Thema/Olympia-2014

Ein bunter Hund und seine Silbermedaille

Eine Medaille hat nicht nur eine Kehrseite, sie hat auch ein Verfallsdatum. Und in manchen Fällen gerät ein Olympia­held schon nach wenigen Wochen wieder in Vergessenheit. "Mir war damals klar, dass nach Olympia in den vier Jahren bis zu den nächsten Spielen nicht mehr viel passieren wird", erinnert sich Martin Rettl, der 2002 in Salt Lake City Kopf voraus zur Silbermedaille im Skeleton geflitzt war.

Dabei hatte sich der Tiroler damals große Mühe gemacht, die Blicke auf sich zu ziehen. Zumindest während der Spiele in den USA war Rettl dank seiner originellen Frisuren und lockeren Sprüche bekannt wie ein bunter Hund. ORF-Reporter Sigi Bergmann ließ sich damals sogar zum mittlerweile legendären Spruch hinreißen: "Martin Rettl wechselt seine Haarfarbe wie ich meine Unterhosen – nicht, dass sie glauben, dass ich ein Saubartl bin. Aber man sah ihn schon an drei aufeinanderfolgenden Tagen mit drei verschiedenen Haarfarben."

Couch von der Heimatgemeinde

Rettl hat damals das Rampenlicht genossen. "Durch Olympia war für kurze Zeit eine Aufmerksamkeit für mich und den Skeletonsport da", erzählt der Cheftrainer der österreichischen Skeletonpiloten, "aber das hat sich bald wieder gelegt."

Auch versilbern ließ sich die Silbermedaille nicht wirklich. "Ich hab’ nicht wirklich davon profitieren können: Es gab die offizielle Prämie vom ÖOC, dazu hat mir meine Heimatgemeinde Zirl noch eine Couch geschenkt, das war’s. Ich habe mich aber trotzdem nie als Sportler zweiter Klasse gefühlt."

Rettl war seinerzeit noch ein Teilzeitsportler. Notgedrungen, weil er als hauptamtlicher Skeletonfahrer finanziell nie über die Runden gekommen wäre. Schon damals war der Tiroler als Fluglotse im Einsatz und musste zwischen Tower und Eiskanal hin und herpendeln. "Ich habe ein gutes Zeitmanagement gebraucht", erinnert sich Martin Rettl, "heute wäre so was undenkbar. Der Zeitaufwand ist einfach viel größer geworden."

Das zeigt sich vor allem bei den Startzeiten der aktuellen Skeleton-Generation. Die Piloten von heute würden auch bei Leichtathletik-Meisterschaften eine gute Figur abgeben. "Bei uns sind Leute dabei, die die 100 Meter in 10,2 runtertrommeln", weiß Matthias Guggenberger, der nach zwei Läufen bei Olympia an 16. Stelle liegt. "Bei uns ist die Dichte extrem."

Lady-Cup

Insgesamt ist der Skeletonsport mittlerweile in der Erfolgsspur unterwegs. Im Gegensatz zum Kunstbahnrodeln, wo die Top-Nationen an einer Hand abzuzählen sind, ist Skeleton international. Von Neuseeland bis Kanada, von Großbritannien bis Lettland. Und auch das Damen-Skeleton hat maßgeblich zum Aufschwung beigetragen. Martin Rettl erinnert sich an die EM vor Jahren in Innsbruck, als erstmals auch die Damen durch den Eiskanal flitzen durften. "Bei den Männer war’s die EM, bei den Damen hat’s Lady-Cup geheißen."