Geschichte geschrieben: Thiem siegt und greift nach dem Titel
Von Harald Ottawa
Tiebreak! Womöglich das neue Lieblingswort von Dominic Thiem.
Drei Mal gewann Österreichs Topmann ein solches gegen Rafael Nadal, am Freitag führten ihn zwei Tiebreaks zu seinem größten Erfolg auf Hartplatz: Dominic Thiem schlug den Deutschen Alexander Zverev 3:6, 6:4, 7:6 (3), 7:6 (4) und steht in seinem dritten Major-Finale. Im ersten, das nicht auf Pariser Sand über die Bühne geht, das erste, in dem nicht Rafael Nadal gegenübersteht. Er ist damit auch erste Österreicher überhaupt, der in Melbourne um den Einzel-Titel kämpft.
Mit Novak Djokovic wartet jedoch am Sonntag im letzten Match der Australian Open ein anderer Weltstar (9.30 Uhr MEZ/live Servus TV, Eurosport und im Live-Ticker auf kurier.at). "Ich treffe immer auf die absolut Besten bei diesen Turnieren, das ist immer eine ganz besondere Herausforderung", sagt Thiem.
Das Spiel
Dabei hatte alles zunächst ein bisserl anders ausgesehen, Thiem verlor der ersten Satz. "Da habe ich etwas die vier Stunden gegen Nadal gespürt. Außerdem waren wir beide etwas nervös, die Atmosphäre hier ist beeindruckend, außerdem war es unser erstes Semifinale hier." Der Niederösterreicher kam aber besser ins Spiel.
"Es war ein enges Match, der Schlüssel war der dritte Satz. Dann entschieden oft Kleinigkeiten." In diesem dritten Satz zeigte sich der faire Sportsmann Thiem, als er Zverev aufforderte, eine Challenge zu nehmen, als ein Ball des Deutschen Aus gegeben worden war. So "verschenkte" er ein mögliches Break
Der Belag
Österreichs erster Melbourne-Finalist, den kurz der Magen plagte ("Nichts Dramatisches"), zeigte erneut, dass er auf Hartplatz ebenfalls zu den Allerbesten zählt. Schon im Vorjahr lief es auf besagtem Untergrund famos: Da gewann er in Indian Wells im März sein erstes ATP-1000-Turnier, da stand er im Endspiel des ATP-Finales in London.
Seine Leistungssteigerung ist vor allem auf Hartplatz spürbar, der Offensivdrang macht sich auf schnellerem Boden bezahlt. "Er geht viel besser nach vorn als früher, er sucht viel früher die Entscheidung", erklärt Alexander Antonitsch. Ein weiterer Vorteil ist belagsunabhängig. "Er ist in engen Situationen viel abgebrühter."
Dominic Thiem hat in Melbourne alles richtig gemacht. Auch nach dem gescheiterten Experiment mit Coach Thomas Muster, der zu viel wollte und nach zwei Spielen nicht mehr gewollt wurde. Thiem spielt lieber ohne großen Druck von außen, den macht sich Österreichs Bester selbst. Und Trainer Nicolás Massú sorgt als freundlicher Entertainer für die gute Laune, als Sachverständigen hat er Trainer-Vater Wolfgang Thiem an der Seite.
Thiem fühlte sich in den vergangenen Tagen pudelwohl, Muster ist Vergangenheit, nun zählt Novak Djokovic. Der Serbe hat bei den Australian Open noch kein Finale verloren und ist mit sieben Titeln der Rekordchamp.
Und er spielt auch heuer meisterlich: Nur einen Satz hat er bislang abgegeben. Der 32-Jährige sieht in Thiem auch schon einen kommenden Nachfolger: "Dominic hat auf jeden Fall das Zeug zur Nummer eins. Von den Jüngeren ist er der Beste."
Die Bilanz
Thiem lehrte die "Alten" das Fürchten, seit einem Jahr hat er gegen die großen drei eine famose Bilanz: 2:1 gegen Rafael Nadal, 3:0 gegen Federer und 2:1 gegen Djokovic.
In Madrid unterlag er zwar dem 16-fachen Major-Sieger, gewann aber eine Marathon-Partie bei den French Open und im November auch einen Krimi beim ATP-Finale in London.
"Dominic schlägt seit Jahren regelmäßig die Großen, er ist von den Herausforderern der Beste", betont sein Ex-Trainer Günter Bresnik. Vielleicht ist er in ein paar Tagen kein Herausforderer der Big Three mehr: Mit seinem ersten Grand-Slam-Titel würde er Federer als Nummer drei ablösen. Favorit am Sonntag ist Djokovic, der mit einem Titel wieder Nummer eins wird. "Dominic stand bisher viel länger auf dem Platz, außerdem hat Djokovic einen Tag länger zur Regeneration", sagt der zweifache Melbourne-Champ Boris Becker.