Zwischen Kunst und Trash: Die WM-Songs 2018
Von Radoslaw Zak
Über Musikgeschmäcker lässt sich streiten, so auch über die Fußballhymnen des Sommers. Seit Jahrzehnten erblicken spezielle Lieder zu Großereignissen das Licht der Welt und erfreuen oder verstören die Zuhörer im Radio, auf Partys oder in den Stadien.
Den offiziellen WM-Song sangen Nicky Jam, Will Smith und die kosovarische Sängerin Era Istrefi ein, er trägt den Titel "Live It Up." Für Sponsor Coca-Cola sang Jason Derulo das Lied "Colors".
Deutschland
Bei unseren Nachbarn gibt es eine Flut von WM-Songs, die in ihren Videos nicht unbedingt einen Fußballbezug haben, wie bei Vivien Behr, einer ehemaligen Kandidatin der Castingshow " Deutschland sucht den Superstar." Jérôme Boateng, eine Stütze in der Verteidigung des DFB-Teams, nahm gemeinsam mit dem britischen Comedian Jack Whitehall den Track "Mannschaft" auf, auf dem der Kicker auch seine Rap-Skills mit Zeilen wie "I beat up the track like we beat Brazil" unter Beweis stellt.
Im Video werden deutsche Klischees bedient, Kollegen wie Mario Götze und Thomas Müller nehmen ihr Heimatland ebenfalls aufs Korn.
Obwohl das ÖFB-Team sich nicht qualifizieren konnte, gibt es bei unseren Nachbarn eine österreichische Note. Schlagersänger Andreas Gabalier nahm für den Radiosender Antenne Bayern inmitten von Deutschland-Flaggen eine WM-Hymne mit Ausrufen wie " Jogi, Jogi, Jogi Löw" und "Hodi odi ohh di ho di eh" auf.
Die nordrheinwestfälische Radio-Station 1Live vermittelte eine Zusammenarbeit von Comedian Daniel Danger mit dem Sänger und Songwriter Daniel Giesinger. Die Frucht ihrer künstlerischen Kooperation trägt den Titel "Wir sind deutscher Weltmeister". Der Song ist deutschlandweit auf Partys und beim Public Viewing zu hören.
Schweiz
Für Empörung sorgte der offizielle Teamsong der Schweizer Auswahl. Nicht weil er auf Spanisch gesungen wird, sondern voll von sexistischen Klischees ("Du bewegst dich lecker") und Verherrlichung von Alkoholkonsum ("Ich betrinke mich auf der Erde und erwache auf dem Mond") ist. Die Tageszeitung Blick stellte die Frage, ob er "Schwachsinn oder Zeitgeist" sei.
Der Verband SFV musste mehrmals dazu Stellung nehmen, Sprecher Marco von Ah wies darauf hin, dass man dem Künstler und seinem Management vertraute und man "einzelne Textzeilen nicht isoliert betrachten sollte". Auch DJ Antoine verteidigte sein Werk: "Er ist modern, widerspiegelt den Zeitgeist. Wenn man sich zum Beispiel den Riesenhit ‚Despacito’ anhört, dann klingt es dort sehr ähnlich. Auch bei unserem Stück geht es um Liebe, Leidenschaft, gute Stimmung . Alles Dinge, die für mich zum Fußball gehören. Ich finde, es ist ein lässiger Song geworden."
Island
In deutscher Sprache singt die oberfränkische Gruppierung "Der Isländer". Es geht um den berühmten Fan-Schlachtruf "Huh", Schiffe, Feinde, Zusammenhalt und kalte Nächte. Ob die bisher über 70.000 Views auf YouTube von Isländern stammen, ist nicht bekannt.
Polen
Mit Folk Rock und Lobeshymnen auf Adam Nawalkas Auswahl versucht die Band InoRos die polnischen Fans zu überzeugen, mehr Views hat Czadoman, ein bekannter Vertreter der populären Musikrichtung Disco Polo vorzuweisen.
Der 71-Jährige mit einer Baritonstimme ausgestattete Komponist Krzysztof Krawczyk feiert knappe drei Minuten lang Startstürmer Robert Lewandowski ("Lewandowski, Tor für Polen").
Peru
Wiedersehen macht Freude! Fast vier Dekaden hat es gebraucht bis sich Peru wieder für eine Endrunde qualifizieren konnte. Die Blanquirroja konnte sich das letzte Mal bei der WM 1982 der Weltöffentlichkeit präsentieren. Das lange Warten hat nun in Russland ein Ende gefunden, aus gegebenem Anlass wurden in Peru Dutzende Lieder geschrieben und neu aufgenommen. Die offizielle Hymne trägt den Titel "Grito de Gol".
England
Das Mutterland des Fußballs hat seine Vormachtstellung schon lange eingebüßt, auf popkultureller Ebene sind die Engländer aber immer noch tonangebend. So ist es sehr verwunderlich, dass die Three Lions keinen offiziellen WM-Song ausgesucht haben. Dabei haben beispielsweise New Order oder Baddiel, Skinner and The Lightning Seeds in der Vergangenheit große Hits abgeliefert.
2014 sangen zahleiche Künstlerinnen und Künstler mit dem ehemaligen Take-That-Sänger Gary Barlow und dem ehemaligen Stürmer Gary Lineker einen Song mit Ohrwurmqualität. 2018 ticken die Uhren anders: BBC-Kindersender CBeebies, dessen Zielgruppe unter Sechsjährige sind, erfreut sich auch bei Älteren großer Beliebtheit. In diesem Sinne: Kick.