Thema/WM2014

Mit den Piefke zum Public Viewing

Goldene Glitzer-Hose, goldenes Glitzer-Top, roter Nagellack, grüne Schuhe, grüne Jacke mit der Nummer Eins aufgenäht und eine schwarz-rot-gelbe Blume im Haar. Das ist Sylvie (37) nach ihrem finalen WM-Umstyling am Sonntag. "Wenn die Deutschen gewinnen, lasse ich mir das DFB-Logo tätowieren", sagt sie. Gemeinsam mit Svenja, Danny und Oliver ist die Deutsche zu WM-Zeiten nebenberuflich "Fan der deutschen Nationalmannschaft und deren Trainer". Die Liebe zu "Schland" ist aber erst in den vergangenen Jahren gewachsen.

Bis zum Spiel Deutschland gegen Polen bei der WM 2006 fand Sylvie Fußball langweilig. Damals wurde die Deutsche von Kollegen widerwillig zu einem Public Viewing geschleppt. Und als der eingewechselte Oliver Neuville damals in der ersten Minute der Nachspielzeit jenes Tor schoss, das der deutschen Nationalmannschaft den zweiten Sieg im zweiten Gruppenspiel bescherte, hat sich Sylvie "plötzlich dabei erwischt, jubelnd und schreiend in der Menge zu stehen". "Ja, ich bin ein Kind des Sommermärchens", sagt sie.

Vorspiel

Alle Inhalte anzeigen
Seit zwölf Jahren lebt sie in Wien, seit 2006 betreibt sie gemeinsam mit Freunden das Fantum für die deutsche Elf. Aber nicht mit plumpen Fanartikeln. "Wir ziehen unsere privaten Klamotten an, aber halt alles in Schwarz-Rot-Gold", sagt Sylvie. Freundin Danny (schwarzer Rock, rotes T-Shirt, Goldkette um den Hals) hat schon Samstagabend den Prosecco eingekühlt. Freundin Svenja (goldener Lidschatten, roter Lippenstift, Blumenkette) war sich noch Sonntagnachmittag sicher: "3:1 für Deutschland", schließlich herrschte "Weltmeisterwetter". Wohl deshalb konnte der Mann, der der Fan-Truppe auf dem Weg zur U-Bahn ein Taschentuch in die Hand drückte ("Ihr werdet es später brauchen") nicht die Stimmung trüben.

Dass Deutsche öffentlich ihre Landesfarben tragen und ihre Fahne hochhalten, war nicht immer so. "Du wächst als Deutsche damit auf, dass es einen fahlen Beigeschmack hat, wenn du eine Deutschland-Fahne schwingst", erzählt Sylvie. Erst seit 2006 sei das anders: "Viele haben sich damals gedacht: Ey, warum sollen nicht auch wir beim Fußball unsere Fahnen schwingen?" Und das machen die Deutschen jetzt.

Alle Inhalte anzeigen
Auch in Wien. Zum Finaleschauen trifft sich der Deutsche in der Strandbar Herrmann und in der Adria Wien am Donaukanal. Dort veranstaltet die Piefke Connection Austria, ein Zusammenschluss von Deutschen in Wien, die sich über soziale Netzwerke organisieren, das sogenannte "Piefke Public Viewing".

Nachspiel

Wer dort ein sicheres Plätzchen für das Finale ergattern wollte, musste früh da sein. Schon um 18 Uhr hat das "Vorfeiern für das Finale" begonnen, um 19 Uhr waren die besten Plätze besetzt. Bis zum Anpfiff blieb den Fans Bier, Wein und Currywurst.

Aber auch danach wollte 93 Minuten lang kaum Stimmung aufkommen. Erst in der Verlängerung kamen die Fans in der Adria in Fahrt. Zumindest zwischen den andächtigen Schweigeminuten. "Der Götze, der macht das jetzt", sagte Danny, als Götze eingewechselt wurde. Und recht hatte sie. Die Fans sprangen, sie schrien, sie sangen und lagen sich tatsächlich in den Armen. "Ich will jetzt Prosecco", schrie Sylvie nach dem Sieg. Den hat sie auch bekommen. Was jetzt aus dem Tattoo mit dem DFB-Logo wird? "Da muss ich mir jetzt wohl berlegen, wohin ich das haben will."