So wirkungsvoll ist Cranberrysaft wirklich
Cranberrysaft wird seit jeher eine ganze Reihe positiver Effekte auf den menschlichen Körper nachgesagt. Als wirksames Hausmittel ist der rote Saft der Großfrüchtigen Moosbeere (auch Kranbeere genannt) vor allem von Blasenentzündungen geplagten Frauen ein Begriff. Neben abgefüllten Drinks hat sich daher seit geraumer Zeit auch ein Markt für Nahrungsergänzungsmittel mit dem Extrakt der roten Beere etabliert.
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Doch was sich in unseren Breiten im kollektiven Hausverstand als gesundes Wundermittel festgesetzt hat, könnte möglicherweise zum größten Teil Humbug sein.
Der Mythos vom heilenden Cranberrysaft
Zwar stellte etwa eine Studie aus 2016, die im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, fest, dass "der Konsum von Cranberrysaftgetränken die Anzahl klinischer Harnwegsinfekte bei Frauen mit medizinischer Vorbelastung senkt".
Das Forscherteam präsentiert Cranberrysaft als alternative Behandlungsmethode bei Harnwegsinfekten. Im Kontext mit der Tatsache, dass Harnwegsinfekte in der Schulmedizin oft mit Antibiotika behandelt werden und dadurch mitunter Antibiotika-Resistenzen entstehen, scheint die Alternative einleuchtend .
Aber während das Ergebnis der Cranberrysaft-Studie zwar aus wissenschaftlicher Perspektive korrekt und unter Einbindung einer Placebo-Gruppe durchgeführt wurde, wirft der Entstehungs- und Finanzierungshintergrund Fragen auf.
Die Wirkung der Inhaltsstoffe von Kranbeeren auf Harnwegsinfekte gilt seit Jahren als umstritten. Bereits in der Vergangenheit hatten Studien die weitgreifende Wirkung von Cranberrysäften in Frage gestellt und abgemildert. Das liegt vor allem an diesen 2 Faktoren:
- Geringer Anteil antioxidativer und entzündungshemmender Stoffe: In industriell hergestellten Säften und Nahrungsergänzungsmitteln soll kein ausreichender Anteil antioxidativen und entzündungshemmender Wirkstoffe (Oligomere Proanthocyanidine) enthalten sein.
- Hoher Zuckergehalt: Der hohe Zuckergehalt in Cranberrysäften soll sogar kontraproduktiv für die Behandlung von Harnwegsinfekten sein.
Die deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin erwähnt Cranberry zwar als traditionelles Heilmittel zur Behandlung von Harnwegsinfektionen, weist jedoch darauf hin, dass die wissenschaftliche Basis einer Behandlung mit pflanzlichen Mitteln im Allgemeinen gering ist.
Studien zur positiven Wirkung von Cranberrysaft wurde von Hersteller finanziert
Wie Julia Belluz ifür einen Artikel auf dem Online-Portal vox.com recherchierte, sind die absoluten Zahlen der Studie "recht jämmerlich". So sei Belluz zufolge lediglich belegt worden, dass das tägliche Trinken von Cranberrysaft über einen Zeitraum von 3,2 Jahren hinweg die für eine Harnwegsinfektion typischen Symptome bei den Testperson bekämpfen konnte. Die wesentliche Information liegt Belluz zufolge in der Formulierung, denn bei den betroffenen Probandinnen handelte es sich nicht um Patientinnen mit diagnostiziertem Harnwegsinfekt. Sie wiesen lediglich Symptome einer derartigen Erkrankung auf.
Belluz weist in ihrem Artikel auch auf den Einfluss des Finanzierungsaspekts im Zuge der Studie hin. Der Grund: Die Studie wurde von Ocean Spray, dem weltweit größten Hersteller von Cranberrysaft, in Auftrag gegeben. Zudem fänden sich unter den Autoren der Untersuchung wissenschaftliche Mitarbeiter des Konzerns. Es liegt demnach durchaus nahe, dass die Einflussnahme des Unternehmens in der Konzeption und Durchführung der Studie enorm war.
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Belluz zweifelt daher nicht nur die Validität der Ergebnisse, sondern vor allem die Formulierung der angeblich wegweisenden Publikation an.