Der Absturz der ÖSV-Adler
Von Christoph Geiler
Rümpfende Nasen treffen auf fragende Blicke, hängende Schultern wechseln sich ab mit ratlosen Mienen und zuckenden Achseln. Nichts deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass all diese Männer mit dem sichtlich hohen Frustpotenzial immer noch die Lufthoheit im Skispringen haben.
Der letzte Bewerb in Zakopane dient als Beleg für den Abwärtstrend: Da war ein kränkelnder und geschwächter Schlierenzauer (Achter) immer noch der stärkste Österreicher; und da mussten die Talente Stefan Kraft (Elfter) und Michael Hayböck (15.) den rot-weiß-roten Totalabsturz verhindern.
Schattenfiguren
Thomas Morgenstern etwa landete in den vergangenen sieben Saisonspringen nur einmal in den Top Ten. Nun droht dem Kärntner im Weltcup sogar der Rauswurf aus den Top Ten und der Verlust des fixen Startplatzes. Nur zur Erinnerung: Morgenstern war im November im Trikot des Weltcup-Leaders aus Lillehammer abgereist.
Sorgenkinder
Und weil auch Wolfgang Loitzl und Martin Koch diesen Winter nicht so recht ins Fliegen kommen wollen und sich zudem auch noch Manuel Fettner verletzt hat, steckt Österreich wenige Wochen vor der WM in Val di Fiemme in der Bredouille. Bei der derzeitigen Form der Leistungsträger scheint es unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich, dass die ÖSV-Adler ihre beeindruckende Gold-Serie – seit 2005 haben die Österreicher bei allen Großereignissen die Teambewerbe gewonnen – fortsetzen.
Sondertraining statt Sapporo
Der Abwärtstrend der Würdenträger ist längst nicht das einzige Problem im österreichischen Horst. Seit Samstag, seit dem Sturz von Weltmeisterin Daniela Iraschko, sind die Sorgenfalten auf der Stirn von ÖSV-Sportdirektor Ernst Vettori noch länger: Die Steirerin fällt mit einem Kreuzbandriss sechs Monate aus. Die schwere Verletzung von Iraschko ist doppelt bitter, denn bei der WM auf der Schanze in Predazzo steht erstmals ein Mixed-Teambewerb (zwei Damen, zwei Herren) auf dem Programm. Mit Iraschko und Teamkollegin Jacqueline Seifriedsberger, die gestern beim Weltcup in Hinterzarten Dritte wurde, wäre Österreichs Team Top-Favorit auf Gold gewesen.
Vierschanzentournee-Sieger Gregor Schlierenzauer wird die beiden Weltcup-Bewerbe der Skispringer am Samstag und Sonntag in Sapporo (jeweils ORF eins) auslassen. Der Tiroler entschied sich nach Rücksprache mit seinem Hausarzt und seinem Betreuerteam, eine Wettkampfpause einzulegen. Eine Woche darauf bei den Skifliegen am Wochenende 26./27. Jänner in Vikersund möchte der 23-Jährige wieder dabei sein. Dann könnte er den Rekord an Weltcupsiegen einstellen oder sogar übertreffen.
Durch den Sapporo-Verzicht des zuletzt gesundheitlich angeschlagen gewesenen Schlierenzauer tritt das österreichische Team in der Olympiastadt 1972 lediglich mit Andreas Kofler, Wolfgang Loitzl und Michael Hayböck an. Der verantwortliche Coach vor Ort wird Co-Trainer Alexander Diess sein.