Heinz Kuttin: "Ich halte nichts von Superlativen"
Von Christoph Geiler
Einer seiner Springer liegt in der Tournee-Gesamtwertung vorne (Stefan Kraft), ein anderer führt den Gesamtweltcup an (Michael Hayböck), und mit gleich vier Athleten in den Top sieben hat seine Mannschaft bisher die Lufthoheit bei der Tournee.
Man könnte also verstehen, wenn Heinz Kuttin dieser Tage auf Wolke sieben schweben würde. Doch Überheblichkeit ist dem Trainer der österreichischen Skispringer ("man muss verstehen, dass man nicht jeden Tag einen guten Tag haben kann") genauso fremd wie Eitelkeit. Bei Pressekonferenzen überlässt der Kärntner, der nach dem Olympiawinter Alexander Pointner abgelöst hatte, gerne einmal seinen Assistenten den Vortritt, während er im Hintergrund die Fäden zieht. "Wichtig ist, Ruhe zu bewahren und sachlich an die Arbeit heranzugehen", sagt Kuttin. Zur Tournee-Halbzeit spricht der Doppelweltmeister von 1991 über ...
... die Senkrechtstarter Stefan Kraft und Michael Hayböck
"Es ist immer noch so, dass wir die Oberhand haben und die Gegner uns schlagen müssen. Wir können frei agieren. Die beiden sind im Moment sehr gut drauf, Hayböck ist unglaublich konstant, und Kraft kommt inzwischen in die gleichen Regionen. Sie verarbeiten auch den Rummel gut, aber ich kann nicht in die Leute hineinschauen."
... seine Rolle als Cheftrainer
... die Gefahr, im Erfolg abzuheben
"Die Versuchung wird sicher kommen, aber ich probiere, bodenständig zu bleiben. Ich habe in meinem Leben schon so viele Sachen erfahren, die muss man sich immer wieder vor Augen führen. Schlechte Tage muss man gut verarbeiten, um schöne Tage dann genießen zu können."
... seine Kindheit
"Wir waren eine große Familie und haben alle in einer kleinen Holzblockhütte gewohnt. Großeltern, Eltern und vier Kinder, und wir hatten nur zwei Schlafzimmer. Diese Bodenständigkeit hat mich sicher geprägt, dieses Aufwachsen mit wenig. Auch das Lernen, mit wenig umzugehen, das vergisst man das ganze Leben nicht. Da lernt man dann auch, miteinander umzugehen – und dass man in harten Zeiten zusammenhalten muss."
... seine Vision als österreichischer Cheftrainer
... die Rolle der Superadler
"Ich habe da ganz klare Vorstellungen: Es sind von den Athleten Topleistungen zu bringen, der Österreichische Skiverband bietet dazu auch das Umfeld. Aber die ganzen Superlative, die da kommen, und wie man sich teilweise auch präsentiert, davon halte ich gar nichts. Das ist der Weg, den wir bestreiten und gehen wollen."
... seine Trainertätigkeit in Polen:
"Das war eine wichtige Lebenserfahrung. Vor allem, wenn du dann siehst, aus welch armseligen Verhältnissen deine Athleten da teilweise kommen. Und dann gibt es wieder andere, die einen deutlich besseren Hintergrund haben. Die alle in einen Rahmen zu bringen, das war eine Herausforderung, zugleich war es aber auch sehr lehrreich."
Der Luxusliner war das erste, mit dem Heinz Kuttin gleich einmal abgefahren ist: Mit diesem schweren Doppeldeckerbus, in dem sich gewöhnlich Popstars wie Madonna oder U2 herumkutschieren lassen, waren die österreichischen Skispringer in der Vergangenheit gerne an den Schanzen aufgekreuzt. Ein professioneller Auftritt, sagten manche. Großkotzig, sagten die meisten.
Heinz Kuttin kann diesem ganzen Schnickschnack nichts abgewinnen. Der neue Skisprungtrainer will, dass seine Athleten wieder als Sportler wahrgenommen werden und nicht als Superadler oder Werbestars. Deshalb wurde im Team alles wieder auf Normalmaß gestutzt, was zuvor übertrieben und überzogen war.
Heinz Kuttin lebt die neue Bescheidenheit selbst vor. Er drängt nicht ins Rampenlicht, er muss nicht im Mittelpunkt stehen, er sei ja auch nur ein kleines Rädchen in der Maschinerie.
Da ist jetzt einer am Werk, der sichtlich über den Dingen steht, ohne dabei abgehoben zu wirken. Da ist nun ein Trainer im Amt, der mit seiner unaufgeregten und uneitlen Art den Sportlern und dem Mannschaftsklima guttut – und damit auch dem Image der österreichischen Skispringer.
Das ist möglicherweise sogar viel mehr wert als ein österreichischer Gesamtsieg bei der Tournee.