Anti-Model: Zuerst kam die Kopfrasur, dann der Durchbruch
Von Maria Zelenko
Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Zum Interview erscheint Jazzelle Zanaughtti in Mantel und Hose im Tigerfell-Look, unter dem hautfarbenen Oberteil scheint der BH durch. An den nur wenigen Zentimeter langen platinblonden Haaren sind im Nacken ein Meter lange Cornrows angebracht. Der viele Goldschmuck glitzert mit ihrem Make-up um die Wette. Die 23-Jährige gehört zu den aktuell meistgefeierten Models der Branche, obwohl sie nicht dem Klischee entspricht. Oder gerade deshalb.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals als Model arbeiten werde", sagt die US-Amerikanerin im Gespräch mit dem KURIER. "Aber hier sind wir." Zanaughtti wurde von Mercedes-Benz für das interaktive Event How to – Fashion Story engagiert, welches Interessierten die Möglichkeit bietet, eine neue Fähigkeit zu erlernen. Der Startschuss fiel in Oslo, wo dieses Mal der Trendtanz Voguing gelehrt wurde.
Dass sie jemals ein Land außerhalb der USA bereisen würde, war für Zanaughtti bis vor wenigen Jahren unvorstellbar. "Ich lebte in Chicago, hatte dort viele Probleme und dann lief der Vertrag für meine Wohnung aus. Ein Freund bot mir an, bei ihm in New York unterzukommen", erinnert sich die gebürtige Detroiterin.
Ein Foto ändert alles
Kurz vor ihrem Umzug 2016 beschloss sie, ihren langen Afro zu einer Glatze zu rasieren – und postete davon einen Schnappschuss auf Instagram. Einen Tag später schrieb ihr der britische Starfotograf Nick Knight, der Topmodels wie Kate Moss und Naomi Campbell vor seiner Linse hatte. Er mochte Zanaughttis außergewöhnlichen Look – und läutete mit diesem Job-Angebot ihre Karriere ein.
Seit damals ist viel passiert. Die 23-Jährige war in Nike-Kampagnen zu sehen und lief bei der New York Fashion Week für Rihannas Savage x Fenty-Modelinie. Über eine halbe Million Menschen folgen ihr auf Instagram (@uglyworldwide), wo sie ihre Achselhaare und verrückte Beauty-Looks zeigt.
Ob sie schon immer so selbstbewusst war? "Nein, ich kämpfe nach wie vor damit", gibt Zanaughtti zu. Den Modeljob redet sie im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen nicht schön: "Es ist sehr hart, du selbst zu bleiben. Du stehst unter ständigem Druck, jemand sein zu müssen, den die Kunden wollen. Das Model-Business kann dein Selbstbewusstsein kaputt machen." Vor allem mit der konstanten Ablehnung im Job musste sie lernen, umzugehen. "Mittlerweile sind mir solche Dinge egal. Die richtigen Leute akzeptieren mich wie ich bin – und arbeiten deshalb gerne mit mir zusammen."
Vielfalt muss sein
Das Model ist – wenig überraschend – eine Unterstützerin der Body-Positivity-Bewegung, warnt jedoch vor einer militanten Auslegung. "Wenn du deine Cellulite, die auch ich habe, lieben willst – toll! Aber wenn du sie nicht magst und etwas an deinem Körper ändern willst, dann ist das auch vollkommen ok. Bei Body Positivity geht es um niemanden außer dich."
Für die Modebranche sei der einzige Weg nach vorne, Menschen mit verschiedenen Körperformen zu integrieren. "Wir als Gesellschaft haben dank des Internets eine Stimme bekommen. Wenn ein paar weiße Männer entscheiden, was als schön gilt und uns das nicht gefällt, wird die Welt davon erfahren", sagt Zanaughtti. "Modehäuser realisieren langsam, dass sie auf Kundenwünsche eingehen müssen. Die Menschen wollen eingebunden werden. Sonst werden sie deren Zeug einfach nicht mehr kaufen."