Sport/Olympia-2016

Olympia: Nur für die Segler ist Land in Sicht

Der Schweizer Kollege am Nebentisch schaut beim Frühstück mitgenommen aus: "Ich musste gestern wieder zu einer Medaillenfeier", sagt er. Nicht einmal Emmentaler gibt es am Frühstücksbuffet zum Aufpäppeln.

Harte Zeiten für den Eidgenossen. Zum Neidgenossen könnte man als Österreicher werden.

Am Vortag gewann Giulia Steingruber Bronze im Turnen und holte die fünfte Schweizer Medaille. "Damit haben wir die Erwartungen bisher knapp erfüllt, aber da sollte schon noch einiges kommen", sagt er und schießt nach: "Wie schaut es eigentlich bei euch aus?"

"Null!"

"Null?"

"Ja, wie vor vier Jahren in London."

"Und wo habt ihr noch Chancen?"

"Segeln. Punkt. Aus."

"Segeln?", fragt der Schweizer Kollege zum Abschluss dann noch ungläubig.

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Seit 2922 Tagen wartet Österreich auf eine Medaille bei Olympischen Sommerspielen. Ob es 2016 noch eine wird, ist offen. Zumindest zwei der vier österreichischen Boote segeln in den Medaillenrängen. Die auch im KURIER vor zwei Wochen als "Medaillenbank" bezeichneten 470er-SeglerinnenLara Vadlau und Jolanta Ogarsteuern auf die anvisierte Medaille zu. Das Duo liegt derzeit auf dem dritten Zwischenrang. Im entscheidenden Medal Race am Mittwoch gibt es dann doppelte Punkte.

Die Erwartungen bisher sogar übertroffen hat das Nacra17-Duo Thomas Zajac/ Tanja Frank. Auch sie belegen vor dem Medal Race am heutigen Dienstag (19.05 MESZ) Platz drei.

Im 470er-Bewerb der Herren liegen Matthias Schmid und Florian Reichstädter nach sieben Wettfahrten auf Platz fünf, der Rückstand auf eine Medaille beträgt zehn Punkte. Die Entscheidung fällt am Mittwoch.

Beim hoch gehandelten 49er-Team Nico Delle Karth und Niko Resch herrscht hingegen Ratlosigkeit. Zur Regatta-Halbzeit liegen sie nur an 14. Stelle unter zwanzig Teams. Ihr Medal Race steigt am Donnerstag.

Doch wo sind die anderen? Während der Schweizer Kollege Medaillengewinner im Radsport, Tennis, Rudern, Schießen und Turnen beglückwünschen und interviewen musste/durfte, gingen die Österreicher abseits des Atlantiks allesamt baden.

Am nächsten dran war bisher Judoka Bernadette Graf: Sie verlor ihren couragierten Kampf um Bronze knapp. Für eine positive Überraschung in einer Elementarsportart sorgte der erst 24-jährige Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger. Im Finale fehlten dem Oberösterreicher als Sechstem aber doch noch 2,55 Meter auf das Podest. Zumindest für ihn kann Tokio 2020 kommen.

Abrechnungen

Derweil üben sich die Verantwortlichen der rot-weiß-roten Delegation in Durchhalteparolen. Zwar wolle man vor dem Ende der Spiele keine Bilanz ziehen, sie tun es aber dann doch. Erst gestern Abend (Ortszeit) luden Sportminister Hans Peter Doskozil und Projekt-Rio-Chef Peter Schröcksnadel zu einer Pressekonferenz ins Österreich-Haus. Immerhin nähert sich die Anzahl der Top-10-Platzierungen jener von London an.

Segelt Österreich noch aufs Podest, ist vieles wieder gut. Ernsthaft? Nicht nur in der Heimat mischt sich zur Systemkritik ein Hauch von Schadenfreude. Der Ski-Weltcup in Sölden naht ja schon Ende Oktober, und dort schneit es regelrecht Erfolge. Die unumstößliche Annahme, Österreich sei einfach eine Wintersport-Nation, ist nicht nur kurzsichtig, sondern schlicht falsch.

Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi gewann Österreich 17 Medaillen, jedoch nur in sechs der 15 Sportarten. Nur im alpinen Skilauf gab es mehr als zwei Medaillen. In den Kernsportarten Eisschnell- und Eiskunstlauf sowie im Langlauf gab es insgesamt drei Top-10-Ränge.

Das haben in Rio allein Österreichs Tischtennisspieler zustande gebracht.