Gruggers Abschied mit Demut
Von Christoph Geiler
Ingrid Rumpfhuber ist die Erleichterung sichtlich anzumerken. "Ich bin sicher nicht beleidigt, dass der Hans jetzt keine Rennen mehr fährt." Die Vorstellung, dass ihr Freund Hans Grugger sich noch einmal auf eine Abfahrtspiste wagt, nach all dem, was passiert ist, dass er möglicherweise gar auf die Streif zurückkehrt, dieser Gedanke ließ Rumpfhuber keine Ruhe.
"Mit dem Zuschauen hätte ich mich sehr schwergetan", gesteht sie.
Einmal noch Rennfahren – das war das Ziel, das Hans Grugger in den vergangenen 15 Monaten vehement und akribisch verfolgt hatte. Ein Ziel und eine Perspektive, von denen niemand zu träumen gewagt hatte an jenem 20. Jänner 2011, dem Tag, an dem Hans Grugger in der Mausefalle schwer verunglückte.
Schädel-Hirn-Trauma, Blutgefäßverletzungen, Wirbelbrüche, Koma, akute Lebensgefahr.
Vernunft
Dass Grugger diesen Horrorsturz überhaupt überlebt hat, ist nur der perfekten Rettungskette zu verdanken. Dass er gleich nach dem Aufwachen aus dem Tiefschlaf schon wieder über ein Comeback nachdachte, ist Ausdruck seiner Willensstärke.
Dass er nun, 460 Tage nach dem Unfall, seine Karriere als Rennläufer offiziell beendet, ist in erster Linie eine Entscheidung der Vernunft. "Es geht einfach nicht", erklärt Grugger, der im Training mehrmals den Ernstfall übte – und diesen Härtetest für Geist und Körper nicht bestand.
Die Nervenbahnen im rechten Bein sind nach wie vor blockiert, auf unruhigen, welligen Skipisten hat der 30-Jährige seine Probleme. "Deswegen höre ich auch auf."
Dankbarkeit
Hans Grugger verkündet sein Karriereende ohne einen Anflug von Frust und Ernüchterung. "Ich bin dankbar, dass ich jetzt dasitzen und ein normales Leben führen kann", sagt der vierfache Weltcupsieger, der nach dem Unfall praktisch alle Bewegungen wieder neu erlernen musste.
"Das Schlimmste war, dass ich nicht einmal mehr allein auf beiden Beinen stehen konnte. Diesen Moment werde ich nie vergessen."
Mit dem Rücktritt mag Hans Grugger jetzt zwar ein Ziel abhandengekommen sein, Visionen hat der Salzburger freilich genug. So will er sich nun vermehrt seiner Leidenschaft, dem Fotografieren, widmen. Und im Herbst beginnt er mit seiner Freundin Ingrid Rumpfhuber die Trainerausbildung. "Der Sport lässt mich nicht los", sagt Grugger.
Eben erst ist er von einem Urlaub von der Karibikinsel Antigua zurückgekehrt. Eigentlich wollte Hans Grugger dort ausspannen und auf der faulen Haut liegen. "Aber nach drei Tagen habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin joggen gegangen."
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