Der beste Autofahrer der Welt
Sebastian Vettel hat Fernando Alonso, Lewis Hamilton und Michael Schumacher, doch der Gegner von Sébastien Loeb ist erbarmungsloser als jeder Formel-1-Fahrer der Welt. Loeb, 38, hat nur eines im Sinn, wenn er in seinem Dienstauto sitzt, driftet und rutscht: die Zeit.
Das mag vielleicht auch daran liegen, dass dem französischen Rallye-Fahrer schön langsam die Konkurrenten auszugehen scheinen. Loeb pulverisierte im vergangenen Jahrzehnt so ziemlich jeden Rekord, den der Rallye-Sport zu bieten hatte. Nach dem Triumph bei der Deutschland-Rallye am Sonntag ist der mittlerweile 74-fache Sieger von WM-Läufen drauf und dran, seinen neunten WM-Titel einzufahren. Seit 2004 hat die Vollgas-Szene keinen anderen Weltmeister mehr gesehen.
Auf der Couch
Seinen dritten WM-Titel im Jahr 2006 sah Loeb von der Couch aus. Ein Mountainbike-Unfall erzwang die Pause zur Saisonmitte, einholen konnte ihn in diesem Jahr dennoch keiner seiner Konkurrenten. Nicht wenige sprechen bei Sébastien Loeb längst vom besten Autofahrer der Welt, auch wenn er selbst in dieser – unseriösen – Diskussion stets den Namen Michael Schumacher ins Spiel bringt: "Er ist der Mann, auf den alle schauen."
Doch Loebs Referenzen sind exzellent. Frankreichs Sportler der Jahre 2007 und 2009 versteht es nicht nur, ein Rallye-Auto über Schotter, Eis und Asphalt zu prügeln, auch auf ungewohntem Terrain bewies der Elsässer seine Steuerkunst. 2006 fuhr er beim Langstrecken-Klassiker in Le Mans auf Rang zwei, ein paar Jahre später kletterte er für Sponsor Red Bull bei einem offiziellen Test in ein Formel-1-Auto und ließ dabei so manchen arrivierten Piloten hinter sich. "Dieser Mann ist einfach ein Ausnahmetalent", schwärmte damals Testfahrer und Routinier Alexander Wurz.
Beeindruckt von der Performance, sollte Loeb im Jahr 2009 bei Toro Rosso kurzfristig einspringen, doch der Traum von der Königsklasse platzte, weil er laut Weltverband über zu wenig Erfahrung verfügte. "Ich bin ein erfolgreicher Rallyefahrer. Ich muss nichts bedauern", sagt er. Das Understatement ziert seine Aussagen wie der Dreitagebart sein Gesicht. Mit einem Umstieg in die Formel 1 hätte Loeb zu einer der größten Persönlichkeiten im Motorsport aufsteigen können. Dem Wahl-Schweizer gefällt seine Rolle: "Ich muss nicht berühmter sein, als ich es derzeit bin."
Auch ein lukratives Angebot von Volkswagen schlug der Citroën-Werkspilot aus. Der deutsche Weltkonzern hätte sich bei seiner Rückkehr in die Rallye-WM im Jahr 2013 gerne mit dem Besten seines Fachs geschmückt. "Sie haben wirklich viel getan, um mich zu bekommen", sagt Loeb, "aber wenn ich nach der Hälfte der nächsten Saison auf Platz zehn gestanden hätte, hätte ich meine Wahl bereut." Wie viele der Großen im Motorsport, ist auch Loeb ein Getriebener und Perfektionist. "Ich habe großes Vertrauen in meine Fähigkeiten und in mein Auto."
Am Reck
Dabei fand er spät seine Profession. Als Kind galt er als einer der vielversprechendsten Kunstturner Frankreichs, erst mit 18 Jahren fand er Gefallen an der Raserei über Stock und Stein, weitere sieben Jahre mussten vergehen, ehe der Verband das Talent erkannte und förderte.
Davor war er lediglich durch seinen sportlichen Fahrstil im Straßenverkehr aufgefallen. "Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich besser fahre als die meisten meiner Freunde", sagt Sébastien Loeb bloß.
Zur Person: Der rasende Kunstturner
Leben
Sébastien Loeb wurde am 26. Februar 1974 in Haguenau (Frankreich) geboren. In seiner Kindheit war er zunächst Kunstturner. In seiner Heimatstadt schloss er eine Ausbildung zum Elektrotechniker ab. Mittlerweile lebt er am Genfer See in der Schweiz, ist verheiratet und hat eine Tochter.
Karriere
Erst mit 21 Jahren stieg er in den Rallyesport ein. 1999 debütierte er in der Rallye-WM. Zwei Jahre später wurde er Werksfahrer bei Citroën. Seinen ersten von bisher 74 WM-Läufen gewann er 2002 in Deutschland. Mit Beifahrer Daniel Elena (Monaco) ist er seit 2004 ununterbrochen Weltmeister.
WM 2012
Stand nach 9 von 13 Saisonrennen: 1. Loeb (F) 199 Punkte, 2. Hirvonen (Fin) beide Citroën 145, 3. P. Solberg (Nor) Ford 104. – Nächster Lauf: Wales-Rallye (13.–16. 9.).
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