Von Haaland bis Carlsen: Warum Norwegen so viele Sport-Stars hat
Im Winter gehören Norwegens Sportler schon lange zu den besten der Welt. Der Medaillenspiegel bei Olympia wurde in der kalten Jahreszeit zuletzt stets von ihnen angeführt. Aber auch im Sommer stellt das 5,5-Millionen-Einwohner-Land in immer mehr Sportarten Weltklasse-Athleten. Norwegen hat sich zu einer Top-Sportnation gemausert. Wie ist das gelungen? Der KURIER begab sich auf Spurensuche.
Wer die Sport- und Naturbegeisterung der Norweger verstehen will, der sollte einmal ein Langlaufrennen auf dem Holmenkollen besuchen. In den Wäldern des Hausberges von Oslo campieren die Norweger von Klein bis Groß bei Minus 20 Grad, feuern die Sportler an und feiern sich selbst und das Leben.
Dieser Drang ins Freie ist der Ursprung des norwegischen Sportwunders, das in Wahrheit keines ist. Dass das kleine Land heute große Erfolge in der Leichtathletik und im Tennis, im Golf, im Beachvolleyball und auch im Fußball feiert, liegt vor allem an der Einstellung der Norweger und ihrem – im wahrsten Sinne des Wortes – bewegten Leben.
Die Menschen zieht es in die Natur, auch bei Regen, Wind und Schnee werden die Kinder ins Freie geschickt. In dem kleinen Land existieren 12.000 Multisportvereine mit fast drei Millionen Mitgliedern. „In Norwegen ist es normal, dass Familien mit Kind und Kegel das Wochenende auf Skiern verbringen“, sagt Felix Gottwald, dreifacher Olympiasieger in der Nordischen Kombination.
Seite an Seite
Aber wieso sind die Norweger auch im Spitzensport so erfolgreich? Eine Antwort findet man in der Hauptstadt Oslo im sogenannten Olympiatoppen. Dort schlägt das Herz des norwegischen Spitzensports, dort haben viele Olympiasieger und Weltmeister ihren Ursprung.
Der Olympiatoppen, ein riesiger Komplex mit modernster Infrastruktur, ist das Zuhause sämtlicher olympischer Sportarten. Hier trainiert 400-Meter-Hürden-Weltrekordler Karsten Warholm Seite an Seite mit Tennis-Ass Casper Ruud oder Skistar Aleksander Kilde. Die Trainer der verschiedenen Sportarten tauschen sich aus, auch in der Technologie- und Sportwissenschaftsabteilung wird eine intensive Zusammenarbeit gepflegt. In vielen anderen Nationen, wo zwischen verschiedenen Sportverbänden oft ein Konkurrenzdenken vorherrscht, wäre so eine Bündelung der Kräfte undenkbar.
„Ich glaube, bei uns in Norwegen inspirieren sich die Sportler aus den verschiedensten Sportarten gegenseitig. Wir kennen einander, wir vertrauen einander, das ist ein riesiger Vorteil“, erklärt der ehemalige Fußballer Jan Age Fjörtoft, der einst auch für Rapid auf Torejagd ging.
Auch im Ski Alpin ist Norwegen seit Jahrzehnten eine Top-Nation, deren Athleten nicht nur Titel und Trophäen abräumen, sondern auch in der Gunst der Fans ganz vorne liegen. Fjörtoft bedauert es, dass Jungstar Lucas Pinheiro Braathen inzwischen für Brasilien an den Start geht. „Er war der größte Botschafter auf Ski, weil er den X-Faktor hat. Er hat was von einem Popstar.“
Popstars der Gegenwart
Popstars hat Norwegen dennoch viele, ein Auszug der aktuell erfolgreichsten: Im Wintersport ist die Liste lang, geht von Ski-Alpin-Star Henrik Kristoffersen über Therese Johaug, die Grand Dame des Langlaufs, und Loipen-Dominator Johannes Klaebo bis hin zum König der Biathleten Johannes Thingnes Boe. Aber auch mit dem Ball sind die Norweger mittlerweile bestens vertraut. Erling Haaland ist aktuell wahrscheinlich der beste Fußballer auf diesem Planeten. Anders Mol und Christian Sorum sind aus der Beachvolleyball-Elite nicht wegzudenken. Im Tennis hat sich Casper Ruud in der Weltspitze etabliert. Die norwegischen Handballerinnen haben sich im Paris Olympia-Gold gesichert, Victor Hovland schlägt den Golfball wie kaum ein anderer Europäer. Auch ohne Ball geht es in Norwegen rund: Magnus Carlsen ist der Meister der Schachzüge. In der Leichtathletik halten Jakob Ingebrigtsen und Karsten Warholm Weltrekorde, beide sind Olympiasieger.