Sport/Wintersport

USA mit diplomatischem Olympia-Boykott: Peking droht mit Vergeltung

Aus Protest gegen Menschenrechtsverletzungen in China haben die USA einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking angekündigt. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte am Montag in Washington, die Regierung von Präsident Joe Biden werde keine diplomatischen oder offiziellen Vertreter zu den Olympischen Spielen nach China schicken. Peking reagierte scharf und drohte mit Vergeltung. Die Reaktionen in Europa fielen gemischt aus.

Hintergrund seien der "Genozid" in der autonomen Region Xinjiang und andere Menschenrechtsverletzungen, sagte Psaki. US-Athleten sollen aber an den Spielen teilnehmen. Die US-Regierung werde die amerikanischen Athleten von zu Hause aus anfeuern. Auf die Frage, warum die Vereinigten Staaten sich nicht für einen kompletten Boykott der Spiele entschieden hätten, meinte Psaki, man habe die Sportler, die intensiv für die Spiele trainiert hätten, nicht bestrafen wollen. Und die Regierung sei der Meinung, dass auch durch diesen Schritt eine "klare Botschaft" gesendet werde. Sie betonte, die US-Regierung habe internationale Partner über die Entscheidung informiert und überlasse es ihnen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

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"Zum Scheitern verurteilt"

Das chinesische Außenministerium reagierte scharf auf die US-Ankündigung. Man werde "entschlossene Gegenmaßnahmen" ergreifen, teilte es am Dienstag in der Früh in Peking mit. "Die USA werden einen Preis für ihre Fehler zahlen", so das Ministerium, das zugleich versicherte, dass der Boykottversuch Washingtons "zum Scheitern verurteilt" sei.

Während etwa Neuseeland Unterstützung für den Boykottvorstoß signalisierte, fielen die ersten Reaktionen in Europa verhalten aus. Der designierte deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, die künftige Regierung wolle sich zunächst mit den europäischen Partnern abstimmen. Die neue Regierung werde den Umgang mit China "sehr sorgfältig mit uns, unter uns und mit den Partnern in Europa und der Welt beraten", sagte Scholz am Mittwoch in Berlin. Viele Länder, mit denen Deutschland zu tun habe, "haben Regierungsformen, die vollständig anders ausgerichtet sind, als das, was wir selber richtig finden", sagte er. Der außenpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Omid Nouripour, hatte sich zuvor für einen Boykott ausgesprochen. Aus Österreich gab es noch keine Stellungnahmen. Beobachter werteten es aber als unwahrscheinlich, dass Österreich der US-Entscheidung Folge leisten werde.

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Der britische Justizminister Dominic Raab sagte, dass die Regierung in London einen ähnlichen Boykott "erwägt". Er selbst werde jedenfalls nicht nach Peking fahren. Aus italienischen Regierungskreisen hieß es, dass man sich dem Boykott wohl nicht anschließen werde. Die Regierungen Australiens, Japans und Kanadas legten sich zunächst nicht fest, kündigten aber Beratungen über den US-Vorstoß an.

Die Olympischen Winterspiele finden vom 4. bis 20. Februar 2022 in China statt. Dem autoritär regierten Land werden von vielen Seiten Menschenrechtsverletzungen, vor allem gegen Minderheiten wie den muslimischen Uiguren, vorgeworfen. Menschenrechtsgruppen nennen als Beispiele für chinesische Repressalien die autonome Region Xinjiang, Tibet und Hongkong. Immer wieder werden daher Boykottforderungen mit Blick auf die dortigen Winterspiele laut.

Politische Entscheidung

Das IOC bezeichnete in einer ersten Reaktion die Anwesenheit von Regierungsbeamten als "eine rein politische Entscheidung, die das IOC in seiner politischen Neutralität uneingeschränkt respektiert". Gleichzeitig mache "diese Ankündigung auch deutlich, dass die Olympischen Spiele und die Teilnahme der Sportler jenseits der Politik stehen und wir dies begrüßen", sagte ein IOC-Sprecher und verwies auf eine Resolution der Vereinten Nationen die im Konsens aller 193 Mitgliedstaaten angenommen wurde.

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Diese Resolution beinhalte die Einhaltung des Olympischen Waffenstillstands für die Olympischen und Paralympischen Spiele Peking 2022 und fordere alle Mitgliedstaaten auf, mit dem IOC und dem Internationalen Paralympischen Komitee bei ihren Bemühungen zusammenzuarbeiten, den Sport als Instrument zur Förderung von Frieden, Dialog und Versöhnung in Konfliktgebieten während und nach Olympischen Spielen und darüber hinaus zu nutzen.

Zwischen den USA und China gibt es wegen der Menschenrechtslage, aber auch wegen diverser anderer Streitthemen große politische Spannungen. Das Verhältnis beider Staaten ist auf den tiefsten Stand seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 gefallen. Biden sieht in China den mächtigsten Konkurrenten und die größte geopolitische Herausforderung für die USA.

China verärgert

Bereits Mitte November hatte Biden gesagt, dass er einen diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in China erwäge. Peking reagierte bereits im Vorfeld der nunmehrigen Ankündigung verärgert. Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian kritisierte am Montag, noch bevor US-Politiker überhaupt eine Einladung bekommen hätten, "bauschen sie die Boykottfrage auf". Zhao Lijian sagte in Peking: "Es ist eine Verhöhnung des olympischen Geistes, eine politische Provokation und ein Angriff auf 1,4 Milliarden Chinesen." Das chinesische Volk und die Welt sähen dadurch die Scheinheiligkeit und anti-chinesische Natur der amerikanischen Politiker nur noch klarer.

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Nach der Ankündigung der USA ließ Neuseeland wissen, dass es keine diplomatischen Vertreter im Februar nach Peking schicken will. Wie der stellvertretende Ministerpräsident Grant Robertson am Dienstag erklärte, sei aber eher die anhaltende Pandemie einer der Hauptgründe für die Entscheidung: "Wir haben China gegenüber bei zahlreichen Gelegenheiten unsere Besorgnis über Menschenrechtsfragen deutlich gemacht - erst kürzlich hat die Ministerpräsidentin mit Präsident Xi darüber gesprochen", sagte Robertson laut dem staatlichen Fernsehsender TVNZ. "China weiß sehr wohl, wie wir zu den Menschenrechten stehen, aber wir hatten uns bereits entschieden, nicht teilzunehmen", erklärte Neuseelands stellvertretender Ministerpräsident und fügte hinzu, dass China über die Entscheidung bereits im Oktober informiert worden sei.

Sowohl die australische als auch die japanische Regierung haben angekündigt, in der Frage der Entsendung eines diplomatischen Vertreters noch beraten zu wollen. Japans Ministerpräsident Fumio Kishida erklärte am Dienstag, sein Land werde bei der Entscheidung eine Reihe von Faktoren berücksichtigen. Dazu zählten der Zweck der Olympischen Spiele, die diplomatische Situation und Japans eigene nationale Interessen, so Kishida.

Das kanadische Außenministerium teilte mit, dass Kanada "zutiefst beunruhigt" über die Berichte über Menschenrechtsverletzungen in China sei. "Wir wurden über die Entscheidung der USA informiert und werden diese Angelegenheit weiterhin mit unseren Partnern und Verbündeten diskutieren", erklärte das Ministerium. Der einzige Staatschef, der Chinas Einladung zu den Spielen bisher angenommen hat, ist der russische Präsident Wladimir Putin.