Wieder eine Wende im Fall Rogan
Von Harald Schume
Die Worte von Markus Rogan waren noch nie leicht zu deuten – obwohl sie prinzipiell klare Botschaften zum Ausdruck bringen. Nach dem Vorlauf über 200 Meter Lagen sagte der beste österreichische Schwimmer aller Zeiten: "Ich kämpfe im Semifinale um eine Karriere-Verlängerung um 24 Stunden. Ich bettle, ich beiße, ich kämpfe und schreie um einen Tag noch."
Heißt: Scheidet er aus, wird die Karriere nicht verlängert. Oder?
Nach der Disqualifikation im Semifinale sagte er: "Ich habe mir mein letztes Rennen anders vorgestellt."
Heißt: Es gibt in der deutschen Sprache keinen Ausdruck für ein Rennen nach dem letzten Rennen. Oder?
Bei der gestrigen Pressekonferenz im Österreich-Haus sagte er einleitend: "Das ist mein erster Tag als Privatmann."
Heißt: Er arbeitet nicht mehr, sein Beruf war Schwimmer. Oder?
Und dann, kurz bevor er entschwand, ließ er wissen, dass er bei den Staatsmeisterschaften in Innsbruck starten werde, die nach Olympia stattfinden. Über den Rest wolle er im Herbst sprechen, wenn er die Disqualifikation verdaut habe.
Heißt, aus seiner Sicht: Für alles, was ich sage, gilt die Unschuldsvermutung. Aber, bitte, tragt trotzdem jeden meiner Buchstaben brav in die große, weite Welt hinaus! Oder?
45.000 Kilometer
Zwischen der seltsamen Slalomfahrt durch seine Karriereplanung erinnerte sich Markus Rogan an den Mittwochabend, als er zum letzten Mal in ein olympisches Becken hüpfte. Nach der Wende von Rücken auf Brust unterlief binnen einer Hundertstelsekunde der verhängnisvolle technische Fehler. "Ich bin in meinem Leben 45.000 Kilometer geschwommen. Ich hätte mir gewünscht, dass es 45.000 Kilometer und 200 Meter werden." Freilich beherrsche er die Technik dieser Wende im Schlaf, logisch: "Ich habe sie Tausende Male geübt, es ist einfach die einfachste Übung." In den vergangenen drei Jahren sei er jeden Tag vor fünf Uhr und nie später als sieben aufgestanden, um rechtzeitig in der Schwimmhalle zu sein. "Und dann passiert so was. Das ist sehr bitter."
Obwohl der 30-Jährige nur die neuntschnellste Zeit erreicht hatte, musste er Protest ein legen. Der Südafrikaner Chad le Clos hatte Rogan erzählt, dass er im Finale nicht antreten werde. Also wäre der Österreicher als Achter ins illustre Feld gerutscht, wenn die Kampfrichter ihre Entscheidung zurückgezogen hätten.
Kurios: Wegen exakt desselben Delikts war Aaron Peirsol 2004 im Olympia-Finale über 200 Meter Rücken kurzfristig die Goldmedaille aberkannt worden. Rogan, der profitiert hätte, setzte sich für Peirsol ein. Mit Erfolg. "Das war der schönste Moment in meiner Karriere. Dass meine Disqualifikation nicht zurückgenommen wurde, war der traurigste." Und überhaupt: "Ich habe in meinem Leben vielleicht auch viel Blödsinn geredet, aber im Becken habe ich mich immer fair verhalten."
Der Fahnenträger
Neben seinen zwei silbernen Olympia-Erlebnissen in Athen nennt Rogan, der in Summe 34 Medaillen gewonnen hat, die Eröffnungsfeier in London als Karriere-Höhepunkt. Er durfte die rot-weiß-rote Delegation anführen. "Hat jemand von euch schon einmal so eine Fahne in der Hand gehabt? Wow!"
Im Trinity House trauerte Rogan noch der "kleinen Medaillenchance" nach, die er trotz der mageren Zeit im Semifinale geortet hätte, nach. "Ich bin absolut in Top-Form. Ich kann viel schneller schwimmen."
Das kann Rogan jetzt in Innsbruck zeigen.
Markus Rogan: Der Medaillensammler
Wahl-Amerikaner
Markus Rogan wurde am 4. Mai 1982 in Wien geboren und ist Österreichs erfolgreichster Schwimmer der Gegenwart. Derzeit hält der 30-Jährige, der bereits im Volksschulalter mit dem Schwimmtraining begann, bei 34 Medaillen bei Großereignissen. Nach dem Eklat bei der WM 2009 in Rom (Schlägerei in einer Diskothek) verlegte Rogan seinen Lebens- und Trainingsmittelpunkt nach Los Angeles.
Die Erfolge
Mit Silber bei der WM 2001 in Fukuoka (Jap) über 200 Meter Rücken startete Rogan seine internationaleMedaillenjagd. Karrierehöhepunkt des Wieners waren die Olympischen Spiele 2004 in Athen, wo sich Rogan über 100 und 200 Meter Rücken jeweils Silber sicherte. Vier Jahre später stellte Rogan bei der Kurzbahn-WM in Manchester über 200 Meter Rücken mit 1:47,84 Minuten neuen Weltrekord auf.
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