Autor Omar Khir Alanam: Wie Integration funktionieren kann
Von Lisa Trompisch
Als junger Mann flüchtete er aus seiner vom Bürgerkrieg gebeutelten Heimat Syrien, kam 2014 auf der Balkanroute nach Österreich. Deutsch lernte er in nur wenigen Monaten durch Youtube-Videos und indem er einfach Leute auf der Straße in Gespräche verwickelte. Mittlerweile hält Omar Khir Alanam Workshops ab, ist Poetry-Slamer, Kabarettist und Buchautor.
Er gilt als Paradebeispiel für perfekte Integration – mitunter ein großer Druck, der auf seinen Schultern lastet, mit dem er aber umzugehen gelernt hat. "Ich lebe zwischen den Kulturen und zwischen den Welten. Dadurch werde ich in eine Schublade gesteckt und bekomme ein Gesicht: Positiv oder eben umgekehrt, negativ", erzählt er in der KURIERTV-Sendung "Herrlich ehrlich – Menschen hautnah".
„Ich hab gelernt, das für mich zu brechen und mich darauf zu konzentrieren, wie ich mich wahrnehme und somit spüre ich nicht mehr diesen Druck, der von der Welt auf mich projiziert wird. Weil die einen wollen in mir natürlich das voll positive Vorzeigebeispiel sehen und die anderen das gefährliche Gesicht.“
Heimat ist ein Gefühl
Heimat ist für ihn ein Gefühl und viel mehr als nur ein Ort. "Und letztendlich ist Heimat auch wiederum eine Entscheidung", so Alanam. Immer wieder will man ihm erklären, dass er aufgrund seiner ursprünglichen Herkunft kein Österreicher ist, auch vonseiten syrischer Mitmenschen kommen Vorwürfe, er wäre kein Araber mehr, wäre zu westlich, hätte seine Kultur abgelegt. "Heimat ist für mich zu definieren und nicht von anderen vorzugeben."
Jetzt hat er sein fünftes Buch geschrieben, er widmet sich in "Gspusis, Gspür und wilde Gschichtn" (edition-a; 22 Euro) der Liebe in all ihren Formen und den Unterschieden und Ähnlichkeiten der syrischen und österreichischen Kultur. Man erfährt darin viel über arabische Gegebenheiten, Ansichten und Wertvorstellungen.
Zum Beispiel, dass Kabaretts in Syrien was ganz anderes sind als hierzulande – nämlich Nachtklubs. Oder dass es in Syrien nicht als schicklich gilt, einfach eine Frau, die einem gefällt, auf der Straße anzusprechen, man(n) bittet, wenn man(n) sich wirklich sicher ist, dass sie die eine ist, seine Mutter, bei ihr und ihren Eltern vorstellig zu werden und um ihre Hand anzuhalten.
Ehe auf Zeit
Aber, Doppelmoral lässt grüßen, denn es gibt auch die Ehe auf Zeit, die sogenannte "Mut’a-Ehe". Eine vertragliche Vereinbarung, die den beteiligten Parteien offiziell erlaubt, intim zu werden. Bei den Sunniten wiederum ist das aber streng verboten.
"Die wortwörtliche Übersetzung ist ,Genussheirat‘. Ich formulier es mal vorsichtig, ein Plus für die Kreativität, ein Minus für die Ehrlichkeit. Es gibt Regeln, damit wir kreativ sind, um die Regeln zu brechen. Ein Freund hat mich einmal gefragt, wie sich das von Prostitution oder Sexarbeit unterscheidet. Da gibt es nicht wirklich Unterschiede", erzählt Alanam.
Auch gibt es im arabischen Raum oft eine verzerrte Vorstellung der westlichen Welt, vor allem, was die Sexualität und die Offenheit betrifft. Sex auf der Straße – wie man will, wann, wo und mit wem man will. "Das zeigt, dass Vorurteile in alle Richtungen funktionieren. Und natürlich hat das mit Vorurteilen zu tun, aber nicht mit der echten Realität", sagt er.
Wichtigkeit der Sprache
Aber kann dann Integration überhaupt funktionieren? Ja, ist sich Omar Khir Alaman sicher – und zwar "aus der eigenen Geschichte". Und dabei spielt auch die Sprache eine ganz wichtige Rolle. So heißt das letzte Kapitel seines Buches auch "Sprache als Werkzeug des Friedens“".
"Wir brauchen die passende Sprache, die sehr kritisch ist, aber versöhnend und somit suche ich nach dem Frieden und nicht nach einer Sprache, die Hetze oder Hass schürt."
Er arbeitet in seinen Workshops viel mit jungen, 14- bis 18-jährigen Menschen. "Ich kann sie genau dort abholen, wo sie sind, ich beherrsche die Sprache. Ich weiß, wie ich zu argumentieren habe, wenn sie Argumente einbringen, die eh keine Argumente sind. Ich habe die passende Sprache dafür und ich hole sie genau dort ab, wo sie sind. Und dann hab ich die Möglichkeit, weiterzukommen", so der Autor.
"Und man soll es nicht schönreden, die Probleme sind da. Es geht auch um meine Zukunft und die Zukunft meines Kindes. Deshalb setze ich mich dafür ein. Was ich mir wünsche, dass es mehr wahrgenommen wird und ich in dieser Arbeit auch mehr unterstützt werde, auch auf einer politischen Ebene."
Er will nicht Belehrer, sondern viel mehr Inspiration sein. "Ich hatte die Möglichkeit, an mir zu arbeiten und etwas an mir zu verändern. Und das versuche ich auch anderen zu bieten."
Das ganze Gespräch gibt’s im Video oben.