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Neo-Handball-Teamchef Pajovic: "Diktator bin ich keiner"

Er würde ganz gut vor den Eingang eines angesagten Clubs passen, aber Ales Pajovic, fast zwei Meter groß, Glatze, Vollbart, steht viel lieber an der Seitenlinie. Der 40-jährige Slowene ist Handballtrainer und betreut seit wenigen Monaten das österreichische Herren-Nationalteam.

Die Aufgabe könnte reizvoller kaum sein. Im Jänner veranstaltet Österreich mit Norwegen und Schweden die EM. Die rot-weiß-rote Auswahl ist zwar Stammgast bei Endrunden, dennoch ist das Heimturnier etwas Spezielles, wie auch Pajovic, dreifacher Champions-League-Sieger und EM-Zweiter, zugibt.

KURIER: Herr Pajovic, reicht die Vorbereitung bis zur EM im Jänner?

Ales Pajovic: Sie muss reichen, obwohl es nie genügend Zeit ist. Meine erste Woche beim EHF EURO Cup im Frühjahr war gut. Das Klima innerhalb der Mannschaft ist bestens.

Welche Ziele haben Sie für die kommenden Wochen?

Das Wichtigste ist in erster Linie, eine gute Vorbereitung hinzubekommen. Ich brauche den engen Kontakt zu den Spielern, ich will wissen, wie es ihnen in den Vereinen geht. Ich werde daher einige Reisekilometer sammeln in den kommenden Wochen und Monaten.

Es ist erst Ihre zweite Trainerstation. Wie groß ist die Umstellung als Teamchef?

Schon groß. Normalerweise wäre ich im Juli bei einem Klub in die Vorbereitung gestartet, doch mein nächster Lehrgang ist nun erst im September. Es ist schon ein wenig komisch, muss ich gestehen. Für mich war es die letzten Jahrzehnte normal, jeden Tag in die Trainingshalle zu gehen.

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Wie lange haben Sie überlegt, als das Angebot des österreichischen Verbandes gekommen ist?

Ehrlich gesagt hatte ich langfristige Ziele mit der HSG Graz. Aber zu so einem Angebot kannst du nicht Nein sagen. Nationalteamtrainer ist eine Ehre und eine Chance, vor allem im Vorfeld einer Heim-EM.

Wie haben Sie das österreichische Nationalteam zuletzt verfolgt?

Ich würde sagen, Österreich war zuletzt immer okay. Sie waren fast immer bei den großen Turnieren dabei. Das ist einmal eine gute Basis. Bei der letzten WM kam mir vor, dass vielleicht ein wenig das ganz große Feuer gefehlt hat. Mein Vorgänger war acht Jahre im Amt, das ist eine sehr lange Zeit im Profisport. Was ich aber bei den ersten Einheiten und Spielen gesehen habe, ist, dass die Mannschaft intakt ist. Jetzt liegt es an mir, die letzten Prozente herauszuarbeiten.

Sie waren als Spieler bei vielen Endrunden und bei zwei Olympischen Spielen. Hilft das als Trainer?

Man muss sich als Trainer schon ein wenig von seiner Spielerkarriere lösen. Natürlich hat man Erfahrung, die helfen kann. Aber man muss die Erfahrung in Stresssituationen auch erst zu nutzen wissen.

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Welcher Trainer hat Sie im stärksten beeinflusst?

Ganz klar Talant Dujshebaev (zweifacher Welthandballer und als Trainer unter anderem vierfacher Champions-League-Sieger, Anmerkung) bei Ciudad Real. Nicht nur was das Spiel an sich betrifft, sondern vielmehr, was die Menschenführung angeht. Bei einem Klub oder im Nationalteam prallen viele große und kleine Egos aufeinander. Die gilt es zu vereinen.

Kumpelhaft oder autoritär – wie würden Sie sich selbst und Ihren Stil als Trainer beschreiben?

Diktator bin ich keiner. Aber mit 18 Spielern bei einem Lehrgang kommt man mit reiner Demokratie auch nicht weit. Das Wichtigste ist Respekt. Wenn der gegeben ist, hat man eine gute Basis, um arbeiten zu können. Prinzipiell bin ich eher ein ruhiger Typ und kein typischer Balkan-Trainer (lacht).

Die siebente Endrunde in den vergangenen zehn Jahren ist für Österreichs Handballer eine ganz besondere – findet sie doch in der Heimat statt. Das größte EM-Turnier der Geschichte bildet auch den Schwerpunkt der zweiten Ausgabe des KURIER-Handball-Magazins, das ab sofort im Zeitschriftenhandel erhältlich ist sowie versandkostenfrei unter magazin@kurier.at um 9,50 Euro bestellt werden kann.

Lesestoff gibt es zur Genüge auf den 128 Seiten, etwa über ...

... Österreichs Vorrundengegner im Jänner in der Wiener Stadthalle sowie den kompletten Spielplan, der die weltbesten Handballer auch nach Graz bringt;

... die Ausnahmeerscheinungen der Endrunde. Wir stellen zehn Protagonisten vor, die die EM prägen können, darunter Mikkel Hansen von Weltmeister und Topfavorit Dänemark;

... Kiel-Star Nikola Bilyk. Auf Österreichs Teamkapitän wird eine spezielle Rolle zukommen, Ratschläge kann sich der Rückraumspieler dabei von seinem Vorgänger Viktor Szilagyi holen, der sich an die Herausforderungen und Drucksituationen bei der Heim-EM 2010 erinnert;

...  Robert Weber. Der Vorarlberger ist einer von zwei Teamspielern, der auch schon 2010 mit dabei gewesen ist. Er blickt auf eine zehnjährige Ausnahmekarriere beim großen SC Magdeburg zurück. Der Flügelspieler hat den Klub geprägt wie nur wenige vor ihm, er zählt zu den besten Torjägern der Liga-Geschichte;

... eine etwas andere Legionärin. Die Wienerin Sonja Frey wechselte im Sommer nach Dänemark und wähnt sich am Ziel. Doch Handball allein war ihr nie genug, "wir Spitzensportler leben in einer Blase", sagt sie im Interview und fordert von der Jugend „mehr Selbstdisziplin“;

... ein Handball-Wunder. Zugetragen hat es sich in Wien-Atzgersdorf, wo die Damen-Mannschaft nach 42 Jahren Serienmeister Hypo NÖ entthront hat;

... eine nicht minder kleine Erfolgsgeschichte in der spusu LIGA. Die Herren des UHK Krems krönten sich erstmals seit 1977 zum Meister. Schon bald beginnen für den Doublegewinner die Titelverteidigungen.

Sie haben im ehemaligen Jugoslawien Handball erlernt. Welche Erinnerungen haben Sie an das Training?

Ich muss zuerst sagen, dass ich nichts anderes kannte damals. Es schien mir normal. Aber der Druck war schon enorm. Nach zwei Fehlern bist du sofort vom Feld geschickt worden. Und erklärt, was du anders machen sollst, wurde dir nichts. Rückblickend war es eine ganz gute Schule, weil ich bald wusste, dass ich es selbst komplett anders machen möchte. Allein mit Druck funktioniert nicht viel. Es gibt aber leider noch immer sehr viele Trainer in unserem Sport, die wirklich keine Ahnung von der Materie haben.

2004 haben Sie mit Slowenien eine Heim-EM gespielt. Welche Emotionen weckt das Turnier noch bei Ihnen?

Daheim zu spielen, ist etwas ganz Anderes. Ich versuche, es den Jungs deutlich zu machen, was aber nicht so einfach ist. Sie müssen es dann einfach selbst spüren und annehmen. Aber natürlich kann der Heimfaktor noch ein paar Extraprozente Leistung freisetzen.

Wie lange hat Sie das verlorene EM-Finale von damals gegen Deutschland noch begleitet?

Es war für Slowenien die erste Medaille bei einer WM oder EM. Schon der Finaleinzug war etwas Großes. Die Trauer nach der Niederlage gegen Deutschland war kurz. Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn ich mir heute die Silbermedaille ansehe.