Iraschko: "Will mich nicht verstecken müssen"
Von Christoph Geiler
Daniela Iraschko schwebt gerade auf Wolke sieben – und das in allen Lebenslagen. Auf ihre alten Tage hat die 28-jährige Skisprung-Pionierin und amtierende Weltmeisterin ihr Hobby endlich zum Beruf gemacht. „Früher habe ich arbeiten müssen, damit ich mir das Skispringen überhaupt leisten konnte“, erinnert sich die Polizeischülerin, „jetzt komme ich mir endlich wie ein Profi vor.“
Die gebürtige Eisenerzerin profitiert vom Aufwind, in dem sich das Damen-Skispringen in den letzten Jahren befindet. Seit 2009 wird nun bereits eine Weltmeisterin gekürt, seit dem Vorjahr gibt es dank der Mithilfe der OMV einen eigenen Damen-Weltcup, und in diesem Jahr erhalten die Adlerinnen nun eine zusätzliche Chance auf der Schanze. Beim Saisonauftakt am Freitag in Lillehammer erlebt der Mixed-Bewerb (2 Frauen, 2 Männer) seine Premiere. „Die Mädels werden da die entscheidende Rolle spielen“, glaubt Iraschko, die Respekt zeigt vor dem Teamwork. „Ich bin da sicher tausend Mal nervöser als, wenn ich einen Einzelwettkampf springe.“
Angst ist sonst ein Fremdwort für die Überfliegerin, die sich selbst oft als „wilde Henn“ bezeichnet und sich nichts darum schert, was die Öffentlichkeit von ihr denkt. Mit ihrer offenen Art ist Daniela Iraschko bisher immer gut gefahren, deshalb macht sie auch kein Hehl aus ihrer Beziehung zu einer Frau. Seit Sommer ist die bald 29-Jährige mit einer Innsbrucker Ärztin verlobt, wie sie auch auf ihrer Facebookseite hochoffiziell mitteilt.
KURIER: Sie gehen sehr offen mit Ihrer Homosexualität um. Alle Achtung.
Daniela Iraschko: Das habe ich immer schon getan und mein Umfeld hat es sowieso schon lange gewusst. Mir geht es darum, dass ich mich einfach nicht verstecken möchte. Weil: Wenn ich immer alles verheimlichen müsste, könnte ich ja auch nie eine glückliche Beziehung führen.
Sind Sie denn nie mit Vorurteilen konfrontiert worden?
Eigentlich überhaupt nie. Ich bin sowieso der Meinung: Vorurteile kannst du dir eh nur selbst machen. Ich kenne viele andere, die ihre Homosexualität verleugnen – die beschäftigt das dann ihr ganzes Leben. Die sind dann fast gespaltene Persönlichkeiten und leben unter Verfolgungswahn. So ist’s jetzt viel feiner.
Inwiefern feiner?
Weil es für mich normal ist, ist es witzigerweise für die anderen auch ganz normal. Sicher, ein paar Leute wird’s immer geben, die es komisch finden und sich das nicht vorstellen können. Ich sage immer: Akzeptieren sollte es ein jeder, ausprobieren muss es dann eh nicht jeder.
Nicht alle sind so mutig wie Sie.
Mir war immer schon völlig wurscht, was alle anderen Leute von mir denken. Das hat ja schon mit meinen bunten Haaren begonnen. Ich habe jedenfalls die Erfahrung gemacht: Sobald du offen bist, sobald du es sagst und dazu stehst, dann interessiert es plötzlich sowieso keinen Menschen mehr.
Definitiv, das ist so. Schauen Sie: Wenn ich nichts sagen würde, dann würde es ja trotzdem jeder wissen oder darüber reden. Aber hinterrücks, und dann wäre es ja sofort interessant. Durch meine Offenheit schütze ich eigentlich nur jeden. Wenn du offen bist, dann bietest du einfach keine Angriffsfläche. Ich kann ja die Zeitungen und Medien sogar verstehen.
Die Zeitungen und Medien?
Ich würde selbst ja auch nach solchen Sachen suchen. Was sind denn da oft die interessantesten Geschichten? Wer hat eine Affäre, wer mit wem, und, und, und. Aber sobald etwas heraußen ist, sobald man es weiß, wird es auf einen Schlag uninteressant. Und ganz ehrlich: So ein großes Viech bin ich nicht, dass es da um mich so ein Tamtam gibt.
Hat sich deshalb vielleicht noch nie ein schwuler Fußballer geoutet?
Als Fußballer ist es wieder eine ganz andere Geschichte.
Wieso?
Weil du in den Fußballstadien hunderttausend Fans hast, die so schon 500-mal pro Spiel irgendwas mit schwul reinschreien. Schwuler Schiri, schwule Sau – in Stadien wird schwul als Schimpfwort gebraucht. Also da würde ich es mir auch fünf Mal überlegen, ob ich mich da outen sollte.
Also ist die Zeit noch nicht reif für einen homosexuellen Fußballer?
Es funktioniert glaube ich in allen Sportarten, außer im Fußball. Stell dir nur einmal vor, du bekennst dich und spielst dann vielleicht einmal schlecht. Frage nicht, was du dann zu hören kriegst. Dann haben sie dich alle. Ich glaube, da kriegst du Selbstmordgedanken.
Daniela Iraschko (*21. November 1983 in Eisenerz) prägte im vergangenen Jahrzehnt die junge Sportart Damen-Skispringen. Seit dem Jahr 2000 gewann die gebürtige Steirerin gleich fünf Mal die Gesamtwertung im Ladies Grand Prix, dem Vorgänger des Weltcups. Insgesamt hält Iraschko bei 46 Siegen in Damen-Konkurrenzen. 2011 wurde sie in Oslo Weltmeisterin, 2003 überflog sie als erste Frau die 200-Meter-Marke.
www.daniela-iraschko.com
Das härteste Match, das Gareth Thomas überstehen musste, fand in der Kabine statt. Der walisische Rugby-Star, 191 Zentimeter groß, 103 Kilo schwer, ein Baum von einem Mann, den nichts so schnell umhauen kann, hatte weiche Knie, als er 2006 bei seinem Trainer und seinen Mannschaftskollegen eine Lebensbeichte ablegte. Als er erklären musste, dass er all die Jahre ein Doppelleben geführt hatte, um nicht seine Homosexualität preisgeben zu müssen.
Homosexualität bleibt im Fußball ein Tabuthema. Vor allem bei den Männern, bei den kickenden Kolleginnen scheint die Hemmschwelle niedriger zu sein. Zumindest auf den ersten Blick. Im Vorfeld der WM 2011 outeten sich mehrere deutsche Teamspielerinnen. Und auch in Österreich sind gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen ein offenes Geheimnis. „Bei uns ist Homosexualität noch immer negierte Realität“, sagt Johannes Uhlig, Trainer von Österreichs zehnfachem Frauenfußball-Meister Neulengbach.
... teaminterne Liaisonen „Ich gehe damit locker um, gebe den Mädchen zu verstehen, dass ich Bescheid weiß und dass das in Ordnung ist. Jeder soll privat machen, was er will. Mir ist das vollkommen egal, ob jemand schwul, lesbisch oder heterosexuell ist, so lange sich das nicht auf die Leistungen am Platz auswirkt. Es kann nicht sein, dass beispielsweise eine Spielerin zur anderen nicht abspielt, weil die gestern Schluss gemacht haben.“
... Frauen-Vorteil „Die Tabuisierung von Homosexualität ist bei Männern ein sehr viel größeres Thema. Vielleicht auch, weil sich Frauen mit zwischenmenschlichen Dingen generell leichter tun. Viel mehr aber sicherlich aufgrund des Machotums, das immer noch im Männer-Fußball dominiert.“
... Klischees „Das Bild des Fußballers ist grundsätzlich heterosexuell. Sensibilität ist klischeehaft negativ besetzt. Es ist schlimm, dass das immer noch so ist.“
... Druck „Momentan sehe ich noch großen Nachholbedarf. Ich hoffe, dass sich die Vorurteile in den nächsten Jahren aufweichen und sich auch männliche Fußballer endlich outen können. Dieser
Druck, einen Teil von sich verstecken zu müssen, ist furchtbar, daran kann ein Mensch zerbrechen! Außerdem ist es doch für alle Beteiligten leichter, wenn Klarheit herrscht.“