Sport

Sport-Handwerk mit Kultstatus

Stock oder Pfeil? Bandenzauber oder Spitzentanz? Das waren zuletzt die großen Fragen in Großbritannien. Die Sportwoche auf der Insel stand ganz im Zeichen zweier Disziplinen, die hierzulande eher mit Spiel denn mit Sport in Verbindung gebracht werden: Snooker und Darts.

Während die weltbesten Snooker-Spieler in Sheffield noch bis Montag ihren Meister ermitteln, versammelte sich in Birmingham die Darts-Elite zur Premier League. Die englischen TV-Sender Sky und BBC meldeten einmal mehr Rekordquoten.

Längst ist die Welle der Begeisterung auch über den Ärmelkanal nach Kontinentaleuropa übergeschwappt. Dank Eurosport (Snooker) und Sport 1 (Darts) sind auch die Fans im deutschsprachigen Raum im Bilde, wenn die Stars der Szenen zur Handarbeit schreiten.

Woher rührt diese Faszination? Warum verfallen so viele auch hierzulande dem Bandenzauber? Warum ist für manche die Welt eben doch eine Scheibe? Und welche anderen Randsportarten ziehen ebenfalls Land und Leute in deren Bann?

Snooker: Das Spiel mit den 15 roten und sechs andersfarbigen Kugeln gilt als die Königsdisziplin des Billard, denn es vereint Präzision, Konzentration und Taktik wie nur wenige Sportarten.

Die Ausnahmeerscheinung unter all den hoch veranlagten Profis ist der Engländer Ronnie O’Sullivan. Der 38 Jahre alte Fünffach-Weltmeister steht heute zum dritten Mal in Folge im WM-Finale (ab 15 Uhr MESZ/live Eurosport). Von Typen wie O’Sullivan lebt der Sport. In dem elitären Sport mit der strengen Etikette gilt er als Enfant Terrible. So manchen Schiedsrichter oder Reporter brachte O’Sullivan schon mal mit obszönen Gesten in Verlegenheit; Depressionen versuchte er in Alkohol und Drogen aufzulösen, als sein Vater zu Beginn der 90er-Jahre wegen Totschlags verurteilt wurde.

Den Großteil dieser Saison blieb O’Sullivan den Turniertischen fern. Das Reisen missfällt ihm, ebenso die PR-Arbeit. Die Popularität hat ihren Preis. Snooker ist dabei, die Welt zu erobern. Beim Spartensender Eurosport war Snooker die erste nicht-olympische Sportart, die eine Million Zuschauer vor die Fernsehgeräte lockte.

Als "entschieden zu britisch" hatte der ehemalige Verbandsboss Barry Hearn einst den Sport gefunden. Der Funktionär gründete daraufhin eine zweite Turnierserie, in der die millionenschweren Profis auch in Bulgarien, Polen, Deutschland oder China ihre Tischmanieren zur Schau stellen sollen.

Mittlerweile hat Hearn die Seiten gewechselt und ist der Vorsitzende des internationalen Darts-Verbandes (PDC).

Darts: Auch im Spiel mit Pfeil und Scheibe bewiesen Athleten und Funktionäre ihr goldenes Händchen. Die Premier League im Darts mit ihren 15 Spieltagen ist, gemessen an der Gesamt-Zuschauerzahl, aktuell das größte Hallensport-Ereignis in Großbritannien. Die Profis verkörpern im Wortsinn zwar noch immer die britische Pub-Kultur, doch genau diese stets laute, oft raue, manchmal unbequeme Atmosphäre macht für viele Fans den Reiz aus.

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Auch im Darts mangelt es nicht an Charakteren mit dem Typenschein. Phil Taylor, 53, tätowiert an Armen und Oberkörper, ist der erfolgreichste Spieler der Geschichte. Das Preisgeld des Engländers von über 200 Turniersiegen als Profi, darunter 16 (!) WM-Titel, summiert sich auf mehrere Millionen Pfund. Werbeeinnahmen machten ihn schließlich zum Multimillionär.

Schwingen: Von so viel Lob und Preisgeld können die passionierten Schwinger nur träumen. Aber immerhin sind die Protagonisten dieser Schweizer Variante des Ringens, die gerne auch Hosenlupf genannt wird, in ihrer Heimat richtige Stars und bekannte Werbeträger.

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Das eidgenössische Schwing- und Älplerfest, das alle drei Jahre stattfindet, ist die größte Einzelsportveranstaltung des Landes. Für das Sport- und Kulturfest 2013 wurde in Burgdorf eigens eine Arena für 52.000 Zuschauer aufgestellt. An den drei Wettkampftagen wurden 300.000 Besucher registriert und 70 Millionen Euro umgesetzt. Trotzdem ist der Hauptpreis für den Sieger lediglich eine Muni, der Schweizer Ausdruck für eine Kuh. Der aktuelle King of Schwing hat dafür durchaus Verwendung.

Matthias Sempach ist Metzger und Bauer.