Thema/mutgeschichten

In ein Leben passt mehr als irgendeine Arbeit

Am Tag, an dem Marcel Ebmer den Eltern von seiner Kündigung erzählte, jubelten sie. Ihr Sohn, der Pilot, hat einen neuen Job als Softwareentwickler. Die erste Berufswahl ist nicht immer richtig – und schon gar nicht endgültig. Auch nicht, wenn es Jobs sind, die hoch angesehen sind – wie Pilot oder Krankenschwester.

Menschen setzen ihren Wunsch nach einem neuen Beruf eher um, wenn das Ausbildungssystem flexibel ist und der Arbeitsmarkt stärker auf allgemeine Erfahrung als auf Zertifikate setzt. Das zeigt eine aktuelle Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Jedes Jahr wechseln 3,4 Prozent der Deutschen den Beruf – die Hälfte allerdings unfreiwillig. In Großbritannien sind es drei Mal so viele, 80 Prozent tun es dort freiwillig. (Anm.: Für Österreich gibt es keine Zahlen, sie dürften etwa jenen Deutschlands entsprechen). Der Grund: In Deutschland orientiert sich der Arbeitsmarkt an Berufszertifikaten, in Großbritannien zähle vor allem die Arbeitsmarkterfahrung.

Das erleichtert den Wechsel. Der sich lohnt: In beiden Ländern verdienen die Arbeitnehmer im neuen Beruf mehr.

"Viele bleiben beim Unbefriedigenden, als das Unbekannte, Erfüllende zu versuchen." Alexander Kaiser, Berufungscoach


Für Marcel Ebmer gilt das nicht, 40 Prozent weniger steht nun auf dem Gehaltszettel, dennoch entschied er sich für den Umstieg – Geld war nie ein Kriterium für Idealisten. Im Jahr 2000, nach einem Semester Maschinenbau an der TU Wien bewarb er sich bei Austrian Airlines (AUA) – mit Erfolg. Im September 2001 geriet die Branche in eine ernste Krise. „Eigentlich hieß es ab da immer: Wir müssen sparen, ihr seid zu teuer. Ständig war diese latente Jobangst da“, beschreibt er. Ebmer entschied sich gegen die Resignation – er handelte. Schon in der Schule hatte er Freude am Programmieren gehabt. Bei der AUA erstellte er mit einem Kollegen ein Dienstplanportal. Er bewarb sich als Quereinsteiger bei Ubimet – und erhielt dort eine Stelle als Softwareentwickler.

Die hohe Unzufriedenheit der Ist-Situation vereine alle Berufswechsler, sagt WU-Professor Alexander Kaiser. Er unterstützt als Berufungscoach dabei, einen neuen Weg zu finden. Permanente Überlastung, weil Beruf und Umfeld nicht ihrer Persönlichkeit entspricht, führe die Klienten zwischen 16 und 60 Jahren zu ihm. „Oder sie sind unterfordert, suchen nach Sinn in ihrem Beruf“, sagt er.

Carina Ben Zetoun-Weiss hatte als Kind klare Vorstellungen von ihrer Zukunft: Sie wollte Krankenschwester werden und weg aus Spielberg. Also besuchte sie die Krankenpflegeschule, war dann auf der Intensivstation tätig. Nach einem Jahr merkte sie, dass ihr zum Glück etwas fehlte: „Ich habe lange überlegt, bin in mich gegangen.“ Ein Freund erzählte ihr von seinem Publizistik-Studium. Sie sagt: „Da wusste ich, das ist das Richtige für mich.“

Auch Alexander Kaisers Klienten suchen nach dem Richtigen. Unter ihnen hoch bezahlte Manager. „Einer meiner Klienten war Bankenmanager. Heute macht er Sozialprojekte, weil es ihn erfüllt“, erzählt er. Leute wie er hätten die größte Hürde zu überspringen, „nämlich den Verzicht auf den Lebensstandard. Das ist für viele schwierig.“

Zurück an den Start

Wer den Beruf wechseln will, muss sich im Klaren sein: Es braucht Mut und viel Energie. Denn man fängt wieder bei null an, meist mit einer weiteren Ausbildung. Das mündet häufig in eine Doppelbelastung. Ben Tezoun-Weiss studierte ein Jahr neben ihrer Vollzeittätigkeit im Krankenhaus. „Ich bekam wenig Schlaf“, erinnert sie sich. Sie nahm Bildungskarenz, schrieb ihre Bachelor-Arbeit in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule, begann ihre Karriere dort mit einem Praktikum.

Eine weitere Hürde sei die Unsicherheit: „Viele bleiben lieber beim Bekannten, Unbefriedigenden, als das Unbekannte, vielleicht Erfüllende zu versuchen“, so Kaiser. Die meisten, dievon vorn beginnen, seien zwischen 40 und 50 – „sie haben noch genug Energie und Zeit, bei Null anzufangen. Ab 50 wird es schwieriger.“ Auch Ebmer und Ben Zetoun-Weiss machten sich Gedanken, wie der Arbeitsmarkt auf sie reagieren würde. Immerhin waren sie älter als viele Bewerber, hatten keine Branchenerfahrung.

Hürde

Für Personalberaterin Manuela Lindlbauer eine Hürde, die nicht zu unterschätzen ist. Die Unternehmen würden Quereinsteigern kaum Chancen geben. „Man will effiziente Leute, die einen Return on Investment bringen. Der Deal ist: Gehalt gegen Know-how.“ Der Quereinsteiger könne nur durch Persönlichkeit punkten. „Man muss kreativer, engagierter, hartnäckiger sein als die Konkurrenz“, so Lindlbauer.

Gut, dass es Firmen gibt, die auch Quereinsteigern Chancen geben – und sie dann auch nicht mehr missen wollen. Carina-Ben Zetoun-Weiss und Marcel Ebmer hatten Zweifel beim Umstieg. Bereut haben sie ihre Entscheidung aber keineswegs.

Wenn der Entscheid, Neues zu beginnen, nach vielen schlaflosen Nächten gefallen ist, schlägt die Stunde der Ungeduld. Schon am nächsten Tag soll das neue Leben beginnen. Aber Geduld, nichts überstürzen und alles der Reihe nach:

Eine Kündigung muss nicht zwingend schriftlich sein, aber es wird empfohlen. Die Fristen sind bei Angestellten und Arbeitern unterschiedlich: Bei Angestellten endet die Kündigungsfrist – wenn nicht anders vereinbart – nach einem Monat, zum Monatsletzten. Sie kann bis zu sechs Monate dauern. Bei Arbeitern: In der Gewerbeordnung und im AGBG sind 14 Tage vorgesehen. Die zwei Wochen sind aber nicht zwingend, die Kündigungsfrist kann kürzer oder länger sein – je nach Kollektiv- oder Arbeitsvertrag. Die Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist: Verlust des Urlaubsanspruches, Schadenersatz und bei Arbeitern der Verlust von Sonderzahlungen.

Die Konkurrenzklausel verbietet dem Arbeitnehmer, nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Geschäftszweig des Unternehmens bei der Konkurrenz zu arbeiten. Die Konkurrenzklausel gilt maximal für ein Jahr und sie darf den Arbeitnehmer nicht in seinem beruflichen Vorwärtskommen hindern. Sie gilt auch nur, wenn der Arbeitnehmer kündigt oder das Dienstverhältnis einvernehmlich gelöst wird.