Ein Hoch der Alltagsflucht
Unvergessliche brasilianische Melodien wie "Samba Do Mundo" neu bearbeitet von den besten DJs der Elektronischen Tanzmusik. Diese geballte Ladung Lebensfreude hat Englands Star-DJ Fatboy Slim auf seine neue CD "Bem Brasil" gepackt. Denn er ist sei Jahren ein Brasilien-Fan. Und schon ewig ein Fußball-Narr. Also, sagt er im KURIER-Interview, musste er jetzt diesen "Soundtrack für die WM" zusammenstellen.
KURIER: Sie haben neulich im Londoner Parlament aufgelegt. Können die Minister tanzen?
Fatboy Slim: Nicht gut. Es war wie auf einer Hochzeit, wo es nicht genug Alkohol gibt. Aber es war eine Ehre, dorthin eingeladen zu werden, wo sie vor 19 Jahren versucht haben, per Gesetz Raves und die Tanzmusik zu verbieten. Das war ein nette Bestätigung, dass sie uns nicht mehr als verantwortungslose Drogensüchtige sehen und begriffen haben, dass wir für sie einen musikalischen Export in die Welt tragen.
Demnächst auch nach Brasilien. Was werden Sie während der WM alles machen?
Ich werde acht Shows spielen und bei fünf Matches dabei sein. Aber nicht als offizieller WM-DJ. Denn dafür muss man sich für immense Summen bei der FIFA einkaufen. Das ist mir zu teuer.
Wie hat Ihre Liebe zu Brasilien begonnen?
Damit, dass die Brasilianer meine Musik mochten. Deshalb war ich häufig dort und habe meine DJ-Sets gespielt. Fünf Jahre lang war ich jeweils für einen Monat dort. Dabei habe ich mich in diese Musik verliebt.
Was gefällt Ihnen daran?
Schon meine Eltern haben zu Hause sehr viel Bossa Nova und Samba gehört, also bin ich damit aufgewachsen. Und diese Rhythmen sind denen, die ich für meinen Stil benütze, sehr ähnlich. Außerdem geht es dabei immer um das Zusammenkommen und das Feiern der guten Seiten des Lebens – um die kollektive Euphorie. Das ist auch das Wesen der Elektronischen Tanzmusik.
Warum haben Sie diese Tracks nicht alle selbst remixt?
Dafür hatte ich nicht die Zeit. Und dann hätte auch alles gleich geklungen. Eine andere Idee war, dass ich sechs Monate in Brasilien unterwegs bin und mit örtlichen Musiker neue Sachen aufnehme – wie damals Paul Simon für "Graceland". Aber darin bin ich nicht wirklich gut. Weil ich aber sowohl Brasilien als auch die DJ-Szene gut kenne, war ich prädestiniert dafür, beide Welten zusammenzubringen.
Angefangen haben Sie als Bassist der Band Housemartins, die 1986 mit "Cravan Of Love" einen Riesen-Hit hatte. Musikalisch ist das das Gegenteil von dem, was Sie heute machen. Wieso haben sich Ihre Vorlieben so stark geändert?
Ich habe als Teenager Funk geliebt, den man damals "Black Music" genannt hat. Aber ich dachte, ein Weißer in einer Funkband wird nie jemanden überzeugen. Als Weißer aus einem Londoner Vorort musst du Indie-Pop spielen. Das war aber nie wirklich die Musik, die ich geliebt habe. Erst als sie dann Drum-Machines und Sampler erfunden haben, konnten auch wir "Black Music" machen, ohne vorgeben zu müssen, ein Schwarzer zu sein. Dann hieß es auch nicht mehr "Black Music" sondern "Dance Music".
Wie ist das mit den gegensätzliche Inhalten? Die Housemartins hatten sozialkritische Texte, während für Sie jetzt der Spaß im Vordergrund steht.
Als 20-Jähriger denkt man noch, man kann die Welt verändern. Da habe ich meine Erwartungen gesenkt. Jetzt reicht es mir, die Leute zum Lächeln und zum Tanzen zu bringen. Außerdem hatten wir in Paul Heaton einen Sänger, der unsere sozialistischen Ideen sehr pointiert in Songs verpacken konnte. Ohne ihn fiel es mir wesentlich leichter, Musik zu machen, die nur auf Spaß und Alltagsflucht abzielt.
Zu wem werden Sie halten, wenn im Finale der WM Brasilien gegen England spielt?
Keine Sorge, dazu wird es nicht kommen. Derzeit ist das englische Team nicht so gut. Ich denke, das Finale wird zwischen Argentinien und Brasilien ausgetragen.