Profit von Tech-Konzernen zurückholen
Bei der Entwicklung von Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) tun sich auch ethische Fragen auf. Peter Knees, UNESCO Chair für Digitalen Humanismus, setzt sich damit auseinander.
Digitaler Humanismus fragt sich, wie die Technologie dem Menschen dienen kann und nicht umgekehrt. Ist das so richtig?
Peter Knees: Digitaler Humanismus geht darüber hinaus, weil er auch versucht, eine Veränderung herbeizuführen. In meiner Forschung beschäftige ich mich etwa mit Algorithmen, die individuelle Musikempfehlungen abgeben. Hier sollte man Systeme so gestalten, dass sie nicht nur meinen Musikkonsum abbilden, sondern auch Perspektiven öffnen. Man versucht, Diversität hineinzubringen und den Nutzern verschiedene Musikrichtungen zu bieten. Dieser Weg entfernt sich von den eher amerikanischen, kommerziell getriebenen Interessen, hin zu einer europäischen Vielfalt.
Sie sprechen über den amerikanischen, kapitalistischen Weg. Die meisten Technologieunternehmen sind gewinnorientiert: Passt das mit dem digitalen Humanismus überhaupt zusammen?
Das ist oft die Herausforderung. Ethische und wirtschaftliche Interessen gehen nicht immer Hand in Hand. Aber es kann auch eine Chance sein. Man sieht, dass sich Firmen sehr gerne über die ethische Komponente definieren und verkaufen – ob das dann wirklich der Fall ist, ist eine andere Frage.
Entwickler von Sprachmodellen wie ChatGPT warnen selbst regelmäßig davor, dass ihre Programme gefährlich werden können, bieten sie aber zum Kauf an. Ist das also reines Marketing?
Manche Firmen übertreiben bewusst, wie gefährlich ihre Systeme sind. Das nützt, um Aufmerksamkeit zu generieren, und ist auch ein Verkaufsargument. Die Systeme sind dann bei Weitem nicht so gut, wie immer behauptet wird.
Sind Regulierungen dennoch wichtig, damit uns die Technologie nicht davonrennt?
Ich glaube schon, dass Regulierungen wie der AI Act der EU sehr sinnvoll sind.
Kritiker argumentieren allerdings, dass Regulierungen Innovationen behindern.
Das ist immer wieder das Argument, aber das sehe ich gar nicht so. Wenn die Spielregeln klar definiert sind, ist es sogar leichter, Innovationen zu betreiben.
Dennoch blickt man auf die wenig regulierten USA und versucht, sie zu imitieren.
Silicon Valley ist immer noch der Nordstern, wo sich Leute hinorientieren. Aber ich weiß nicht, ob das sinnvoll ist. Ich muss ehrlich sagen: Die Unternehmenskultur und disruptive Wirtschaft, die da stattfindet, wäre für Europa nicht unbedingt von Vorteil und wünschenswert.
Wo müsste man drehen, um diesen Entwicklungen entgegenzusteuern?
Es wird momentan sehr viel kommerzialisiert, was eigentlich Wissen aller ist. KI-Systeme werden etwa mit Daten trainiert, die der Allgemeinheit gehören. Davon profitieren nicht alle. Wenn es eine Schraube gibt, an der man drehen müsste, wäre das die Besteuerung von großen Tech-Konzernen. Hier gibt es Möglichkeiten, Profit wieder zurückzuholen, um ihn an die Gesellschaft zu verteilen.
Peter Knees ist Associate Professor an der Fakultät für Informatik der TU Wien. Seit 20 Jahren forscht er aktiv an der Schnittstelle von Künstlicher Intelligenz und Musik, unter anderem im Bereich von Musikempfehlungsalgorithmen.
UNESCO Chair
Als UNESCO Chair für Digitalen Humanismus setzt er sich mit gesellschaftlichen Herausforderungen in Folge der digitalen Transformation auseinander, insbesondere mit Fragen eines verantwortungsvollen Einsatzes von KI, der Vermittlung digitaler Kompetenzen sowie einer globalen Sichtweise auf diese Entwicklungen.