Stoch springt zum zweiten Olympiasieg
Von Christoph Geiler
Leere Blicke trafen auf Stirnrunzeln. Achselzucken folgte auf Kopfschütteln. Entsetzen paarte sich mit Enttäuschung. Die Körpersprache der österreichischen Skispringer im Auslauf der Gorki-Großschanze machte den Blick auf die Anzeigetafel überflüssig. Nach dem Höhenflug der letzten Jahre sind die österreichischen Adler auf dem harten Boden der Realität gelandet.
Erstmals seit 2005 (WM in Oberstdorf) blieben die erfolgsverwöhnten Springer bei einem Großereignis ohne Einzelmedaille. "Es ist schade, wenn bei solchen Bedingungen Olympische Spiele ausgetragen werden", ärgerte sich Thomas Morgenstern, der als 40. den Finaldurchgang deutlich verpasst hatte.
"Das ist Olympia, da wird der Bewerb durchgedrückt. Dieses Ergebnis spiegelt nicht den Leistungsstandard wider", monierte Gregor Schlierenzauer, der als Siebenter ebenfalls klar hinter seinen goldenen Erwartungen blieb. Einspruch.
Würdiges Podest
Das olympische Siegerfoto war keineswegs ein billiger Schnappschuss. Auf der Großschanze sprangen nur Athleten auf das Stockerl, die schon über den gesamten Winter in anderen Sphären geschwebt waren. Der Pole Kamil Stoch, die souveräne Nummer eins im Weltcup und schon der Gewinner auf der Normalschanze, ist alles andere als ein unwürdiger Nachfolger des Schweizer Doppel-Olympiasiegers Simon Ammann (2010).
Der Slowene Peter Prevc, zweifacher Saisonsieger und die Nummer zwei im Gesamtweltcup, holte nicht von ungefähr Bronze. Und Noriaki Kasai, der japanische Evergreen, der mit 41 Jahren erst im Jänner noch ein Springen gewonnen hat, ist ohnehin ein springendes Phänomen – und die Silbermedaille der verdiente Lohn für die Ausdauer des unermüdlichen Routiniers. Deshalb wäre es auch zu billig, die mittelmäßige bis schwache Performance der Österreicher allein dem Wind in die Schuhe zu schieben.
Tourneesieger Thomas Diethart, der als 32. wie Morgenstern nicht den Sprung ins Finale geschafft hatte, erwischte schlicht nicht seinen besten Tag. "Das war komisch, ist blöd gelaufen und war auch nicht mein bester Sprung. " Thomas Morgenstern war bei diesen wechselnden Verhältnissen noch deutlich die Verunsicherung nach den Stürzen anzumerken. "Ich bin jedenfalls froh, dass ich heil herunten bin." Gregor Schlierenzauer (7.) und Michael Hayböck (8.) hatten ihre Medaillenchancen bereits im ersten Durchgang verspielt.
Der Tiroler Superstar, der mit dem Ziel Einzelgold nach Sotschi gereist war, nahm das Ergebnis diesmal gelassen. "Es hat sich schon ein bisschen abgezeichnet. Mir ist es in diesem Winter nie leicht von der Hand gegangen." Ganz im Gegensatz zum Polen Kamil Stoch, der in diesem Winter in einer eigenen Liga springt und nun sogar Chance auf den historischen Gold-Hattrick besitzt. Denn die polnische Mannschaft ist auch dank Stoch der Mitfavorit für das Mannschaftsspringen am Montag. Auch hier könnte eine rot-weiß-rote Erfolg-Ära zu Ende gehen: Seit 2005 haben die österreichischen Superadler bei Großereignissen alle Teambewerbe gewonnen.
Endstand nach zwei Durchgängen: | ||||
1. | Kamil Stoch | POL | 139,0 / 132,5 | 278,7 |
2. | Noriaki Kasai | JPN | 139,0 / 133,5 | 277,4 |
3. | Peter Prevc | SLO | 135,0 / 131,0 | 274,8 |
4. | Severin Freund | GER | 138,0 / 129,5 | 272,2 |
5. | Anders Fannemel | NOR | 132,0 / 132,0 | 264,3 |
6. | Marinus Kraus | GER | 131,0 / 140,0 | 257,4 |
7. | Gregor Schlierenzauer | AUT | 132,5 / 130,5 | 255,2 |
8. | Michael Hayböck | AUT | 134,0 / 125,5 | 254,7 |
9. | Daiki Ito | JPN | 137,5 / 124,0 | 252,5 |
10. | Reruhi Shimizu | JPN | 130,0 / 134,5 | 252,2 |
11. | Anssi Koivuranta | FIN | 131,5 / 121,5 | 250,6 |
12. | Maciej Kot | POL | 126,0 / 123,5 | 250,4 |
13. | Taku Takeuchi | JPN | 132,5 / 122,5 | 249,3 |
14. | Gregor Deschwanden | SUI | 134,5 / 123,0 | 247,4 |
15. | Jan Ziobro | POL | 128,5 / 129,5 | 246,6 |
16. | Anders Bardal | NOR | 127,5 / 127,5 | 246,5 |
17. | Jernej Damjan | SLO | 130,5 / 124,5 | 245,9 |
18. | Jan Matura | CZE | 131,0 / 121,0 | 244,8 |
19. | Roman Koudelka | CZE | 128,0 / 125,5 | 243,5 |
20. | Jurij Tepes | SLO | 124,5 / 131,0 | 242,2 |
21. | Richard Freitag | GER | 122,5 / 126,5 | 242,1 |
22. | Janne Ahonen | FIN | 126,0 / 123,0 | 241,3 |
23. | Simon Ammann | SUI | 125,5 / 131,0 | 239,2 |
24. | Rune Velta | NOR | 126,5 / 123,5 | 238,7 |
25. | Mackenzie Boyd-Clowes | CAN | 132,0 / 123,5 | 237,9 |
26. | Dimitri Wassiliew | RUS | 130,5 / 144,5* | 235,0 |
27. | Jakub Janda | CZE | 127,0 / 126,0 | 231,6 |
28. | Antonin Hajek | CZE | 128,0 / 124,5 | 225,7 |
29. | Ilmir Hasetdinow | RUS | 124,5 / 125,0 | 220,8 |
30. | Sebastian Colloredo | ITA | 130,5 / 124,5 | 219,6 |
Nicht im Finale dabei: | ||||
32. | Thomas Diethart | AUT | 126,5 | 109,1 |
37. | Robert Kranjec | SLO | 125,5 | 108,1 |
40. | Thomas Morgenstern | AUT | 122,0 | 106,3 |
45. | Andreas Wellinger | GER | 117,0 | 96,6 |