Parits: „Wir müssen den Fallschirm öffnen“
Wären die Austrianer ein Orchester, dann würden sie die Töne derzeit in Moll anschlagen. Mit gesenkten Häuptern schlichen sie am Tag nach der 0:1-Niederlage gegen die Admira aus der Kabine zum Training. Bewölkt war nicht nur der Himmel, sondern auch der Ausdruck in allen Gesichtern.
Vielleicht lag es auch an der halbstündigen klaren Aussprache zwischen Trainer und Team unmittelbar vor der Übungseinheit. Coach Nenad Bjelica machte deutlich, was ihm an den letzten Vorstellungen seiner Truppe nicht gefiel: „Es fehlt der Biss. In der Champions League ist er vorhanden, in der Meisterschaft nicht.“ Oder im Cup, wo man sich in Kalsdorf blamierte.
Sportvorstand Thomas Parits, nach der Niederlage in der Südstadt noch schmähstad und sprachlos, nahm sich Bjelica, Fitness-Coach Martin Mayer und Kapitän Manuel Ortlechner zur Brust, besprach die heikle Situation vor dem Abflug nach St. Petersburg, wo man am Dienstag in der Königsklasse bei Zenit antritt. Angedacht ist auch eine teaminterne Aussprache ohne Trainer, so wie es auch in der vergangenen Saison unter Coach Peter Stöger geschah. „Ich glaube, dass das wichtig wäre“, so Parits. „Momentan befinden wir uns im Fallen, wir müssen endlich den Fallschirm öffnen.“
Die Gründe für die violette Talfahrt sind vielfältig:
Formkrise
Die wenigsten Austrianer agieren in Normalform. Vor allem Schlüsselspieler wie Holland, Jun und Hosiner, die in der Vorsaison wichtige Faktoren auf dem Weg zum Titel waren, sind von der Rolle. Holland lässt die gewohnte Souveränität vermissen, begeht auch taktische Fehler wie beim 0:1 gegen Porto. Jun kommt aus privaten Gründen nicht auf Touren, wird in Russland wohl nur auf der Bank sitzen. Und Hosiner, im Vorjahr ein Treff-Ass der Sonderklasse, hat sein Visier nicht gut eingestellt.
Verletzungspech
Alexander Grünwald fällt Monate aus, Gorgon und Stankovic stehen erst Mitte Oktober wieder zur Verfügung, wenigstens Royer dürfte rechtzeitig für das Duell mit St. Petersburg fit werden. Die Verletztenliste wurde in der jüngsten Vergangenheit nahezu täglich länger. Dem Trainer sind bei der Suche nach Alternativen die Hände gebunden. Einige Spieler böten sich an, aus der Startelf gestellt zu werden – allein: Wer sollte sie ersetzen? Daher überlegt die Austria-Führung eine Blutauffrischung im Winter, wenn es die Situation erfordert. Gefragt sind hungrige Spieler, die in allen Spielen und Bewerben Biss zeigen.
Zeitdruck
Die Austrianer absolvieren alle drei bis vier Tage ein Spiel. Dazwischen ist an ein geregeltes Training nicht zu denken, es wird improvisiert und vor allem regeneriert. Dass die unter Stöger/Schmid einstudierten Automatismen grundsätzlich greifen, bewiesen die Spieler in der heurigen Saison schon in einigen Partien. Was fehlt, ist die Zeit, um regelmäßig daran zu feilen.
Kopfsache
Die Mehrfachbelastung spielt sich weniger in den Beinen als in den Köpfen ab. Auffällig ist, wie unkonzentriert und fehlerhaft die Wiener vor allem im Offensivspiel agieren. „Für uns ist es derzeit leichter, defensiv gut zu stehen wie gegen Porto, als das Spiel zu machen wie in der Meisterschaft oder im Cup“, gesteht Florian Mader.
Der schwache Trost: Am Dienstag in St. Petersburg muss die Austria garantiert nicht das Spiel machen.
Bilder vom Bundesliga-Wochenende
Die Wiener Austria muss sich am Dienstag bei Zenit St. Petersburg (18.00/live Sky und Puls 4) gehörig ins Zeug legen, will man im Petrowski-Stadion bestehen.
4:2 gewann Zenit im Spitzenspiel der russischen Liga gegen Spartak Moskau. Damit führt die Mannschaft des italienischen Trainers Luciano Spalletti nach elf Runden die Tabelle an. Die Bilanz in der Meisterschaft: acht Siege, zwei Unentschieden und nur eine Niederlage.
Mattersburg-Coach Alfred Tatar, selbst mit Rashid Rachimov in Russland (von 2006 bis 2009) tätig, beschreibt den Stil von St. Petersburg: „Zenit spielt einen Fußball, der extrem dominant ist. Ein Fußball mit wenigen weiten Bällen, dafür umso mehr Kurzpassspiel.“
Am 22. Oktober geht die europäische Leistungsschau für die Austria im Heimspiel gegen Atlético Madrid weiter. Und der Brocken wird nicht leichter. Denn im Stadtderby von Madrid gewann Atlético gegen Real mit 1:0 und sorgte dafür, dass für Real-Trainer Carlo Ancelotti im Bernabéu-Stadion erstmals Pfiffe hinnehmen musste.
Atlético ist mit 21 Punkten Zweiter der Primera Division und hat damit genau so viele Zähler wie Leader FC Barcelona und erwischte mit sieben Siegen in sieben Spielen den besten Meisterschaftsstart der Vereinsgeschichte.
Bilder vom Madrider Stadtderby