Thema/WM2014

Die Schweiz, eine Mannschaft von Welt

Als im Februar die Schweizer mit knapper Mehrheit (50,3 Prozent) "Ja" zur Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" sagten, war die Empörung groß in Teilen der Gesellschaft. Auch im Fußball-Lager wurde der Volksentscheid mit Entsetzen und Kopfschütteln registriert.

Immerhin sind in der beliebten Schweizer Nati, wie die Nationalmannschaft gerne genannt wird, vorwiegend Migranten am Ball;

immerhin tragen die großen Erfolge der kleinen Fußballnation nicht das Gütesiegel "Made in Swiss", sondern sind das Ergebnis einer gelungenen Ballstafette zwischen den Nationen;

und immerhin wäre die Schweiz ohne ihre Gastarbeiterkinder bei der Weltmeisterschaft in Brasilien nur Zuseher.

Erstklassige Secondos

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Der Blick in das WM-Aufgebot von Ottmar Hitzfeld belegt, wie sehr die Schweiz von seinen Secondos, wie die Kicker mit Migrationshintergrund genannt werden, abhängig ist:

Kapitän Inler? Türkische Eltern. Einsergoalie Benaglio? Italienische Wurzeln. Innenverteidiger Djourou? Geboren in der Elfenbeinküste. Außenverteidiger Rodriguez? Papa Spanier, Mama Chilenin. Stratege Xhaka? Eltern aus dem Kosovo. Mittelfeldantreiber Dzemaili? Geboren in Mazedonien. Spielmacher Shaqiri? Auf die Welt gekommen im Kosovo. Goalgetter Drmic? Papa und Mama aus Kroatien. Nicht zu vergessen die Herren Senderos, Barnetta, Fernandes, Mehmedi und Seferovic, die alle dafür sorgen, dass die Schweizer Nationalmannschaft in Wahrheit eine Internationalmannschaft ist. "Es ist nicht wichtig, wo wir herkommen. Wichtig ist, dass wir alle für die Schweiz spielen und Erfolg haben wollen", sagt Kapitän Gökhan Inler.

Gelungene Integration

Teamchef Ottmar Hitzfeld weiß jedenfalls ganz genau, was er an seinen erstklassigen Secondos hat. "Die befruchten die Nationalmannschaft.Ohne die Secondos wären wir sicher schwächer", erklärt der deutsche Chefcoach im Gespräch mit dem KURIER und verweist auf den größten internationalen Erfolg des Schweizer Fußballs – den Triumph bei der Unter-17-WM 2009. "Damals waren Spieler aus 13 verschiedenen Heimatländern im Aufgebot", erinnert sich Hitzfeld. Im WM-Sieg wurde 2009 sogar eine staatspolitische Bedeutung gesehen. "Eine so erfolgreiche Integration soll uns einmal jemand nachmachen", hatte der damalige Sportminister Ueli Maurer seinerzeit gejubelt.

Hinter der Multi-Kulti-Truppe steht freilich System. 1993 war im Schweizer Fußballverband ein neues Nachwuchskonzept ins Leben gerufen worden. Das Projekt "Footuro" hatte zum Ziel, flächendeckend im gesamten Land Talente zu entdecken und individuell zu fördern. Die größten Talente, so stellten die Scouts rasch fest, hatten fast durchwegs Migrationshintergrund.

Sozialer Aufstieg

Hitzfeld ortet Unterschiede in der Mentalität. "Die Secondos kommen aus Nationen, die mehr Fußballtradition haben und oft auch eine größere Begeisterung. Und die Secondos sehen ihre größte Chance auf einen sozialen Aufstieg, indem sie im Fußball groß rauskommen, während die Schweizer Kinder erst einmal eine gute schulische Ausbildung machen sollen. Die Secondos bringen vielleicht auch größere Opfer für eine Karriere als Fußballprofi."

Von der hervorragenden Schweizer Jugendarbeit profitieren längst auch andere Nationen. Ivan Rakitic etwa, Kapitän von Europa League Sieger Sevilla, der perfektes Schwyzerdütsch spricht, ist bei der Weltmeisterschaft für Kroatien im Einsatz, dem Heimatland seiner Eltern.

Die Konkurrenz zollt der Schweizer Internationalmannschaft derweil großen Respekt."Die Schweiz", versichert Vicente del Bosque, Teamchef von Weltmeister Spanien, "die Schweiz hat eine rosige Zukunft vor sich."

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