Schmaler Grat zwischen Höhenflug und Absturz
Von Christoph Geiler
Ladies First heißt das Motto bei den Nordischen Weltmeisterschaften in Falun. Zumindest aus österreichischer Sicht. Die Skispringerinnen rund um die aktuelle Weltcupleaderin Daniela Iraschko-Stolz sollten, wenn alles normal zugeht, am Freitag für die erste österreichische Medaille sorgen. Aber wie ist es sonst um die Medaillenchancen der ÖSV-Athleten bestellt? Von wem darf ein Podestplatz erhofft werden, wer hat das Zeug zum Weltmeister? Und gibt es womöglich wieder ein Wintermärchen wie bei der WM 2011, als die Österreicher in Oslo zehn Medaillen gewannen, darunter sieben in Gold?
Der KURIER unterzog die österreichischen WM-Teilnehmer einem Formcheck.
Skispringen
Die Zeiten, in denen den ÖSV-Adlern die Medaillen nur so zugeflogen sind und die Österreicher schon vor dem Teambewerb als Sieger feststanden - die ÖSV-Springer haben seit 2005 bei Weltmeisterschaften alle Mannschaftsbewerbe gewonnen - sind vorbei. Man kann in Falun auf österreichische Medaillen hoffen, erwarten muss man sie aber nicht zwangsläufig.
Als Topfavoriten für die Titelkämpfe in Schweden haben sich zuletzt bei den Herren jedenfalls andere herauskristallisiert: der Deutsche Severin Freund etwa, der in sieben der acht Weltcupspringen vor der WM in den Top drei gelandet war und dabei vier Bewerbe gewann. Oder der slowenische Weltcupführende Peter Prevc, nicht zu vergessen der Pole Kamil Stoch, ein Weltmeister und Olympiasieger seines Faches.
Bei den Österreichern hat Stefan Kraft die besten Medaillenkarten. Der Tourneesieger ist in diesem Winter ein Muster an Konstanz und kann bereits zehn Podestplätze vorweisen. Allerdings ist Kraft bei seinen vergangenen fünf Weltcupstarts lediglich einmal der Sprung auf das Siegerpodest gelungen. Die übrigen ÖSV-Springer präsentierten sich zuletzt nicht als Medaillenanwärter. Michael Hayböck hat in diesem Winter zwar schon ein Springen gewonnen, seit der Vierschanzentournee war der Oberösterreicher aber auf keinem Siegerfoto mehr zu sehen. Und Gregor Schlierenzauer fehlt im Augenblick die Sicherheit und Konstanz für Höhenflüge. Der Tiroler hat sich in dieser Saison ebenfalls schon in die Siegerliste eingetragen, von den Podestplätzen war er in den vergangenen Wochen aber weit entfernt.
Diese vielen Fragezeichen machen auch eine Prognose für den Teambewerb so schwierig. In Bestform können die Österreicher selbstverständlich ihren Titel von 2013 verteidigen, sollte sich aber nur einer von ihnen eine Blöße geben, dann könnten die erfolgsverwöhnten ÖSV-Adler auch einen schmerzhaften Absturz erleben. Die Auftritte in den bisherigen Teambewerben stempeln die Österreicher jedenfalls nicht zum Topfavoriten: der Flugschreiber wirft da einen achten, einen fünften und einen zweiten Platz aus.
Anders ist die Situation im Mixed-Teambewerb, bei dem jeweils zwei Damen und Herren über die Schanze gehen und der in Falun zum zweiten Mal ausgetragen wird. Dank der Stärke der österreichischen Skispringerinnen rund um Weltcup-Dominatorin Iraschko-Stolz, ist in diesem Bewerb eine Medaille Pflicht. Und auch im Einzelspringen der Damen müsste es schon mit dem Schanzenteufel zugehen, sollte es keine Österreicherin zur Siegerehrung schaffen.
Medaillenchancen: 80 Prozent
Nordische Kombination
Auf Österreichs Kombinierer ist Verlass, zumindest für eine Medaille waren sie bei den vergangenen Großereignissen immer gut. Auch diesmal stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Erfolgsserie anhält, auch wenn in Falun mit Routinier Mario Stecher ein verlässlicher Medaillenlieferant der Vergangenheit fehlt. Mit Bernhard Gruber und Lukas Klapfer stellen die ÖSV-Kombinierer freilich zwei Saisonsieger, und in den beiden Teambewerben (Staffel, Teamsprint) sollten es die Österreicher auch unter die Top drei schaffen. Wie meinte doch gleich die österreichische Kombinierer-Legende Felix Gottwald im KURIER-Gespräch: "Der dritte Platz hinter Norwegen und Deutschland sollte uns sicher sein. Alles weiter vorne wäre eine Überraschung, alles weiter hinten aber auch."
Medaillenchancen: 60 Prozent
Langlauf
Die letzte Medaille eines österreichischen Langläufers - Olympiabronze von Michael Botwinow 2006 über 50 Kilometer - ist längst verjährt, im vergangenen Jahr schrieb der heimische Langlaufsport eher dunkle Schlagzeilen. Stichwort: Dopingfall Johannes Dürr. Österreichs Langläufer befinden sich im Um- und im Aufbrauch, das Fernziel ist die Heim-WM in vier Jahren in Seefeld, Falun dient nun als Bewährungsprobe und Reifeprüfung. Immerhin gibt's mit Teresa Stadlober und Bernhard Tritscher zwei Athleten, die in die Top 15 laufen können.
Medaillenchancen: 0 Prozent