Sport/Wintersport

Die Leiden der Weltmeisterin

Wenn die Gegenwart so überhaupt keine rosige Zukunft verspricht, dann hilft oft nur mehr der Schwenk in die Vergangenheit. "Vor Garmisch waren wir damals auch nicht stärker", erinnert also Herbert Mandl, der Cheftrainer der österreichischen Ski-Damen und aus seiner Stimme klingt Zweckoptimismus. Denn die bisherigen Saison-Ergebnisse in Abfahrt und Super-G deuten nicht wirklich auf ein goldenes Déjà-vu bei der Heim-Weltmeisterschaft in Schladming hin. "Vier Goldene macht man auch nicht immer", weiß auch Mandl.

Zwei Jahre nach den glänzenden Garmischer Titelkämpfen, bei denen sich Elisabeth Görgl mit Gold in Abfahrt und Super-G zur Speed Queen gekrönt hatte, kommen die Österreicherinnen in den schnellen Disziplinen schön langsam unter Zugzwang. Drei Top-Ten-Plätze in den bisherigen Saison-Abfahrten geben wenig Anlass zur Hoffnung, das Siegespodest war bis zur Heim-Abfahrt heute in St. Anton (11.45 Uhr/live in ORFeins) überhaupt eine rot-weiß-rote Tabuzone.

Schneckentempo

Vor allem die beiden österreichischen Würdenträgerinnen wollen in diesem Winter einfach nicht Fahrt aufnehmen: Elisabeth Görgl, die Doppel-Weltmeisterin von Garmisch 2011, kann in der Abfahrt einen 15. Platz als Highlight vorweisen; Andrea Fischbacher, die amtierende Super-G-Olympiasiegerin von Vancouver 2010, hat bei den drei Saisonrennen gar nur ganze sieben Weltcuppunkte gesammelt. "Meine Platzierungen hab’ ich ehrlich gesagt schon vergessen", meint Fischbacher, "und ich mach’ mir im Moment auch keine Gedanken über die Weltmeisterschaft." Auch für Görgl ist es nur ein schwacher Trost, dass sie als Titelverteidigerin ihren Startplatz für Schladming bereits sicher hat. "Ich habe so schon genug zu tun, dass ich gut trainiere und alles unternehme, um bei der WM topfit zu sein", erklärt die Steirerin, "wenn ich mich auch noch qualifizieren müsste, dann wäre es wahrscheinlich noch schlimmer."

Rückzug

Aus Görgl spricht der Frust der vergangenen Monate. Verflogen ist die gute Laune, verpufft der Anfangselan dieses Winters, verlorengegangen das Gefühl für Skier und Schnee. Nachdem die 31-Jährige im einzigen Trainingslauf für die St. Antoner Abfahrt (das Abschlusstraining wurde wegen der heftigen Schneefälle abgesagt) mehr als sieben Sekunden Rückstand aufgerissen hatte, gab sie kurzerhand w.o. – Görgl verzichtet auf einen Abfahrts-Start beim Heimrennen. Sie fühle sich in ihrer derzeitigen Verfassung einfach nicht sicher genug, um die selektive Karl-Schranz-Piste schnell und souverän zu bewältigen.

Wer den Ehrgeiz und den Kampfgeist von Görgl kennt, der weiß, wie schwer ihr dieser freiwillige Rückzug gefallen sein muss. "Ihr Ehrgeiz ist ja grundsätzlich positiv", erklärt Chefcoach Mandl, "aber wenn es einmal krampfhaft wird, dann fällst du noch tiefer in ein Loch, wenn die Ergebnisse nicht passen. Die Lizz müsste manchmal lockerer lassen und nicht denken, sie könne was versäumen."

Leidensgenossin Andrea Fischbacher hat schon im Dezember die Reißleine gezogen und sich eine Auszeit gegönnt. "Jetzt macht mir das Skifahren plötzlich wieder Spaß", gesteht die Trainingsdritte von St. Anton.

Elisabeth Görgl steht dieses Aha-Erlebnis noch bevor. Die Doppel-Weltmeisterin wartet noch auf die ersehnte Rückkehr von Pistengaudi und Sicherheit: "Ich möchte einfach nur wieder gut Skifahren."