Thema/WM2014

Neymar schießt Brasilien zum Auftaktsieg

Von einer Sekunde auf die andere wurde es still im Corinthians-Stadion von São Paulo und das Gros der 62.600 Premierengäste verfiel in Schockstarre. Mit vielem hatte man beim Eröffnungsspiel der 20. Fußball-WM gerechnet, mit Fan-Protesten oder auch mit technischen Pannen, aber dass sich Brasilien, der Gastgeber und WM-Favorit, dermaßen ins Turnier plagt, das lag – zumindest für die Anhänger der Selecão – außerhalb ihrer Vorstellungskraft.

Da konnte es auch nur ein schwacher Trost sein, dass die Zuschauer in der Arena von São Paulo, die gerade noch last-minute fertiggestellt worden war, in der Anfangsphase Augenzeugen eines historischen Moments wurden. Marcelo hatte nach wenigen Minuten (11.) das erste Eigentor in der langen und erfolgreichen brasilianischen WM-Historie erzielt und auf den Tribünen für Irritationen und Ratlosigkeit gesorgt.

Dass das allgemeine brasilianische Entsetzen am Ende doch noch einer kollektiven Euphorie und Erleichterung wich, lag einerseits an Jungstar Neymar, der mit zwei Toren den hohen Vorschusslorbeeren mehr als gerecht wurde. Andererseits aber auch am japanischen Schiedsrichter Yuichi Nishimura, der den mühevollen brasilianischen 3:1-Auftaktsieg durch einen äußerst großzügigen Elfmeterpfiff erst einläutete.

Nervös

Nervosität und Anspannung waren den Gastgebern bei ihrem ersten Auftritt jedenfalls deutlich anzumerken. So farbenfroh die Eröffnungsfeier war, die ohne die handelsüblichen Ansprachen der Politiker und Funktionäre auskam, so blass war über lange Strecken der Auftritt der hoch favorisierten brasilianischen Nationalmannschaft. Die großen Sehnsüchte der fußballverrückten Nation, die von ihrer Selecão den sechsten WM-Titel nicht nur erwartet, sondern ihn regelrecht fordert, lähmten den brasilianischen Ballzauberern augenscheinlich die Beine. Von Spielfreude und Spektakel, vom berühmten brasilianischen Joga Bonito, dem guten Spiel, war im Auftaktmatch jedenfalls noch wenig zu sehen.

Unbrasilianisch

Selbst bei ihren drei Toren verzichteten die Edeltechniker und Berufstrickser auf Showeinlagen. Der Ausgleich durch Neymar nach knapp einer halben Stunde? Ein holpriger Weitschuss aus 20 Metern, unspektakulär aber unangenehm für Torhüter Pletikosa – unbrasilianischer könnte ein Treffer kaum sein.

Das Führungstor nach 71 Minuten? Ein nüchterner Elfmeter von Neymar nach einer Fehlentscheidung des Unparteiischen – Lovren hatte Fred nicht elfmeterreif gefoult.

Die Entscheidung in der Nachspielzeit? Ein besseres Herbert-Prohaska-Izmir-Gedächtnistor. Oscar hatte die Kugel mit dem Spitz im Gehäuse untergebracht.

Das 3:1 spiegelt jedenfalls das wahre Kräfteverhältnis nicht wider. Und trotzdem – holpriger Start hin, Schiedsrichtergeschenk her – der spielerische Auftakt nach Mittelmaß muss den Brasilianern noch lange keine Sorgen bereiten.

„Das erste Spiel ist immer das Schwierigste“, hatte der brasilianische Teamchef Scolari in den Tagen vor dem Turnier gemeint –zumindest diese Hürde hat der Titelfavorit einmal unversehrt gemeistert.

Das Spiel in Bildern

Brasilien - Kroatien 3:1 (1:1)

Sao Paulo, Arena Corinthians, 62.600 (ausverkauft), SR Nishimura/JPN.


Torfolge: 0:1 (11.) Marcelo (Eigentor)
1:1 (29.) Neymar
2:1 (71.) Neymar (Foul-Elfmeter)
3:1 (91.) Oscar

Brasilien: Julio Cesar - Dani Alves, Thiago Silva, David Luiz, Marcelo - Paulinho (63. Hernanes), Luiz Gustavo - Hulk (68. Bernard), Oscar, Neymar (88. Ramires) - Fred

Kroatien: Pletikosa - Srna, Corluka, Lovren, Vrsaljko - Rakitic, Modric - Olic, Kovacic (61. Brozovic), Perisic - Jelavic (78. Rebic)

Gelbe Karten: Neymar, Luiz Gustavo bzw. Corluka, Lovren

Neymar (Brasilien-Stürmer, 2 Tore): "Ich freue mich, dass wir den erhofften Sieg geholt haben. Dass mir zwei Tore gelungen sind, darüber bin ich sehr glücklich. Trotz der Gelben Karte werde ich so normal wie möglich weiterspielen. Ich versuche nicht daran zu denken, alles andere wäre schlecht."

Marcelo (Brasilien-Verteidiger, Eigentor): "Die Team-Kollegen haben mir geholfen und die Fans haben meinen Namen gerufen. Wir spielen jedes Spiel, als wäre es ein Finale."

David Luiz (Brasilien-Verteidiger): "Das 3:1 ist deutlicher, als es das Spiel war. Die Kroaten waren sehr stark. Aber wir haben den ersten Schritt getan, es fehlen noch sechs."

Ivan Rakitic (Kroatien-Mittelfeldspieler): "Wirklich schade, wir hätten uns viel mehr verdient gehabt. Und es ist auch schade, dass wir schon nach dem ersten WM-Match über Schiedsrichterfehler diskutieren müssen. Wir haben stark gespielt, es hat sich aber nicht ausgezahlt."