Stars

Eine Queen zum Tanzen und zum Knuddeln

Man muss schon ein Experte sein, um unter den Dutzenden Kutschen, die sich da im Morgengrauen dem Buckingham Palast nähern, DIE eine ausfindig zu machen. Doch, wer sich um diese Uhrzeit – also knapp nach fünf Uhr Früh – am Straßenrand postiert, der erkennt den rot-goldenen Landauer mühelos, auch wenn er jetzt noch ohne königliche Besatzung durch die Straßen rollt.

Seit Tagen wird frühmorgens im Londoner Regierungsviertel marschiert, paradiert, in Formation geritten. Da ziehen irische und schottische Garden im Gleichschritt durch die Straßen, der gesamte königliche Fuhrpark rollt vor. Nur die Militärkapellen spielen – aus Rücksicht auf die Uhrzeit – noch ziemlich tonlos ihre Märsche.

Seit drei Uhr Früh sei er auf den Beinen, erzählt ein junger Gardeoffizier in Galauniform der BBC. Schließlich sei es für ihn das erste Queen-Jubiläum, und er wollte pünktlich da sein. Die älteren Semester hätten ja schon ein oder zwei von diesen Feierlichkeiten absolviert. Im Vergleich zu den Kollegen von der Marine habe er es trotzdem bequem: "Die sind um Mitternacht aufgebrochen, um rechtzeitig in London zu sein."

Für die Marine gibt es nicht nur Paraden zu proben. Sie hat an diesem Sonntag vor allem auf dem Wasser einiges vor. Schon jetzt am Morgen ziehen drunten auf der Themse unzählige Boote ihre Kreise zwischen London Bridge und Tower Bridge.

Bisher aber war nicht allzu viel zu sehen, von den venezianischen Gondeln, den Drachenbooten, den legendären Kriegsschiffen der britischen Marine, die am Sonntag die Themse bevölkern werden.

Seit 1662, vermerkt die Homepage des Königshauses, habe es eine solche Flottenparade nicht mehr geben. Der rollende Fuhrpark, die Militärkapellen und die Garden sind am Dienstag dran. Dann wird die königliche Familie in besagtem Landauer vorfahren.

Kein schlechtes Wort

Es wäre nicht England, hätte sich an der königlichen Kutsche nicht längst eine Debatte entzündet. Übergroße Bescheidenheit beklagen die konservativen, königstreuen Zeitungen. Hätte man nicht die goldene Kutsche ausführen können, wie bei all den bisherigen Jubiläen ihrer Majestät? "Könnten wir uns nicht über ein bisschen mehr Prunk freuen, bei einer solchen Gelegenheit?", meint etwa die Daily Mail gekränkt.

Doch abgesehen von solchen tragischen Kleinigkeiten gibt es kaum ein schlechtes Wort über das Jubiläum zu lesen oder zu hören. Die Briten, geplagt von Wirtschaftskrise und Sparpolitik, wollen sich diese Feier nicht verderben lassen.

Die Stadt gehört seit Tagen der Königin. Kaum ein Schaufenster, in dem nicht ihr Bild zu sehen ist: Auf Torten, T-Shirts, Polstern, als Blumengesteck und sogar auf String-Tangas. Die Union-Jack-Flagge beherrscht das Straßenbild, ob sie nun haushoch vor den eleganten Kaufhäusern der Regent Street hängt oder auf Kinderwägen und Schirmkappen steckt.

In den Pubs gibt es die Pint samt Queen-Porträt und gleich einen Diamond-Jubilee-Burger dazu. Wer mehr Geld für dauerhafte Werte ausgeben will, investiert in Jubiläums-Teekannen, Kaffeedosen oder Handtuch-Sets.

Straßenfeste

Die Feierstimmung macht sich nicht nur in Geschäftsstraßen und Souvenirläden breit. Wer durch die kleinen Gassen des Westend spaziert, erlebt überall letzte Vorbereitungen: Tische und Sessel werden auf die Straßen getragen, in Lieferwagen rollt überall Nachschub an Bierfässern und Gläsern an.

Fast tausend Straßenfeste sind allein in London für Sonntag angemeldet. "The big lunch" heißt das Motto, der Rest ist den Veranstaltern überlassen. Da lädt die Kirchengemeinde zu hausgebackenem Kuchen und Tee und ein paar Gassen weiter eine Homosexuellen-Initiative zum Disco-Gehopse samt muskelbepackten Kellnern im knappen Schürzchen. Weil Toleranz zur britischen Lebensart gehört, lässt da einer den anderen nach seiner Art feiern. Ob man sich mehr für die Königin begeistert oder für die Party, bleibt jedem Einzelnen überlassen. "Auf jeden Fall", meint ein Bierlieferant voller Vorfreude, "wird es ziemlich lustig in den nächsten Tagen."

„Die Queen ist für viele wie eine Vertraute“

Ingrid Seward ist eine der prominentesten Expertinnen für das britische Königshaus. Sie hat Bestseller über die Queen oder Prinzessin Diana verfasst, ist Herausgeberin des Magazins Majestic, das sich ausschließlich mit den Royals beschäftigt und wird nach unzähligen königlichen Ereignissen auch das Thronjubiläum für den amerikanischen Sender CBS kommentieren. Mit dem KURIER sprach sie über ...

... die Stimmung vor dem Jubiläum Die Menschen sind in bester Stimmung. Sie wollen feiern, einfach, weil sie dieses Ereignis als ausschließlich positiv empfinden, und das ist heute in Großbritannien etwas Seltenes. Selbst die Medien, die sonst jede schmutzige Anekdote ausgraben, berichten fast nur positiv, weil niemand jetzt etwas Negatives über die Queen hören will.

... die Bedeutung der Queen Sie steht einfach über all dem, was die Briten heute an ihrem Land ärgert, was sie verzweifeln lässt. Königin Elizabeth II. hat 60 Jahre ihres Lebens diesem Land gewidmet. Sie ist die Monarchie und gibt uns das Gefühl von Kontinuität, einfach weil sie in der Erinnerung der meisten schon immer da war. Für viele ist sie wie eine Vertraute, die man vor allem für ihr unerschütterliches Pflichtgefühl bewundert.

. . . die anderen Mitglieder des Königshauses: Kate und William sind die neuen Hoffnungsträger. Sie sind so frisch, jung und unverbraucht, geben den Menschen ein Gefühl von Zukunft, von Optimismus, gerade in diesen schweren Zeiten.

Prinz Harry ist einfach der Joker, den eine königliche Familie eben braucht, weil er die menschliche Seite der Royals zeigt. Eigentlich ist er der, den die Menschen am liebsten haben. In ihm sehen sie den Kumpel, über dessen Dummheiten man auch einmal lachen kann.

... die Popularität der Royals Das Königshaus hat schwere Zeiten durchgemacht, vor allem nach dem Tod Dianas. Damals war das Königshaus so unpopulär wie nie zuvor. Das ist heute ganz anders, nicht nur wegen Kate und William, auch weil den Briten andere Autoritäten fehlen. Unsere Politiker respektieren wir ja längst nicht mehr.

... die Frage der Thronfolge Natürlich rufen jetzt die Medien nach William als Thronfolger, weil ihn die Menschen mögen. Aber Thronfolge ist keine Frage von Beliebtheit. Das ist eine Erbmonarchie und daher steht Charles als Thronfolger fest. Und ich bin überzeugt, dass er ein guter König wäre. Er hat alles, was ein guter Monarch braucht: Würde, Humor, Ideale ... die Menschen würden ihn mögen.

Die Frage ist allerdings, ob er dieses Erbe überhaupt antreten kann. In dieser Familie ist Langlebigkeit ausschließlich bei den Frauen zu finden.