Tour de France: Das große Staunen nach der großen Show
Von Christoph Geiler
Die 107. Tour de France ist Geschichte, die Fahrer haben nach mehr als drei Wochen und 3.483 Kilometern das Ziel in Paris erreicht. Die Schlussetappe ging an den Iren Sam Bennett, der sich mit seinem zweiten Etappensieg auch die Punktewertung bei dieser Tour sicherte. Der Radklassiker im Rückspiegel.
Die Sensation
Als die Tour de France am 29. August in Nizza startete, hatten nur wenige Tadej Pogacar tatsächlich auf ihrer Rechnung. Zwar hatte der Slowene bereits in der letzten Saison mit drei Etappensiegen und einem dritten Rang bei der Vuelta sein Können unter Beweis gestellt, als Tour-Neuling schien er aber noch nicht für den Gesamtsieg infrage zu kommen. Doch dann drehte der Debütant auf und spulte eine Tour herunter, wie man es so noch selten gesehen hatte.
Das Einzelzeitfahren, mit dem er am Samstag seinem Landsmann Primoz Roglic das Gelbe Trikot entriss, lässt die Rad-Legenden Lobeshymnen anstimmen. „Ich wusste schon nach der Vuelta, dass er ein Großer ist. So eine Nummer macht man nicht, wenn man kein Talent hat“, sagte der fünfmalige Champion Eddy Merckx über den zweitjüngsten Sieger in der langen Tour-de-France-Geschichte. Pogacar feiert an diesem Montag seinen 22. Geburtstag.
Das Drama
Alles schien angerichtet für Primoz Roglic und seinen ersten Sieg bei der Tour. Die gesamte Rundfahrt hatte er mit seinem Team Jumbo-Visma dominiert und vor dem Zeitfahren einen komfortablen Vorsprung (57 Sekunden) im Gepäck. Was sollte da noch schiefgehen?
Doch dann fiel der ehemalige Skispringer aus allen Wolken und verspielte tatsächlich noch den sicher geglaubten Triumph. Nach dem Zeitfahren hockte er mit käsebleichem Gesicht und leerem Blick auf der Straße. „Mein Kopf ist leer, ich werde weinen“, sagte Roglic, der sich fühlen musste wie ein Skispringer, der im Finaldurchgang von Bischofshofen mit dem letzten Sprung den Tournee-Gesamtsieg vergeigt.
Die Zweifel
Tadej Pogacar erntet für seine Performance nicht nur Applaus, sondern auch Kopfschütteln. Der seit heute 22-Jährige hat bei dieser Tour auf drei Bergteilstrecken (Col de Peyresourde, Grand Colombier, La Planche des Belles Filles) neue Bestzeiten aufgestellt. Ganz zu schweigen von seinem Einzelzeitfahren. „Das war eine der besten Einzelleistungen, die man im Radsport je gesehen hat“, zollte selbst Lance Armstrong dem jungen Slowenen Respekt. Als Dopingsünder muss es der Amerikaner ja wissen.
Die Österreicher
Fünf Österreicher hatten am 29. August in Nizza die 107. Tour de France in Angriff genommen, nur ein Duo schaffte es auch tatsächlich ins Ziel nach Paris.
Gregor Mühlberger stieg wegen eines Infekts auf der elften Etappe vom Rad, Michael Gogl gab am drittletzten Tag auf, an dem auch für Lukas Pöstlberger Schluss war, nachdem ihm eine Biene in den Mund geflogen war. So schafften es am Ende lediglich Tour-Debütant Felix Großschartner (63.) und Marco Haller (143.) in die Wertung.
21. Etappe (Mantes-la-Jolie–Paris, 122 km): 1.S. Bennett (IRE) Deceuninck-Quick Step 2:53:32, 2. Pedersen (DEN) Trek-Segafredo, 3. P. Sagan (SVK) Bora-hansgrohe, 22. Haller (AUT) Bahrain-McLaren alle gl. Zeit, 96. Großschartner +1:06.
Endstand: 1. Pogacar (SLO) Emirates 87:20:05, 2. Roglic (SLO) Jumbo-Visma +59, 3. Porte (AUS) Trek-Segafredo +3:30, 63. Großschartner +3:25:17, 143. Haller +5:46:27.
Sprint: 1. S. Bennett 380, 2. P. Sagan 284, 3. Trentin (ITA) CCC 260.
Berg: 1. Pogacar 82, 2. Carapaz (ECU) Ineos, 3. Roglic 67.
Teams: 1. Movistar 262:15:22, 2. Jumbo-Visma +18:23, 3. Bahrain-McLaren +56:50.