Klose rettet Deutschland und zieht mit Ronaldo gleich
Joachim Löw hatte wohl schon so eine Vorahnung. Der Bundestrainer konnte sich nur wundern über all jene, die Deutschland nach dem 4:0-Auftaktsieg gegen Portugal bereits als neuen Weltmeister sahen; er konnte nur darüber den Kopf schütteln, dass Ghana in der Öffentlichkeit gerne als Punktelieferant und nächstes Kanonenfutter für die DFB-Elf hingestellt wurde. "Ghana", betonte Löw bereits vor Wochen im KURIER-Gespräch, "Ghana ist eine der unangenehmsten Mannschaften, die es gibt. Vor allem, weil diese Spieler körperlich so präsent sind."
Und recht sollte er behalten: Die Afrikaner waren genau der lästige Gegner, den Joachim Löw erwartet hatte. Und Ghana relativierte über weite Strecken auch diesen deutschen Auftakt nach Maß, der offenbar viele derart euphorisiert hatte, dass sie darauf vergaßen, dass ein fragwürdiger früher Elfmeterpfiff und ein rascher Ausschluss aufseiten der Portugiesen den Deutschen großzügig in die Karten gespielt hatten.
Beim 2:2 im zweiten Gruppenspiel gegen Ghana mussten die Deutschen nun an ihre Leistungsgrenzen gehen – und offenbarten dabei auch einige Schwächen.
Das Spiel in Bildern
Turbulent
Gegen ein Team aus Ghana, das sich weder zu defensiven Blödheiten noch zu Undiszipliniertheiten hinreißen ließ, lief das deutsche Werkl lange Zeit gleich viel unrunder. Verpufft der Anfangselan der Eröffnungspartie gegen Portugal, verloren gegangen der Spielwitz der Offensiv-Akteure, und verschwunden die Souveränität der ersten 90 WM-Minuten. Die robusten und gleichzeitig auch technisch beschlagenen Spieler aus Ghana forderten der Mannschaft von Joachim Löw alles ab.
Nicht einmal die 1:0-Führung konnte Ruhe ins hektische deutsche Spiel bringen. Mario Götze hatte nach dem Seitenwechsel die erste echte Torchance per Knie genutzt (51.) und damit immerhin eine neue deutsche Tugend unter Beweis gestellt – die Effizienz.
Doch der Jubel über das 1:0 war kaum verhallt, da schlugen die unbeeindruckten Afrikaner bereits zurück. André Ayew, einer der Söhne des ghanaischen Fußballhelden Abédi Pelé, setzte beim Ausgleich Löws "Ochsenabwehr" die Hörner auf. Der kleine Offensivmann behielt im Kopfballduell mit den baumlangen deutschen Verteidigern die Oberhand und traf zum verdienten 1:1 (54.). Vor allem der eingewechselte Mustafi machte dabei schlechte Figur.
Hektisch
Was danach folgte, war eine Phase, in der die Deutschen wie ein angeschlagener Boxer taumelten und alles andere als weltmeisterlich auftraten. Selbst Routiniers wie Philipp Lahm bekamen nach dem Ausgleich plötzlich zittrige Knie, und der Kapitän war es auch, der mit einem Fehlpass das 1:2 einleitete. Asamoah Gyan nahm diese Einladung dankend an und schloss den Konter eiskalt ab (63.).
Joachim Löw bekämpfte die Hektik, Nervosität und ernste allgemeine Verunsicherung seiner Elf mit zwei Routiniers: Die Einwechslung der Oldies Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger tat der Mannschaft gut, und so war es auch kein Zufall, dass der Mister WM höchstpersönlich für den verdienten Ausgleich sorgte: Klose drückte in seiner typischen Goalgetter-Manier einen Cornerball über die Linie und zog damit in der ewigen WM-Torschützenliste mit Ronaldo gleich (71.).
Im Finish lieferten dann beide Teams einander ein Duell mit offenem Visier, bei dem auf beiden Seiten der Siegestreffer hätte fallen können. Doch das 2:2 war das gerechte Ergebnis.
/**/Fortaleza, Estadio Castelao, 59.621, SR Sandro Ricci/BRA.
Tore: 1:0 (51.) Götze
1:1 (54.) A. Ayew
1:2 (63.) Gyan
2:2 (71.) Klose
Deutschland: Neuer - J. Boateng (46. Mustafi), Mertesacker, Hummels, Höwedes - Khedira (69. Schweinsteiger), Lahm, Kroos - Özil, Müller, Götze (69. Klose)
Ghana: Dauda - Afful, Boye, Mensah, Asamoah - Atsu (72. Wakasu), Rabiu (78. Badu), Muntari, A. Ayew - K.P. Boateng (52. J. Ayew), Gyan
Gelbe Karten: Keine bzw. Muntari
WM-Rekordmann.Deutschland ist reich an WM-Torjägern: Max Morlock, Helmut Haller, Lothar Matthäus, Rudi Völler, Thomas Müller, Uwe Seeler, Karl-Heinz Rummenigge, Helmut Rahn, Jürgen Klinsmann und Gerd Müller liegen unter den Top-50 der ewigen WM-Torschützenliste. Doch einer ist besser als seine Landsmänner: Miroslav Klose.
Bei seiner vierten WM erzielte der im polnischen Opole geborene Stürmer seinen insgesamt 15. Treffer. Damit hat er seinen Landsmann, Gerd Müller (Weltmeister von 1974), abgehängt und den WM-Torrekord des Brasilianers Ronaldo eingestellt.
Nachdem Klose gegen Portugal nicht eingesetzt worden war, saß der mittlerweile 36-Jährige auch gegen Ghana auf der Ersatzbank. Als die Not größer wurde, die Deutschen gegen die Westafrikaner mit 1:2 in Rückstand lagen, erinnerte sich Teamchef Joachim Löw an den erfolgreichsten Torjäger der deutschen Nationalmannschaftsgeschichte.
In der 69. Minute kam Klose aufs Feld, gerade einmal zwei Minuten war er mittendrin statt nur dabei, dann stand der Lazio-Legionär dort, wo er in seiner langen Karriere schon so oft gestanden ist: frei vor dem Tor. Aus kurzer Distanz traf Klose nach einem Eckball ins Tor der Ghanaer – zum 2:2-Ausgleich.
Es war sein 70. Tor in seinem 133. Länderspiel. Damit hat er im Schnitt in knapp mehr als jedem zweiten Länderspiel ein Tor erzielt. Bei WM-Endrunden ist sein Torschnitt sogar noch besser: Es war – wie erwähnt – sein 15. Treffer in seinem 20. WM-Spiel. Das ergibt 0,75 Tore pro Spiel. Zum Vergleich: Ronaldo war noch eine Spur effizienter, benötigte nur 19 WM-Spiele, um 15 Treffer zu erzielen.
Klose traf nun bei jedem Turnier, bei dem er dabei war. 2002 wurde er in Südkorea und Japan mit fünf Treffern gemeinsam mit Rivaldo hinter Ronaldo (acht Treffer) Zweiter der Torschützenliste. 2006 wurde er in Deutschland mit fünf Treffern gar als erst zweiter deutscher Stürmer nach Gerd Müller 1970 WM-Torschützenkönig. 2010 erzielte er in Südafrika vier Tore. Und 2014 jetzt eines.
Trotz seiner Rekorde war Klose auch nach seinem Rekordtor, was er schon immer war: zurückhaltend. „20 Spiele, 15 Kisten! Das ist schon nicht schlecht. Aber wichtiger ist, dass wir am Donnerstag gegen den USA gut ausschauen“, meinte der Ex-Bayern-, Ex-Bremen- und Ex-Kaiserslautern-Stürmer.
Joachim Löw (Teamchef Deutschland): "Es war ein offener Schlagabtausch. Ein irrsinniges Tempo. Die Spieler haben alles gegeben und sich völlig verausgabt. Die Mannschaft hat gute Moral bewiesen, dass sie zurückgekommen ist. Für uns hat sich die Ausgangsposition nicht entscheidend verändert. Wir wollen das nächste Spiel gewinnen und Tabellenführer bleiben."
Mario Götze (Torschütze Deutschland): "Es war etwas glücklich, dass mein Kopfball reingegangen ist. Bei diesen Bedingungen haben wir es über weite Strecken gut gemacht. Aber wir haben zwei Gegentore zugelassen, die man nicht kriegen darf. Mit dem Punkt können wir leben."
Philipp Lahm (Kapitän Deutschland): "Es waren anstrengende 90 Minuten. Wir waren nicht so aggressiv von Anfang an. Dann bekommt man gegen solche Mannschaften Probleme. Insgesamt können wir nicht zufrieden sein."
Miroslav Klose (WM-Rekordtorschütze Deutschland): "Ich weiß gar nicht, wie lange ich den Salto nicht mehr gemacht habe. Gelungen ist er nicht. 20 Spiele, 15 Kisten - das ist schon nicht schlecht. Aber wichtig ist, dass wir gegen die USA gut aufspielen."
Kevin-Prince Boateng (Spieler Ghana): "Es war ein tolles Spiel für die Fans. Wir haben uns zwar vorgenommen, zu gewinnen. Aber ich denke, wir sollten mit dem Punkt zufrieden sein. Wir hatten Chancen, sie hatten Chancen. Das Unentschieden ist denke ich gerecht."