Formel-1-Milliardär im Zwielicht
Die ganz große Bühne hatte sich Vijay Mallya für seinen indischen Formel-1-Rennstall Force India stets gewünscht. Sie ist dem indischen Milliardär dieser Tage gewiss. Zum zweiten Mal braust die extravagante Rennserie dieses Wochenende durch die Einöde von Noida, südlich von Neu-Delhi, doch für den Unternehmer und Teambesitzer dürfte das Heimspiel zum Trauerspiel werden.
Gegen den 56-jährigen Mallya, einen der reichsten, in jedem Fall aber den schillerndsten Bürger Indiens, soll kürzlich ein Haftbefehl in seiner Heimat ausgestellt worden sein. Seine Fluglinie Kingfisher drückt eine Schuldenlast von 1,4 Milliarden US-Dollar.
Der 2005 gegründete Airline stehen heftige Turbulenzen bevor – und zwar auf dem Boden. Ein Großteil der Mitarbeiter streikt, weil seit Monaten kein Gehalt mehr überwiesen wurde. Von den 66 Fliegern seiner Flotte heben derzeit nur zehn ab. Pro Tag steigen die Verluste um 800.000 Dollar.
Rechnungen
Rechnungen und Gebühren sollen von Kingfisher schon länger nicht mehr bezahlt werden. Ein indischer Flughafenbetreiber beantragte daher die Strafverfolgung von Mallya und einigen hochrangigen Mitarbeitern seiner Fluglinie. Dies bestätigte zuletzt auch Bob Fernley, der stellvertretende Teamchef bei Force India.
2007 hatte Mallya das chronisch erfolglose und unterfinanzierte Spyker-Team erworben. Er tat, was er mit all seinen Unternehmen tut: Er restrukturierte die Organisation und schloss eine enge Kooperation mit Mercedes ab, er investierte in die Infrastruktur und erneuerte den Windkanal. Um Gewinne ging es kaum.
Dabei ist der Formel-1-Rennstall gerade dabei, die große Kurve zu kratzen und den Weg aus dem Niemandsland zu finden: Sechs Mal in den jüngsten fünf Rennen landeten die Piloten Nico Hülkenberg (D) und Paul di Resta (Sco) in den Punkterängen.
Die Formel 1 sollte das glänzende Prestigeobjekt seines Mischkonzerns sein. Neben der Airline ziert vor allem United Brewery, der weltweit drittgrößte Produzent alkoholischer Getränke, sein Firmenimperium.
Das Engagement in der Königsklasse sah Mallya als einmalige Chance für den Subkontinent und verkaufte es als nationales Projekt. Er nannte das Team "Kraft Indiens" und ließ die Boliden in den Nationalfarben über die Rennstrecken dieser Erde kreisen. "Es gibt in Indien eine riesige Mittelschicht, mehr als 300 Millionen junge Leute, so viele wie in ganz Europa", sagt er, "sie interessieren sich für internationalen Sport, für Glamour."
"König der guten Zeit"
Die Formel 1 passt zu dieser Vision, und Mallya passt zur Formel 1. Seine Ohrläppchen zieren dicke Brillanten, seine Handgelenke goldene Uhren und üppige Kettchen. Während seine Teamchef-Kollegen hektisch durch das Fahrerlager sausen und telefonieren, lässt sich Mallya bei Bedarf von seinem Butler das Mobiltelefon reichen.
"König der guten Zeit" nennen sie den Ehrendoktor der Philosophie in seiner Heimat. Er feiert und prasst, was seinen Freund und Ex-Teamchef Flavio Briatore zu der These verleitete: „Würde man ihn drei Jahre wegsperren, wäre er der reichste Mann der Welt.“
Bei der Anreise zum Grand Prix hat Mallya wieder einmal die Qual der Wahl: In seinen Privatbesitz fallen 260 Automobile, ein Privatjet samt echtem Picasso an Bord und drei Yachten. Die 95 Meter Länge der "Indian Empress" hätten es als große Bühne wohl auch getan.
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