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"Formel-1-Autos sind Höllenmaschinen"

So sehen also Legenden aus: graues Haar, sonnengebräunte Haut, strahlend weißes Lächeln. Mario Andretti ist 72 und noch immer ein Star. Rennsport-Fans verehren ihn – hier in den USA, drüben in Europa. Andretti hat alles gewonnen, was es im Motorsport zu gewinnen gibt, nun ist er Botschafter der Formel-1-Premiere in Austin (Texas) am kommenden Sonntag. Vor einem Monat durfte der Italo-Amerikaner die erste Runde auf dem "Circuit of the Americas" drehen, er saß dabei in seinem Weltmeister-Lotus aus dem Jahr 1978. "Wir hatten ein paar Autos vor Ort. Emotionen hin oder her. Ich wäre lieber im Lotus von 2010 gesessen", sagt er, "als Rennfahrer möchte man immer das schnellste Auto fahren."

KURIER: Mr. Andretti, wie kam der Motorsport in Ihr Leben?
Mario Andretti: Ich war 14, als ich meinen ersten Grand Prix in Monza sah und mir dachte: "Gott, bitte gib mir die Möglichkeit, das auch einmal tun zu dürfen!"

Das dauerte allerdings noch einige Zeit. Bis zu Ihrem 19. Lebensjahr lebten Ihre Familie und Sie in einem Flüchtlings­lager in Italien. Wie sehr hat Sie diese Zeit geprägt?
Mein Vater war ein guter, ehrlicher Mann. Dennoch kann ich nicht sagen, dass ich nie hungrig gewesen wäre oder dass ich nie gefroren hätte. Ich bin bis heute kein Verschwender. Europa war damals ein einziges Durcheinander: Kommunisten, Faschisten, Nationalsozialisten. Von den USA hatten wir nur Gutes gehört. Wir hatten einen Onkel in den Staaten, das war unsere Chance. Es gab nicht viel, dem wir nachtrauern mussten.

Sie haben im Rennsport fast alles gewonnen. Was war die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung ist es immer, das Equipment unter einem ans Limit zu bringen. Um ehrlich zu sein, fühlte es sich für mich in der Formel 1 am besten an. Die Wendigkeit dieser Autos ist unbeschreiblich. Ich mochte auch die IndyCar-Serie, weil man sowohl Oval- als auch Straßenkurse befährt. Aber darin liegt auch das Problem: Ein IndyCar ist schwerfälliger, weil es ein Kompromiss ist. Als ich das erste Mal in einem Formel-1-Auto gesessen bin, dachte ich nur: "Das ist es!"

Indy 500 oder Formel-1-WM – welcher Titel bedeutet Ihnen mehr?
Indy ist nur ein Rennen, aber dafür das am meisten beachtete der Welt. Ich hoffe, ich muss mich nie für einen der beiden Titel entscheiden, aber wenn doch, dann würde ich wohl die Formel 1 den 500 Meilen von Indianapolis vorziehen.

Was fasziniert Sie noch heute an der Formel 1?
Sie erlebt derzeit einen ihrer besten Momente. Die Strecken, die in den letzten Jahren entstanden sind, sind fantastisch, die Autos Höllenmaschinen. Die Formel 1 ist die weltweit einzige Rennserie, die nicht zu einer Einheitsklasse verkommen ist. Die Teams sind sehr individuell. Das macht es faszinierend. Vom technischen Standpunkt kommt nichts der Formel 1 nahe. Die harten Renn-Fans wissen das zu schätzen.

Auch die in den USA?
Das Fan-Potenzial der Formel 1 in den USA wird unterschätzt. Sie hatte nur nie eine Heimat in den USA.

Warum war Indianapolis keine Heimat?
Es gab zwei Probleme: Erstens funktioniert es nicht, wenn du ein Oval hast und einen Straßenkurs hineinbaust. Der Kurs innerhalb
des Ovals ist eine Micky-Maus-Strecke. Und das zweite Problem war das Michelin-Desaster 2005. Die Fans fühlten sich betrogen. Davon hat sich Indy nie wieder erholt. Und wenn das Interesse schwindet, bist du erledigt.

Das soll in Austin anders sein?
Ist es auch, ganz bestimmt. Der Kurs erfüllt alle Anforderungen an eine moderne Formel-1-Strecke. Die Sicherheit ist hoch, die Überholmöglichkeiten sind fantastisch. Es geht rauf und runter, wir Rennfahrer lieben das. Und die erste Kurve ist der Hammer: Erst geht es steil bergauf, und dann wird es teuflisch eng. Das erinnert mich an Zeltweg.

Kennen die US-Fans die Fahrer in der Formel 1?
Natürlich. Die Szene wird verfolgt. Das Gute für die Formel 1 ist, dass man nicht mehr einen Fernseher braucht, um die Rennen zu sehen. Die Leute können ihr Smartphone verwenden oder den Laptop.

Stichwort Neue Medien: Sie sind auf twitter und facebook aktiv. Woher nehmen Sie mit 72 die Energie dafür?
Das ist nicht schwer. Ich liebe mein Leben und bin dankbar, es leben zu dürfen. Motorsport ist noch immer das Zentrum meiner Aufmerksamkeit. So lange ich selbstständig atmen kann, wird sich das nicht ändern.

Zur Person

Mario Andretti: Geboren am 28. Februar 1940 im italienischen Montana (heute kroatisch: Motovun). 1959 wanderte die Familie in die USA nach Pennsylvania aus, wo Andretti heute noch lebt. Andretti ist der Vater von Michael Andretti sowie der Großvater von Marco Andretti, die beide ebenfalls Rennfahrer sind.

Erfolge: 1967 gewann Mario Andretti das Daytona500- Rennen der NASCAR-Serie und ist bis heute der einzige in Europa geborene Rennfahrer, dem dies gelungen ist. Zwei Jahre später siegte er bei den 500 Meilen von Indianapolis. Von 1968 bis 1982 bestritt er 128 Formel-1-Rennen. Sein Debüt gab er 1968 beim Großen Preis der USA mit einem Knalleffekt: Andretti fuhr auf die Poleposition. Im Rennen fiel er mit Defekt aus. 1978 kürte er sich mit Lotus zum Weltmeister, 1984 gewann er die IndyCar-Serie für sich.

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Am kommenden Wochenende startet die Formel 1 im Austin ihren nächsten Versuch endlich auch den lukrativen US-Markt erobern: "Die Rückkehr in die Vereinigten Staaten ist ein wichtiger Schritt. Für unseren Sport und seine Außenwirkung", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. "In wirtschaftlicher Hinsicht sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort", urteilte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.

Doch der Weg in die Herzen und an die Geldbeutel der US-Sportfans ist beschwerlich. Zwar macht die Formel 1 bereits zum 63. Mal Station in den Vereinigten Staaten, nachhaltigen Erfolg aber hatte der Grand-Prix-Zirkus bisher nicht. Die Gastspiele in Watkins Glen, Phoenix, Detroit, Las Vegas, Dallas, Sebring oder im Motorsport-Mekka Indianapolis verschwanden früher oder später wieder aus dem Rennkalender.

"Sie wollen Profit machen, bevor sie etwas anfangen. Das ist nicht einfach. Die Formel 1 wird nichts Großes in Amerika werden", unkte Chefvermarkter Bernie Ecclestone noch vor knapp einem Jahr.

Zumindest Geduld müsse die Formel 1 beweisen, urteilte Branchenexperte Marcel Cordes. "Ein Erfolg der Königsklasse in den USA wird sich nicht über Nacht einstellen, sondern kann nur ein langfristiges Ziel sein", sagte der Vorstand der Sponsoring-Beratung Sport+Markt. Das Interesse an der Formel 1 sei allerdings in den vergangenen drei Jahren in den USA spürbar gestiegen und mittlerweile auf einem Level mit der Indycar-Serie.

Standort Austin

Austin sei als Standort eine gute Wahl. "Seine Einwohner sind jung, technologiebegeistert und auch ein wenig verrückt - alles Attribute, die es der Formel 1 erleichtern werden, Fuß zu fassen", erklärte Cordes. Zudem dürften viele Fans aus dem nahen Mexiko nach Austin pilgern, um Landsmann Sergio Perez zu unterstützen.

Dagegen fehlt der Formel 1 seit Jahrzehnten ein Star aus den USA. Die Zeiten der Weltmeister Phil Hill (1961) und Mario Andretti (1978) sind lange vorbei. Der letzte US-Glücksritter in der Königsklasse war Scott Speed, der 2006 und 2007 in 28 Rennen für Toro Rosso punktlos blieb. Dann musste er nach einem Streit mit dem österreichischen Teamchef Franz Tost gehen - und ebnete so den Weg für Sebastian Vettel ins Toro-Rosso-Cockpit.

Vor Speed war 13 Jahre lang kein Amerikaner in der Formel 1 aufgetaucht. Die meisten talentierten US-Rennfahrer suchen ihr Glück in der populären NASCAR-Serie. Der Versuch, für die Saison 2010 ein amerikanisches Team unter dem Namen USF1 in der Formel 1 zu etablieren, scheiterte kläglich. Zudem musste das für 2013 geplant gewesene Rennen in New Jersey um mindestens ein Jahr verschoben werden.

20.000 Tickets

Das Wochenende in Austin soll nun der Wendepunkt sein. Die 120.000 Tickets für das Rennen sind nahezu ausverkauft. Der Grand Prix soll der Region deutlich mehr als 200 Millionen Euro an Umsätzen bringen. "Das ist ein Land mit riesigen Möglichkeiten für die Formel 1", sagte Lotus-Teamchef Eric Boullier.

Die Teams hoffen auf neue Sponsoren, die Hersteller wollen ihre Marke präsentieren. "Nordamerika ist mittlerweile unser größter Markt", sagte Mercedes-Manager Haug und verweist auf enorme Wachstumsraten. Das Interesse der Amerikaner an europäischen Sport-und Luxuswagen sei trotz der Wirtschaftskrise "sehr stark", bestätigte Experte Cordes. Daher sei das Rennen in Austin die Chance für Autobauer wie Ferrari, Mercedes und McLaren, ihre Kompetenz und ihr Image vor einem wichtigen Publikum zu unterstreichen.

Die Tage von Texas befeuern also einmal mehr den amerikanischen Traum der Formel 1. "Das ist die goldene Gelegenheit für den Sport, endlich hier Wurzeln zu schlagen und ein langfristiges Zuhause zu finden", meinte McLaren-Teamchef Whitmarsh.