Rad-Hoffnung Felix Gall: "Das hat mich extrem gestresst"
Von Christoph Geiler
Es gab Momente in der Karriere des Radprofis Felix Gall, in denen er sich mit massiven Selbstzweifeln abstrampelte und ihm die Sinnfragen nur so durch den Kopf schossen:
Wird das noch etwas mit der großen Laufbahn bei den Großen? Reicht sein Talent wirklich, um mit der Konkurrenz Tritt halten zu können? Und: War der Sieg seinerzeit bei der Junioren-WM etwa gar nur eine Eintagsfliege?
„Ich habe mich mit den gleichaltrigen Kollegen verglichen und was die schon alles erreicht haben“, erzählt der Juniorenweltmeister von 2015. Und natürlich kann man da schnell einmal Komplexe oder einen Knacks kriegen, wenn andere Radprofis aus dem Jahrgang 1998 schon fleißig Trophäen, Titel und Trikots sammeln.
Gleicher Jahrgang wie Pogacar
Wie etwa der Slowene Tadej Pogačar, der in diesem Alter bereits zwei Mal die Tour de France gewonnen hat und der aktuelle Superstar des Radsports ist. Oder auch der Schweizer Marc Hirschi, der schon den Sieg beim Klassiker Flèche Wallone vorweisen kann und 2020 WM-Dritter war.
Beide hatte Felix Gall in jungen Jahren hinter sich gelassen. „Das hat mich extrem gestresst, und ich habe mich dadurch auch selbst unter Druck gesetzt“, gesteht Gall. „Diese Vergleiche waren nicht hilfreich. Eigentlich war’s ein Blödsinn.“
Denn natürlich hatte der Osttiroler genau mitgekriegt, dass er hierzulande unter genauerer Beobachtung steht als andere gleichaltrige Radfahrer. Felix Gall war 2015 der erste Österreicher, der bei einer Junioren-WM auf der Straße den Titel holen konnte, ihm wurde eine große Zukunft prophezeit. Er galt als größte heimische Rad-Hoffnung, mit 18 hatte er den ersten Jungprofivertrag in der Tasche. „Der WM-Titel war ausschlaggebend, dass ich ein Team gefunden habe. Heute bringt mir das nichts mehr“, weiß der 24-Jährige.
Aufwärtstrend
Und das ist auch gut so. Denn Felix Gall ist es mittlerweile gelungen, dass er nicht mehr als früherer Junioren-Weltmeister gesehen wird, sondern als Radfahrer, der sich bei den Profis etabliert hat. Vor wenigen Wochen beendete der Athlet des französischen AG2R-Teams die Baskenland-Rundfahrt auf dem zwölften Rang und kam bei der Königsetappe als Zehnter ins Ziel. Am ersten Tag der prominent besetzten Tour of the Alps, die durch das Trentino, Südtirol und Osttirol führt, belegte Gall am Montag den fünften Rang und am Dienstag den vierten - auch in der Gesamtwertung ist Gall Vierter.
„Die Baskenland-Rundfahrt war für mich persönlich ein kleiner Durchbruch, sagt der Österreicher. Als er damals auf der anspruchsvollen Schlussetappe in der Spitzengruppe über die steilen Berge fuhr, war er von sich selbst überrascht. „Ich habe mir gedacht: Was mach’ ich eigentlich da vorne? Da habe ich ja gar nichts verloren.“
Bei der Tour of the Alps, die am Freitag unweit seines Heimatortes Nußdorf-Debant in Lienz endet, ist er als Rundfahrtspezialist nun bereits der Leader seines Teams. Auch beim Giro d’Italia (ab 6. Mai) setzt man auf die Kletterfähigkeiten des Osttirolers, bei dem die kleinen Selbstzweifel von einst großem Selbstvertrauen gewichen sind. „Ich weiß jetzt nämlich, dass ich mithalten kann.“
Tour of the Alps, 2. Etappe (San Martino di Castrozza–Lana, 154,1 km): 1. Bilbao (ESP) Bahrain-Victorious 3:56:04, 2. Bardet (FRA) DSM, 3. Valter (HUN) Groupama-FDJ, 4. Gall (AUT) AG2R Citroën, 15. Pernsteiner (AUT) Bahrain-Victorious alle gl. Zeit.
Gesamt: 1. Bilbao 8:08:15, 2. Bardet +6, 3. Valter +12, 4. Gall +16, 14. Pernsteiner +20. – Mittwoch: Lana–Villabassa (154,6 km).