Sport

Außer Rand und Wand

Wenn der Berg ruft, dann zieht es die Menschen aus dem Land der Berge in die Stadt. Dort, zwischen Häuserschluchten und Straßenkreuzungen, im Herzen von Innsbruck, türmen sich die Gipfel auf, die den Liebhabern des Klettersports Berge geben – und den akrobatischen Protagonisten sowieso. "Es gibt keinen besseren Weltcup", sagt Anna Stöhr. Die Lokalmatadorin ist seit Jahren die Nummer eins im Bouldern, jener spektakulären und publikumswirksamen Disziplin des Kletterns, in der die Athleten ohne Seil kraxeln und künstliche Hindernisse überwinden.

Kultstatus

Der sogenannte Blocmaster in Innsbruck genießt im zehnten Jahr des Bestehens längst Kultstatus. Zehntausend Anhänger des Outdoor-Spektakels waren trotz Regens und Kälte auch in diesem Jahr wieder Augenzeugen der Fingerfertigkeit und Trittsicherheit der Kletterer. Und weil der Andrang mittlerweile zu groß und der Innsbrucker Marktplatz zu klein geworden sind, riefen die Veranstalter an diesem Wochenende sogar kurzerhand ein Public Viewing ins Leben.

Es geht steil bergauf mit dem Klettersport, dem lange die Seilschaften gefehlt hatten. Erst seit wenigen Jahren ist Klettern hierzulande eine anerkannte Sportart und offizielles Mitglied der Bundessportorganisation BSO. Seither klettern die Mitgliederzahlen ständig nach oben: 60.000 Kraxler sind derzeit in Österreich registriert, Tendenz stark steigend. Weil das Klettern inzwischen auch als Schulsport gefördert wird und in Österreichs Schulen die Turnhallen umgerüstet und mit Kletterwänden versehen wurden, rennen vor allem die Kinder und Jugendlichen dem Alpenverein die Türen ein. "Diese Entwicklung war nicht absehbar, das ist richtig aus den Fugen geraten", sagt Reini Scherer, der Organisator des Boulderweltcups in Innsbruck.

Metropole

Die Tiroler Landeshauptstadt ist die Klettermetropole schlechthin. 2500 Jungkraxler sind allein in Innsbruck gemeldet, im Tivolistadion ist kein Areal so gut besucht wie die Kletterhalle. "Die Anlage war für 30 Leute am Tag konzipiert, wir haben im Schnitt 150", sagt Scherer. Bis 2016 entsteht nun ein neues Kletterzentrum, das dem Ansturm gerecht werden soll.

Auch die Stars der Kletterszene profitieren vom rasanten Aufstieg ihres Sports. Aus den Freizeitathleten von einst sind Vollprofis geworden. Anna Stöhr, die amtierende Weltmeisterin und Weltcupgesamtsiegerin, kassiert für einen Erfolg 3000 Euro Preisgeld, in der wettkampffreien Zeit tingelt die Tirolerin für Fotoshootings um die Welt. "Du kannst als Kletterer sehr gut leben."

Fehlt nur noch der Gipfelsturm auf den Olymp. Zumindest bis zu den Sommerspielen 2024 hängen die Kletterer noch in der Warteschleife. "Aber über kurz oder lang führt bei Olympia an Klettern kein Weg vorbei", sagt Reini Scherer.