Thema/Olympia-2014

Linger/Linger rodeln zu Silber

Auf einmal waren Andreas und Wolfgang Linger nicht mehr zu bremsen. Ihre Rodel war im Auslauf des Sanki-Eiskanals noch nicht einmal richtig zum Stillstand gekommen, da fuhren auch schon die Emotionen mit den Brüdern Schlitten. Steuermann Andreas trommelte wie wild auf seinen Helm ein und hatte sichtlich Mühe, den Schlitten zu stoppen, der jüngere Bruder Wolfgang ließ die Fäuste sprechen und schrie sich förmlich die Lust von der Seele. Und als dann der Schlitten erst gestoppt hatte, gab es sowieso kein Halten mehr. Wie kleine Kinder tollten die Brüder auf dem Eis herum und die ausgelassene Lingerparty hätte fast den Eindruck erweckt: hier hat gerade zwei Rodlern die große Stunde geschlagen.

Dabei war es eigentlich ja nur Silber nach der Goldmedaille 2006 und der Goldmedaille von 2010.

Nur Silber? "Das ist Silber mit Goldcharakter", jubelte Wolfgang Linger, "diese Medaille ist uns extrem viel wert. Deshalb sind auch so viele Emotionen im Spiel."

Ihren zweiten Olympiasieg in Vancouver hatten die Brüder dagegen vergleichsweise gelassen gefeiert. Aber damals war der Sieg für die Tiroler Doppelsitzer auch ein Selbstläufer gewesen.

Diesmal lag eine Medaille für die Goldhamster keineswegs auf dem Silbertablett. In den letzten beiden Jahren waren die Absamer immer mehr vom Erfolgskurs abgekommen und waren auch durch Materialprobleme aus der Bahn geworfen worden. "Wir waren sehr oft auf dem Holzweg und deswegen waren auch die letzten beiden Tage für uns so grausig", berichtet Andreas Linger, "Wir hatten viele Zweifel: ’geht sich das aus?’"

Umso größer waren deshalb die Freude und die Erleichterung über Rang zwei hinter den Deutschen Tobias Wendl/Tobias Arlt. "Das war eine Medaille mit Ansage, deshalb war’s auch so schwierig. Wir wollten nicht zwei Jahre nur über eine Medaille reden, und dann bei Olympia Zwanzigste werden."

Tränen

Und trotzdem, im Augenblick des persönlichen Triumphs über die Zweifel und die Versagensängste wirkten die erfolgsverwöhnten Brüder dann auch ein wenig nachdenklich. "Wir wären gerne mit unseren Freunden auf dem Siegespodest gestanden", sagte Wolfgang Linger.

Die Freunde sind die Teamkollegen Peter Penz und Georg Fischler, die zur Halbzeit noch an dritter Stelle lagen. Im Finale kamen sie vom Medaillenkurs ab und konnten nur mit Mühe einen Sturz verhindern. "Das ist extrem bitter", stammelte Peter Penz mit Tränen in den Augen. "Das wäre unsere Chance gewesen. 2018 werden wir nicht mehr dabei sein."

Auch die Lingers machen sich keine olympischen Gedanken mehr. Die Medaille in Sotschi war das letzte große Ziel, die Zeichen stehen auf Karriereende. "Das müssen zwei Köpfe und zwei Bäuche entscheiden. Ich habe zwei Söhne, der Andi wird im März Papa. Da relativiert sich einiges."

Ein Ziel verfolgen die Lingers aber noch. Und zwar an der Seite von Wolfgang Kindl und Miriam Kastlunger im Teambewerb. "Bronze", sagt Wolfgang Linger, "Bronze würde uns noch in der Sammlung fehlen."

Rodeln, Doppelsitzer Herren

Gold: Tobias Wendl/Tobias Arlt (GER)Silber: Andreas Linger/Wolfgang Linger (AUT)Bronze: Andris Sics/Juris Sics (LAT)

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Wolfgang Linger (AUT/Silbermedaillengewinner)

"Jede Medaille glänzt gewaltig. Nach den vergangenen zwei Saisonen gegen die Tobis zu verlieren, da muss man sich nicht schämen. Wir haben nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen."

"Es ist nicht von der Hand gelaufen in der vergangenen Woche. Der Speed hat dann zwar gepasst, aber wir hatten immer kleine Patzer drinnen. Da sitzt man dann nicht mit der Selbstsicherheit wie bei den beiden vergangenen Spielen drin."

"Wir werden morgen im Teambewerb voll angreifen, deswegen wird es heute keine große Feier geben."

Andreas Linger (AUT/Silbermedaillengewinner)

"Es war extrem schwer. Was da in den letzten zwei Jahren alles passiert ist. Wir waren da immer wieder am Holzweg. Das Selbstsichere und Souveräne war weg. Das wir das dann beim Highlight wieder rauszaubern."

"In der Teamstaffel ist sehr viel möglich."

Zu Wendl/Arlt: "Zwei super Jungs, eine ganz souveräne Leistung. Die haben sich das verdient, unsere Nachfolger zu werden, wenn man so sagen darf."

Zu Penz/Fischler: "Mir tut das total leid. Sie hätten sich das total verdient. Ich hoffe, dass ihr großes Rennen noch kommt."

Peter Penz (AUT/19.)

"Es war ein dummer Fehler. Wir haben die Sieben einfach zu wenig mitgenommen. Dann ist es blöd gelaufen, aber es wäre sich ohnehin nicht mehr ausgegangen. Entschuldige, dass ich das sage, aber das war Naturbahnrodeln."

"Wir waren so gut beinander, der Schlitten war super eingestellt ... "

Georg Fischler (AUT/19.)

"Wir waren nicht nervös, sondern locker drauf. So etwas passiert einfach."

Zu weiteren Karriereplänen: "Es sind noch einmal vier Jahre, das ist eine lange Zeit. Aus jetziger Sicht machen wir nicht weiter."

Tobias Wendl (GER/Goldmedaillengewinner)

"Wir hatten Riesenspaß hier auf der Bahn. Da hast du fast ein Grinsen im Gesicht, die Bahn ist zugeschneidert für uns."

Tobias Arlt (GER/Goldmedaillengewinner)

"Das ist unglaublich. Das war so ein langer, steiniger Weg für uns und jetzt sind wir so froh. Ich wollte eigentlich schon die Hand rausnehmen in der Zielkurve, weil ich wusste, dass wir oben stehen. Es hat gepasst, wir sind überglücklich."

GOLD (5):
1964 Innsbruck: Josef Feistmantl/Manfred Stengl ( Doppelsitzer)
1968 Grenoble: Manfred Schmid (Einsitzer)
1992 Albertville: Doris Neuner (Einsitzer)
2006 Turin: Andreas Linger/Wolfgang Linger (Doppelsitzer)
2010 Vancouver: Andreas Linger/Wolfgang Linger (Doppelsitzer)
SILBER (7):
1964 Innsbruck: Reinhold Senn/Helmut Thaler (Doppelsitzer)
1968 Grenoble: Manfred Schmid/Ewald Walch (Doppelsitzer)
1992 Albertville: Markus Prock (Einsitzer)
1992 Albertville: Angelika Neuner (Einsitzer)
1994 Lillehammer: Markus Prock (Einsitzer)
2010 Vancouver: Nina Reithmayer (Einsitzer)
2014 Sotschi: Andreas Linger/Wolfgang Linger (Doppelsitzer)
BRONZE (7):
1964 Innsbruck: Helene Thurner (Einsitzer)
1976 Innsbruck: Rudolf Schmid/Franz Schachner (Doppelsitzer)
1980 Lake Placid: Georg Fluckinger/Karl Schrott (Doppelsitzer)
1992 Albertville: Markus Schmidt (Einsitzer)
1994 Lillehammer: Andrea Tagwerker (Einsitzer)
1998 Nagano: Angelika Neuner (Einsitzer)
2002 Salt Lake City: Markus Prock (Einsitzer)