Sport/Wintersport

Kindl, oder: Totgesagte rodeln schneller

Wenn man jetzt ganz gemein wäre, dann könnte man sagen, dass Markus Prock vom Rodeln keine Ahnung hat. Prock, als fünffacher Weltmeister und zehnfacher Gesamtweltcupsieger Österreichs Oberpratzler schlechthin, hatte stets seine Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit von Wolfgang Kindl geäußert. Viel zu klein wäre der doch für einen Kunstbahnrodler von Rang und Namen, außerdem würde er am Start schon viel zu viel Zeit verlieren, um mit den Gegnern je Schlitten fahren zu können.

Wolfgang Kindl muss schmunzeln, wenn er das hört. "Klar habe ich mitgekriegt, was über mich geredet worden ist", erzählt der Tiroler, "insofern kann man jetzt schon sagen, dass ich es irgendwie allen gezeigt habe. Das ist eine Genugtuung."

Denn dieser ach so kleine und schwache Kindl ist eben erst in Lillehammer zu seinem ersten Weltcupsieg gerodelt, es war überhaupt der erste Erfolg für einen österreichischen Einsitzer im Weltcup seit zehn Jahren.

Handicap

Mit dem Triumph in Norwegen hat Kindl seine Saisonziele schon übertroffen. Eigentlich wollte er sich nur in den Top sechs etablieren, inzwischen ist er mehrmals auf das Stockerl gerodelt und so auch ein Medaillenanwärter bei der WM in Sigulda (14./15.2.). "Ich glaube, dass ich aus meinen Möglichkeiten das Beste heraushole."

Und Kindls körperliche Möglichkeiten sind – im Vergleich zur Konkurrenz – beschränkt. Seine geringe Körpergröße von nicht einmal 1,70 Metern ist vor allem beim Start ein Handicap, größere Rodler mit längeren Armen und besseren Hebeln holen sich auf den ersten Metern wertvolle Hundertstelsekunden, wenn nicht sogar Zehntel heraus. "Mir ist klar, dass ich nie der schnellste Starter sein werde", weiß Kindl, "andererseits heißt unser Sport auch nicht Starten, sondern immer noch Rodeln."

Und das, die hohe Kunst des Kunstbahnrodelns, beherrscht der 26-Jährige wie kaum ein anderer. Im Wissen um die Defizite beim Start hat sich Kindl – notgedrungen – eine perfekte Fahrtechnik angeeignet. Sein Gefühl für den Schlitten und die Ideallinie kommt ihm vor allem bei schweren Bahnen zugute. Und kaum einer nimmt auf der Rodel so eine tiefe, windschlüpfrige Position ein, wie der Natterer. "Den Kopf hebe ich nur in die Höhe, wenn’s wirklich nicht anders geht."

Herausforderung

Kopf hoch – das war freilich lange Zeit das Motto in der Rodelkarriere von Kindl. Als er in der Vergangenheit oft hinterher fuhr, als er mit vermeintlich fehlerfreien Fahrten nur im geschlagenen Feld landete und sich der Erfolg nicht und nicht einstellen wollte, da stellte er sich – wie viele Rodler – die Sinnfrage. "Ich habe daran gedacht, alles hinzuschmeißen."

Kindl hat sich durchgekämpft. Jetzt ist die Zeit reif, um die Früchte zu ernten. An Zielen und Herausforderungen mangelt es nicht: 2017 findet die WM in Igls statt, 2018 wird um Olympiamedaillen gerodelt. Und die größte Bewährungsprobe hat Kindl sowieso längst bestanden. Er hat Markus Prock eines Besseren belehrt.