Rekord-Wechsel zum Abschluss: Der Transferwahnsinn der Premier League
Am Dienstag konnten die Klubs in den großen Ligen (in Österreich läuft die Transferzeit bis 6. Februar) in diesem Winter ein letztes Mal tief in die Tasche greifen. Chelsea hat in diesem Winter fast 330 Millionen Euro in neue Spieler gesteckt. Allein der kaum bekannte Ukrainer Mykhailo Mudryk kostet bis zu 100 Millionen. Zudem holten die Londoner kurz vor knapp noch Enzo Fernandez von Benfica Lissabon. Der 22-jährige Argentinier und Weltmeister kostet 121 Millionen Euro, britischer Rekord.
Fernandez hat die WM-Bühne genutzt, doch viele Transfers der WM-Stars aus der zweiten Reihe werden wohl erst im Sommer über die Bühne gehen. Depay, Gakpo, Weghorst, Delaney, Thorgan Hazard, Juranovic, Seferovic, Sommer, Cancelo, Ronaldo, Joao Felix, Ziyech – das sind die bekanntesten WM-Spieler, die in diesem Winter wechseln.
Vor 20 Jahren gaben die Vereine der fünf europäischen Topligen (Bundesliga, Premier League, Serie A, La Liga, Ligue 1) pro Saison etwa eine Milliarde Euro für neue Spieler aus. In der bisherigen Rekordsaison 2019/20 waren es 6,3 Milliarden Euro. Corona dämpfte den Wahn, die Ausgaben sanken 2021/22 auf etwa 3,5 Milliarden. In der aktuellen Saison liegen sie schon wieder bei mehr als 5,6 Milliarden Euro. Davon gab alleine die Premiere League über 3 Milliarden Euro aus.
Verrückter TV-Markt
Während die Verbraucherpreise in den vergangenen 20 Jahren um etwa 43 Prozent gestiegen sind, haben sich die Ausgaben auf dem Transfermarkt in dieser Zeit mehr als verfünffacht. Die Einnahmen aus der Vermarktung der TV-Rechte explodierten. In der Bundesliga stiegen sie laut der Unternehmensberatung Deloitte zwischen der Saison 2014/15 und der Saison 2020/21 von 731 Millionen auf 1,659 Milliarden Euro. Das entspricht 92 Millionen pro Verein. Noch beliebter ist die Premier League: Der Auswertung zufolge verdienen die Vereine allein mit den Fernsehrechten rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr.
Viel von diesem Geld wird direkt in neue Spieler reinvestiert. Wertet man die Daten aus, bestätigen sie: Die englischen Vereine sind die treibende Kraft hinter der Explosion des Transfermarkts. Ihr finanzieller Vorsprung vor den anderen Ligen ist haushoch.
Wer absteigt, verliert die lukrativen Einnahmen aus dem Fernsehgeldtopf – weshalb auch Neulinge gern und vor allem viel investieren: Aufsteiger Nottingham verpflichtete im Sommer 28 neue Spieler für 162 Millionen Euro, Brentford zahlte kürzlich 25 Millionen für Kevin Schade vom SC Freiburg: einen 21-Jährigen mit erst 29 Bundesligaspielen. Wenn man einen Spieler abgeben wolle, könne man sich "nur freuen, wenn die britische Vorwahl 044 im Display erscheint". Das sagt Mainz-Sportvorstand Christian Heidel in der Süddeutschen.
Warum sind Paris, Chelsea oder Manchester City sportlich nicht längst konkurrenzlos? Die Investoren der großen Vereine wollen Stars und Spieler, um die Champions League zu gewinnen. Da spielen 16-Jährige keine Rolle. So wechselte Jamal Musiala 2019 für 200.000 Euro aus der Chelsea-Jugend zum FC Bayern. RB Leipzig holte im gleichen Jahr Christopher Nkunku von Paris für zwölf Millionen Euro. Ein Jahr später kam Jude Bellingham für 25 Millionen Euro von Birmingham City zu Dortmund.
Mittlerweile betragen ihre Marktwerte zusammen fast 300 Millionen Euro. Dortmund machte mit Pulisic, Dembélé, Sancho und Haaland Hunderte Millionen Gewinn und ist der einzige europäische Topverein, der in den vergangenen 20 Jahren eine positive Transferbilanz (80 Millionen Euro) vorzuweisen hat.