Salut für einen Superstar: Dominik Landertinger hört mit 32 auf
Von Christoph Geiler
Am Ende seiner Laufbahn zeigte sich Dominik Landertinger von einer Seite, die man so von ihm zuvor nicht gekannt hatte. Zeit seiner Karriere galt der Tiroler Biathlet als unermüdlicher Kraftmeier und unerschütterlicher Modellathlet, den nichts wirklich aus der Bahn werfen konnte.
Als er nun aber im Februar bei der Weltmeisterschaft in Antholz im Einzelbewerb die Bronzemedaille gewann, gingen mit Dominik Landertinger die Emotionen durch. Mehrmals musste er das ORF-Interview unterbrechen, weil er seine Gefühle und die Tränen nicht mehr unter Kontrolle hatte. "Es war so eine harte Zeit. Deshalb gibt mir diese Medaille auch so viel."
Heute weiß man: Es waren nicht nur Tränen der Freude, sondern auch Abschiedstränen.
Diese Bronzemedaille in Antholz sollte der glänzende Abschluss einer beeindruckenden Karriere gewesen sein. Denn Dominik Landertinger gab am Sonntag den Rücktritt bekannt, mit ihm verlässt der erfolgreichste österreichische Biathlet der Geschichte die Bühne.
Ohne Training drehe ich durch
"Für mich ist jetzt der richtige Zeitpunkt", sagt Landertinger. Auf den ersten Blick mag der Pillerseetaler mit seinen 32 Jahren noch nicht wirklich zum alten Eisen zählen - die norwegische Biathlon-Legende Ole Einar Björndalen hörte etwa erst mit 44 Jahren auf - allerdings hat der Tiroler auch eine intensive Laufbahn und eine lange Leidenszeit hinter sich.
Landertinger war 20, als er 2009 in Pyeongchang (Südkorea) vor seinem Teamkollegen Christoph Sumann Weltmeister im Massenstart wurde. In einem Alter, in dem andere Biathleten sich ihre Sporen noch im Nachwuchs verdienten, zählte der Tiroler bereits zur Weltspitze und führte ein Leben im Rampenlicht.
"Ich steh' jetzt mehr im Fokus, aber das belastet mich nicht", hatte Landertinger nach seinem WM-Titel in einem KURIER-Interview gemeint. Wie viele andere Ausdauersportler hatte auch er damals vor allem eine Sorge. "Wenn ich krank werden würde und mein Körper nicht mitspielt. Ohne Training drehe ich durch."
In den letzten Jahren seiner Laufbahn musste Dominik Landertinger dann genau diese bittere Erfahrung machen. Hartnäckige Bandscheibenprobleme zwangen den Hochfilzner in die Knie, auf einmal konnte er nicht mehr so trainieren, wie er wollte - und wie es notwendig ist, um im Biathlon mit der Konkurrenz Schritt halten zu können.
Zwar hatte er die außergewöhnliche Gabe, bei Großereignissen immer wieder punktuell zur Hochform aufzulaufen und sein Können abzurufen, doch die körperlichen Probleme zermürbten Landertinger zusehends. „Seit meiner Bandscheiben-OP liegen schwierige Jahre hinter mir, in denen ich meinen Leistungen oft hinterhergelaufen bin. Eigentlich wollte ich schon im Dezember aufhören", gesteht der 32-Jährige. "Ich habe mich damals ernsthaft gefragt: War's das mit dem Sport?"
Dominik Landertinger entschied sich damals, dass er so nicht abtreten wollte. "Ich habe noch einmal alle Kräfte mobilisiert und alles auf eine Karte gesetzt", erzählt der 32-Jährige. Der Aufwand sollte sich belohnt machen, wie die Bronzemedaille in Antholz zeigt. "Es war immer mein großer Wunsch, die Karriere gut abzuschließen und ich bin dankbar, dass mir das vergönnt war. Dank der Medaille in Antholz habe ich das Gefühl, als Sieger vom Platz zu gehen.“
Dominik Landertinger hadert nicht mit dem Ende seiner Karriere und der Entscheidung. "Für mich ist jetzt der richtige Zeitpunkt aufzuhören. Meine Karriere fortzusetzen, wäre meinem Körper und meiner Gesundheit gegenüber gierig gewesen“, sagt er. "Ich habe gemerkt, dass dieser Aufwand auf Dauer nicht machbar ist."
Ohnehin kann er auf eine beeindruckende Laufbahn zurückblicken, die ihm so schnell wohl kein Österreicher nachmachen wird. Die nackten Zahlen machen erst deutlich, welche Ausnahmeerscheinung der Tiroler im Biathlon war, dem Wintersport mit der höchsten Leistungsdichte.
Ihm ist das Kunststück gelungen, bei allen drei Olympischen Spielen, an denen er teilgenommen hat, Medaillen zu gewinnen. Am Ende darf Landertinger nun auf vier Olympia-Medaillen und fünf WM-Medaillen blicken, dazu kommen 37 Podestplätze im Weltcup und eine Kristallkugel (Massenstart 2008/'09).
"Ich bin stolz darauf, was ich erreicht habe und froh, dass ich auch immer das nötige Glück hatte, meine Topleistungen bei Großereignissen auf den Punkt abrufen zu können", sagt der Familienvater. Seine Zukunft sieht Landertinger weiter im Sport. Er hat bereits eine Trainerausbildung (Biathlon) absolviert, dazu will er im Gesundheitsmanagement tätig sein.
"Gerade Themen wie die richtige Balance zwischen Belastung und Regeneration spielen nicht nur im Sport, sondern auch im beruflichen Alltag eine entscheidende Rolle, um psychischen und körperlichen Problemen entgegenzuwirken. Auch der Bereich Hobbysport interessiert mich, weil hier trainingstechnisch viele Fehler gemacht werden. In erster Linie möchte ich mich in nächster Zeit in diesen Bereichen fortbilden, darauf freue ich mich sehr“, so Landertinger.
REAKTIONEN AUF DEN RÜCKTRITT
Toni Giger (ÖSV-Sportdirektor)
Franz Berger (Leitung Biathlon im ÖSV):
„Mit Dominik Landertinger verliert der österreichische Biathlonsport einen Ausnahmeathleten. Seit Beginn seiner Karriere, schon als Schüler, hat er immer einhundert Prozent gegeben und alles von sich abverlangt. Daher war er im letzten Jahrzehnt nicht nur ein Medaillengarant bei Großveranstaltungen, sondern dank seiner Persönlichkeit und seiner vorbildhaften Einstellung auch eine Leitfigur innerhalb des Teams.
Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme in den vergangenen Jahren kann ich seine Entscheidung nachvollziehen. Er wird uns im Team als Sportler und Mensch fehlen. Ich kenne Dominik seit seiner Jugend, kann ihm zu seiner außergewöhnlich erfolgreichen Karriere nur gratulieren und wünsche ihm für seine berufliche und private Zukunft alles Gute.“