Thema/WM2014

Darf man die Deutschen kritisieren?

Deutschland will Weltmeister werden. Diesen - und keinen anderen - Anspruch hat man im Land des Titelträgers der Jahre 1954, 1974 und 1990 lange vor Beginn dieser Weltmeisterschaft angemeldet. Egal ob Fans, Journalisten, Spieler oder Teamchef, in diesem Punkt herrschte Einigkeit. Da passte die 4:0-Gala im ersten Spiel gegen Portugal perfekt ins Bild. Rechtzeitig mit Turnierbeginn schien das DFB-Team in jener Topform zu sein, die ein künftiger Weltmeister braucht. Es folgten das 2:2 gegen Ghana, wo Miroslav Kloses 15. WM-Treffer die Deutschen vor einer Niederlage bewahrte, und ein knapper 1:0-Sieg gegen die USA.

Damit beendete die Löw-Truppe die Vorrunde standesgemäß als Gruppensieger, die Medien waren ob der zwei "weniger guten" Leistungen gegen Ghana und die USA aber nicht mehr ganz so euphorisch wie nach der Portugal-Gala.

Nach einem 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen Algerien steht der Titel(mit)favorit im Viertelfinale. Also unter den besten acht Teams des Turniers. Eigentlich alles in bester Ordnung, oder? Nicht ganz. Algerien hätte schließlich nicht einfach nur besiegt, sondern überrollt werden sollen. Vor allem die tatsächlich sehr schlechte erste Halbzeit wurde von den Medien scharf kritisiert. Ist diese Mannschaft gut genug, um Weltmeister zu werden?

Medien aus aller Herren Länder machten aus ihrer "Enttäuschung" keinen Hehl. "Deutschland am Rande der Katastrophe", meinte El Mundo Deportivo aus Spanien. O Globo (Brasilien) schrieb: "Deutschland hat in 120 Minuten jeglichen Status von einem hohen Favoriten auf den WM-Titel abgebaut." "Deutschland kegelt sich mit haarsträubenden Abwehrfehlern beinahe selber aus der WM. Um die gute Stimmung ist es erst einmal geschehen", schrieb der Schweizer Tages-Anzeiger. Vor allem waren es aber die deutschen Medien, die mit der eigenen Mannschaft hart ins Gericht gingen. „Man spielt deutsch. Rumpel-Abwehr, ein Gigant im Tor, irgendwann gehen die Dinger rein. 2:1. Hauptsache weiter...“, war - um nur ein Beispiel zu nennen - bei der B.Z. zu lesen. Auch im deutschen Fernsehen kam die DFB-Elf nicht gut weg.

Spieler reagieren gereizt

Die Spieler können dieser Kritik allerdings nicht viel abgewinnen, halten sie für überzogen und reagieren äußerst gereizt. Per Mertesackers ZDF-Interview unmittelbar nach dem Algerien-Spiel (zum Artikel) hat Kult-Potential.

Thomas Müller pflichtete seinem wütenden Teamkollegen in einem Interview mit "Die Welt" nun bei. "Ich kann sehr gut leben mit sachlicher Kritik. [...] Aber die Art und Weise, wie die Kritik nach dem Algerien-Spiel formuliert wurde und wie wir dargestellt wurden, war nicht in Ordnung. Wir hatten ja fast das Gefühl, als ob wir uns entschuldigen müssen für den Viertelfinal-Einzug. Ich glaube, ich habe irgendwo sogar etwas von 'Schande' gelesen. Also für mich sieht eine Schande anders aus."

Sieg des Willens

"Wenn die Italiener so gespielt hätten, hätte es bestimmt geheißen: 'Die cleveren Hunde, haben den Gegner kurz zappeln lassen und dann zugestochen'. Wir haben mehr geackert als Algerien, die eigentlich als die großen Kämpfer ausgerufen waren. Der Trainer hat es richtig gesagt: Es war ein Sieg des Willens. Wir wollen dafür nicht mit Lobeshymnen überschüttet werden. Aber harsche Kritik finde ich auch nicht gerecht", reagiert auch der fünffache Torschütze mit wenig Verständnis und fühlt sich ungerecht behandelt.

Immerhin über den misslungenen Freistoß-Trick kann der Bayern-Spieler lachen: "Das fand ich richtig geil, um ein Haar hätte es funktioniert. Die Verteidigung hat kein bisschen auf mich reagiert. Wenn der Lupfer über die Mauer 30 Zentimeter höher kommt, stehe ich allein vor dem Tor. Natürlich kriegt man den Trick um die Ohren gehauen, wenn er nicht klappt. Aber das war es wert."

Bleibt die Frage: Wie weit dürfen die Medien gehen? Ist die Kritik gerechtfertigt? Wie ist Ihre Meinung?

Zum vollständigen Interview