Thema/Olympia-2014

Gold für Matt und Silber für Hirscher

Es ist nun wirklich nicht so, dass Mario Matt sich die Hände gerieben hätte, als er die Verhältnisse von Rosa Chutor gesehen hat. Aber Mario Matt hat sich auf diesem komischen, alten, vollgeregneten, gesalzenen Schnee einiges ausgerechnet: Der 34-Jährige ist ein Spezialist für diese Verhältnisse. Doch die Vorzeichen waren nicht die besten: Drei Ausfälle in den letzten vier Rennen, "beim Nachtslalom in Schladming wollte ich’s erzwingen", Matt schied aus – "danach hab’ ich eine Woche lang die Skier nicht mehr angerührt." Jetzt hat er Olympia-Gold, als ältester Medaillengewinner der alpinen Geschichte.

"Es ist ein Wahnsinn. Ich spüre eine riesige Erleichterung", sagte Matt, der die Basis mit einem famosen ersten Lauf gelegt hatte. 1,28 Sekunden hatte er zwischen sich und Marcel Hirscher gelegt, der das bestätigte, was er die ganze Woche über schon gepredigt hatte: dass der Frühlingsschnee von Rosa Chutor nicht der seine ist. Was manche dem 24-Jährigen als Tiefstapelei ausgelegt hatten, das bestätigte der Salzburger eindrücklich: Dem vierten Platz im Riesenslalom folgte im Slalom am Samstag Platz neun bei Halbzeit. "Das spiegelt die Kräfteverhältnisse aus dem Training wieder. Mario ist einfach brutal schnell auf diesem Schnee, ich kann hier halt nicht schneller fahren."

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Ante-Faktor

Doch dann kam Ante Kostelic, und mit dem Kroaten kam wieder einmal einer jener nicht alltäglichen Kurse, die manche im Herren-Zirkus fürchten, andere aber lieben. Marcel Hirscher brannte auf härterer, aber nach wie vor schwieriger Piste die zweitbeste Zeit (hinter dem Slowaken Adam Zampa) in den schneeähnlichen Untergrund, das brachte ihm die zwischenzeitliche Führung. Nach ihm scheiterten Alexis Pinturault, Felix Neureuther, Ted Ligety und Jean-Baptiste Grange; Mattias Hargin kam mit großem Rückstand durch, auch Stefano Gross verlor Zeit. Und André Myhrer, bei Halbzeit Zweiter, reihte sich in die Schar der ausgeschiedenen Prominenten ein.

Die letzte Frage lautete: Marcel Hirscher, 24, oder Mario Matt, 34? Mario Matt gab die Antwort: Mario Matt! "Irgendwie hab’ ich’s noch runtergebracht", sagte der Olympiasieger, der seit Jahren sein eigener Sponsor ist. Der Besitzer einer Après-Ski-Bar in St. Anton (Krazy Kangaruh), schon 2001 und 2007 Weltmeister und zu Europacup-Zeiten noch mit den alten Zwei-Meter-Skiern unterwegs, er hat es allen noch einmal gezeigt. Unter "alle" fällt auch Kurssetzer Ante Kostelic, dessen Lauf voller Fallen war. "Wir hatten nur 30 Minuten für die Besichtigung, es war so kompliziert gesteckt, dass ich im unteren Teil gar nicht mehr dazu gekommen bin, mir diese Passagen auch noch gescheit anzuschauen."

Lob

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Marcel Hirschers Dank galt der Kälte – und dem Schöpfer des olympischen Finales: "Jeder schimpft über Antes Kurse, aber mit hat er heute den Arsch gerettet, das hab’ ich schon bei der Besichtigung gesehen. Gott sei Dank war es so selektiv, sonst wäre Silber für mich nie möglich gewesen. Denn normalerweise sind 1,28 Sekunden Rückstand auch für mich ein Ding der Unmöglichkeit." Und überhaupt seien die Rätsel auf der Piste in Ordnung gewesen: "Wir fahren hier ja kein Schülerrennen, sondern wir suchen einen Olympiasieger." Der ist gefunden mit Matt, der erstmals bei Olympia erfolgreich war, und damit das Schicksal des versilberten Hirscher teilt. Ein neuer Kandidat stellte sich mit Bronze vor: Schladming-Sieger Henrik Kristoffersen, 19. Sein Trainer ist der Steirer Christian Mitter – der Sohn von Rosa-Chutor-Rennleiter Wolfgang Mitter.

Endstand
1. Mario Matt AUT 1:41,84
2. Marcel Hirscher AUT 1:42,12
3. Henrik Kristoffersen NOR 1:42,67
4. Fritz Dopfer GER 1:42,72
. Stefano Gross ITA 1:42,72
6. Adam Zampa SVK 1:43,28
7. Markus Larsson SWE 1:43,60
. Mattias Hargin SWE 1:43,60
9. Sebastian-Foss Solevaag NOR 1:44,11
. Ivica Kostelic CRO 1:44,11

Bilder vom Olympia-Slalom

Für Reinfried Herbst und Benjamin Raich war ihr letzter Olympia-Slalom schnell vorbei: Der Salzburger Herbst lag im ersten Durchgang mit 69 Hundertstelsekunden Rückstand gut im Rennen, ehe er kurz vor dem Ziel ausschied. "Ich hab’ mich sehr wohlgefühlt, es hat auch Spaß gemacht – aber dann hab’ ich ein Tor zu früh vor dem Ziel die Skier gehen lassen.

Wenn du etwas gewinnen willst, musst du alles geben, das ist mir heute leider nicht aufgegangen, wie so oft schon in dieser Saison." Noch früher als Herbst scheiterte Benjamin Raich mit 86 Hundertstelsekunden Rückstand auf Matt im ersten Durchgang. "Je länger der zweite Lauf ging, desto besser bin ich ins Fahren gekommen", sagte der Pitztaler, "aber wenn man nicht mehr eingreifen kann, wo man sich viel vorgenommen hat, ist das enttäuschend."

Und noch ein Österreicher schied aus: Auch Hubertus von Hohenlohe scheiterte im ersten Durchgang, der 55-Jährige, der nach seinem Crash auf der Reiteralm Mitte Jänner angeschlagen war, konnte kein Resultat für Mexiko holen. In den nächsten Jahren steht dem österreichischen Slalom-Team der große Umbruch bevor: Mario Matt ist 34, Reinfried Herbst 35, Benjamin Raich wird am 28. Februar 36, alle drei werden zumindest bei den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang nicht mehr am Start stehen.

Doch die nachdrängende Jugend ist überschaubar: Neben Junioren-Weltmeister Manuel Feller, 21, drängt sich niemand auf, der eine mittelfristige Perspektive auf Spitzenränge bieten würde. Der Druck auf Vorfahrer Marcel Hirscher, 24, wird dadurch auch nicht geringer.

Mario Matt (AUT/Gold): "Die Fahrerei war eine Katastrophe, aber irgendwie habe ich das doch runtergebracht. Bei Olympia hat es bis jetzt ja noch nicht so geklappt, bin ich erst einmal gestartet und ausgefallen und einmal war ich verletzt. Bei Weltmeisterschaften hat es immer sehr gut geklappt, Gott sei Dank heute auch. In Schladming war ich viel nervöser, da wollte ich es erzwingen. Ich war die ganze Saison immer schon schnell. Der Ausfall in Schladming hat mich schon sehr belastet. Es ist einfach eine große Erleichterung, ein Wahnsinn, wie das heute aufgegangen ist. Es ist genial. Beim Besichtigen habe ich das letzte Drittel vom Kurs gar nicht genau anschauen können, weil die Besichtigungszeit für diesen Lauf so knapp war. Ob ich nächste Saison auch noch fahre, lasse ich offen. Heute ist ein Riesenziel - ein Traum - in Erfüllung gegangen."

Marcel Hirscher (AUT/Silber): "Ich habe mir nichts mehr ausgerechnet gehabt, 1,28 Sekunden Rückstand sind sogar für mich ein Ding der Ummöglichkeit. Gott sei Dank ist es härter geworden und wir mussten nicht mehr hier im Gatsch herum fahren. Jetzt haben wir Gold und Silber, ich bin brutal erleichtert. Das Übergepäck zahle ich gerne. Wie ich die Kurssetzung von Ante Kostelic gesehen habe, habe ich von oben bis unten einen Grinser im Gesicht gehabt. Gott sei Dank war der zweite Lauf so selektiv, wir suchen ja die olympischen Champions und fahren kein Schülerrennen. Mario kann jetzt verdient aufhören (lacht)."

Henrik Kristoffersen (NOR/Bronze): "Der erste Lauf war wirklich schlechtes Skifahren. Mit Kostelic und diesem zweiten Lauf wurde es dann wirklich gut. Jetzt stehe ich hier mit Bronze, es ist unglaublich. Die Erwartungshaltung war nicht zu groß, ich bin zwar jung, aber das ist Skifahren - das mache ich schon 15 Jahre. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."

Hans Pum (ÖSV-Sportdirektor): "Es war ein großartiger Abschluss. Immer wenn Ante (Kostelic) setzt, sind auch unsere Athleten vorne dabei. Es sind immer schwierige Läufe, man muss mit dem Kopf fahren. Ich muss den Trainern wirklich gratulieren, sie haben die Athleten hervorragend eingestellt. Ich freue mich sehr für die beiden. Mario (Matt) hat wenig Nerven, der lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, teilt sich den Lauf genau ein und setzt das bei Großereignissen auch um. Marcel (Hirscher) ist einzigartig im Slalom, er hat hier genau seine Schnelligkeit und Technik ausgespielt. Es freut mich sehr, dass sich das auch bei ihm noch mit einer Medaille ausgegangen ist."

Der 22. Februar 2010 geht mit zwei Gold-, einer Silber- und zwei Bronzemedaillen als zweit-erfolgreichster Tag bei Olympischen Spielen in die österreichische Sportgeschichte ein. Erfolgreicher war nur der 20. Februar 2006 in Turin mit drei Gold-und zwei Bronzemedaillen. Genauso erfolgreich wie an diesem Samstag waren Österreichs Athleten auch am 9. Februar 1992 in Albertville.

Dank Gold von Mario Matt (Alpin-Slalom) und Julia Dujmovits (Snowboard-Parallel-Slalom), Silber von Marcel Hirscher im Slalom sowie jeweils Bronze durch Benjamin Karl (Snowboard-Parallel-Slalom) und der Biathlon-Staffel durften sich Österreichs Sportfans am vorletzten Tag der Olympischen Winterspiele in Sotschi über fünf Medaillen freuen.

Der erfolgreichste Tag der rot-weiß-roten Olympia-Geschichte datiert von 20. Februar 2006, als Benjamin Raich im Riesentorlauf, Michaela Dorfmeister im Super-G und das Skispringer-Team mit Andreas Widhölzl, Martin Koch, Andreas Kofler und Thomas Morgenstern jeweils Olympia-Gold gewonnen hatte. Bronzemedaillen holten damals Hermann Maier im Riesentorlauf und Alexandra Meissnitzer im Super-G.

Am 9. Februar 1992 gewannen in Albertville Patrick Ortlieb in der Abfahrt und Skispringer Ernst Vettori von der Normalschanze Gold, Martin Höllwarth hinter Vettori Silber sowie Günther Mader in der Abfahrt und Eisschnellläuferin Emese Hunyady über 3.000 m Bronze.