieren.
In dem Forschungsprojekt geht es um Self Awareness?
Jörg Flecker: Es geht darum, den Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit zu geben, Verbesserungsvorschläge zu machen. Es ist also eine Art Hilfsmittel, das wir liefern.
Philip Schörpf: Das Projekt ist als Grundlagenforschung zu verstehen. Es ging in erster Linie um die Methodik. Allerdings hat sich daraus ein Folgeprojekt ergeben – mit dem Ziel, die Methodik so zu vereinfachen, dass sie ohne sozialwissenschaftlichen Hintergrund anwendbar ist und somit in Betrieben von geschulten Personen eingesetzt werden kann.