New York: Thiems erster Aufschlag in einer neuen Tenniswelt
Von Harald Ottawa
Gibt man in der Internetsuche US Open ein, dann findet man viel über Corona, viel über die Abspaltung einiger Topleute von der ATP, auch ein paar Links über Rassismus. Freilich erscheinen auch Beiträge über Tennis, um das geht es ja schließlich seit gestern in New York.
Gibt man zu US Open das Wort Favorit ein, taucht auch Dominic Thiem auf, nicht immer ganz oben zwar, aber für viele Experten kann Österreichs Topmann, der heute gegen den Spanier Jaume Munar einsteigt (2. Partie nach 17 Uhr MESZ, Servus TV), den großen Wurf schaffen. Welche Faktoren können entscheidend werden.
Konkurrenz
Noch nie war Dominic Thiem bei einem Grand-Slam-Turnier so gut gesetzt. Hinter dem Ranglisten-Ersten Novak Djokovic (spielte in der Nacht auf heute gegen den Bosnier Damir Dzumhur seine Auftaktpartie, Anm.) schlägt er als Nummer zwei auf. Als Nummer zwei in einem Einzelbewerb eines Majors gesetzt war mit Thomas Muster bislang nur ein Österreicher – bei den French Open 1996. Mit dem Unterschied, dass der Steirer damals wirklich Nummer zwei der Welt war. Thiem profitiert als Nummer drei der Welt vom Startverzicht von Rafael Nadal, der ebenso wie Roger Federer fehlt (Nummer vier). Auf dem Weg ins erträumte Finale muss Thiem keinen Spieler schlagen, der im Ranking vor ihm ist.
Auslosung
Diese hat es recht gut gemeint mit dem Niederösterreicher. Gegen Munar hat Thiem alle drei bisherigen Partien gewonnen. Der 23-Jährige ist nur die Nummer 105 der Welt und zieht das Spiel auf Sand jenem auf Hartplatz vor. Im Falle eines Sieges wartet mit dem Amerikaner Bradley Klahn oder dem Inder Sumit Nagal auch kein Weltstar. „Wenn ich nicht voll da bin, wird die Reise relativ schnell vorbei sein“, sagt Thiem. Für Ex-Profi und Daviscup-Kapitän Stefan Koubek ist eines bedeutend: „Entscheidend ist, dass er gut ins Turnier kommt und die ersten Spiele gewinnt, dann traue ich ihm alles zu.“ Schon in der 3. Runde wartet mit dem Kroaten Marin Cilic ein US-Open-Sieger (2014).
Die Verfassung
Thiem hat in der Corona-Zeit mehr gespielt, als alle anderen Stars. Und dabei 25 von 28 Exhibitions gewonnen. Im Vorfeld der US Open arbeitete Österreichs Ass mit Sportwissenschafter Mike Reinprecht enorm viel im Kraft- und vor allem Konditionsbereich. Thiem: „Wir haben richtig Vollgas gegeben.“ Der Re-Start verlief beim ATP-Turnier, ebenfalls in New York, sehr dürftig: nur drei Games gegen den Serben Filip Krajinovic. Für Tennis-Legende Boris Becker ein Alarmsignal: „Dass die Nummer drei der Welt 2:6, 1:6 verliert, ist kein gutes Zeichen.“
Thiem sieht es nicht so dramatisch. „Ich habe sehr gut trainiert, deshalb weiß ich, dass es schnell wieder in eine andere Richtung gehen kann.“ Das Wichtigste ist, dass er gesund ist. Im Vorjahr unterlag er von einem grippalen Infekt gezeichnet dem Italiener Tomas Fabbiano in Runde eins, vor zwei Jahren ging es ihm im Vorfeld auch nicht besser. Damals gewann er zwischen den French Open und US Open kaum Matches und kämpfte sich leicht krank aber immerhin ins Viertelfinale, das er gegen Nadal verlor.
Die Erfahrung
Boris Becker bleibt kritisch: „Dominic hat noch kein Grand Slam gewonnen, Novak schon 17. Da ist schon ein Unterschied.“ Im Finale der Australian Open unterlag Thiem, der am Donnerstag 27 wird, dem Serben erst in fünf Sätzen. Außer Djokovic stehen mit Cilic und dem Briten Andy Murray nur zwei weitere Grand-Slam-Champions im Bewerb.
Über Corona-Einflüsse
Die Spieler dürfen nur sich nur im Hotel und auf der Anlage aufhalten, werden ständig getestet. „Von New York sieht man wenig, man kann gar nichts machen. Da ist es sogar einfacher, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren“, sagt Thiem.
Dennoch wird man darauf angesprochen, Thiem ist vom positiven Covid-19-Test des Franzosen Benoît Paire überrascht. „Keine Ahnung, ist das Virus mit dem Bus gekommen? Bei ihm im Hotel sind nur Spieler, bei uns sind auch ein paar andere Leute, mit denen wir jedoch nicht in näheren Kontakt kommen.“